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Türkpop: Sultan Tunc: Hip-Hop mit Haltung

Popkomm-Partnerland Türkei: Wir stellen die Protagonisten des Türkpops vor. Hier: Der Hiphopper Sultan Tunc.

Die Steigerungsform vom Propheten im eigenen Lande ist der Deutschtürke in Istanbul. Wer aus der Diaspora kommt, hat es am Bosporus besonders schwer, und der Deutschtürke gilt dort automatisch als Hinterwäldler – Landsmann hin oder her. Das musste auch Sultan Tunc erfahren, heute einer der innovativsten türkischen Rapper und Hip-Hop-Produzenten: „Wenn man nicht auf der richtigen Seite geboren ist, muss man hier für alles teuer bezahlen.“ Als Tunc, der in den 90er Jahren mit den „Victims of Choice“ aus dem hessischen Stadtallendorf zu den ersten deutschen Hip-Hop- Crews gehörte, 1997 nach Istanbul zog, ging erst alles schief. Zweimal platzten Veröffentlichungstermine und mit ihnen Major-Plattenverträge. Erst 2003 erschien schließlich sein Debüt „Saygi Deger Sarkilar“, das die Tageszeitung Hürriyet euphorisch als bestes Hip-Hop-Album bejubelte, das je in der Türkei produziert wurde.

Ein Arsenal arabischer Percussion

Tunc mixte darauf die stürmischen orientalischen Tonkaskaden mit gestochen scharfen elektronischen Beats und legte darüber ein ganzes Arsenal an arabischen Percussion-Instrumenten. Er vermischte Elemente aus alevitischer Volksmusik mit Hip-Hop und integrierte traditionelle türkische Instrumente wie die Buzuki, eine Langhalslaute, oder die Darbuka, eine Handtrommel. „Mein Opa war Hochzeitsmusiker, der mit seinen Söhnen durch die anatolische Steppe zog und den Gästen ziemlich einheizte. Er trank viel und war beliebt bei den Frauen. Ein richtiger Rockstar. Aber er hat die Musik an seine Kinder weitergegeben und mein Vater an mich“, sagt Tunc über seinen reichen musikalischen Background.

So gehören neben den Breaks von Public Enemy auch die philosophischen Lehren des Sufi-Mystikers Hadschi Bektasch zu seinem Repertoire. Vom Gangster-Klischees des Rap ist Sultan Tunc meilenweit entfernt. Für ihn ist Hip-Hop nicht nur eine musikalische Ausdrucksform, sondern auch eine Flüstertüte für politische Inhalte. Auf seinem letzten Album „Oriental Rap’n Roll“ ist ein Protestsong, der sich gegen die unselige Macht des Militärs wendet, das seit dem Zweiten Weltkrieg dreimal die Regierung gestürzt hat. „Pardon Mr. Genelkurmany“ ist seinem Onkel gewidmet, der Gewerkschaftsführer war und nach dem Putsch von 1980 aus der Türkei fliehen musste. Heute lebt der Onkel in Berlin, das neben Istanbul auch für Sultan Tunc zur zweiten Heimat wurde. Sein nächstes Album will er nicht am Bosporus, sondern in Berlin aufnehmen.

Sultan Tuncs Album „Oriental Rap’n Roll“ ist beim Istanbuler Label Ada Music erschienen.

Felix Denk

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