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Vom Plattenbau zum Plattenteller: Berlins Hip Hop-Spaßvogel MC Fitti.

© PROMO styleheads

Portrait: MC Fitti: Cowboykaffee statt Latte Macchiato

Die Meinungen sind geteilt: Für die einen ist MC Fitti der bärtige König der Spaßgesellschaft, für die anderen nur ein wandelndes Marketingprodukt. Unser Autor Maik Werther hat ihn für ein Portrait interviewt.

Wer in diesen Wochen mit offenen Augen durch die Stadt spaziert, kommt unweigerlich an seinem Gesicht vorbei. Vollbärtig, scheinbar mit Sonnenbrille und Basecap verwachsen, grient er breit von unzähligen Postern herab. "MC Fitti ist am Start, Fitti mitm Bart." singt er selbst seit zwei Jahren und stilisiert sich zur derzeitig angesagtesten Galionsfigur des Rap und der allgemeinen Spaßgesellschaft. Seine Musik: durchweg leichtgängige Beats, ein Hybrid aus Electro und Hip Hop, fern engstirniger Street Credibility und der früheren Ernsthaftigkeit beider Genres.

Vor zwei Jahren, noch als Geheimtipp aus dem Berliner Kiez gehandelt, ergatterte er mit Glück einen guten Bühnenplatz auf dem Splash-Festival. Inzwischen hat sich der gebürtige Gifhorner und nunmehr Wahl-Friedrichshainer zum allzu öffentlichen Ulkanimateur der Stunde gemausert und sein Song "30 Grad" sich zum Sommerhit 2012 inklusive YouTube-Klicks im Millionenbereich. Einen YouTube-Star nennen das die Medien gern. Doch nach dem Erfolg aller nachfolgenden Singleauskopplungen greift das zu kurz.

Ursprünglich wollte der gelernte Elektriker aus der Nähe von Braunschweig im Filmschnitt arbeiten, kam aus Interesse und für ein Praktikum nach Berlin und ist geblieben. Er liebt die Stadt für ihre Möglichkeiten. "Du kannst, wenn Du willst, in Berlin 7 Tage lang arbeiten, 7 Tage lang Party machen oder 7 Tage lang Urlaub machen. Du hast echt alle Möglichkeiten. Es wird nie langweilig." Über Freunde kam der vielseitige Handwerker zum Kulissenbau, arbeitete beim Film, fuhr Lkw und baute unter anderem Kulissen für Filme wie "Das Leben der Anderen" und für Serien wie "Verliebt in Berlin" oder für Berliner Folgen der "Tatort"-Reihe. Nebenher ersann er mit seinem Nachbarn und Kumpel Udo Zwackel eine Konzeptidee für eine Ausstellung über den Aufstieg eines Popstars - MC Fitti entstand. Im heimischen Studio gleich hinter Zwackels Schlafzimmer produzierten beide die ersten Songs, die längst zum Selbstläufer geworden sind. "Das war gar nicht in meinem Kopf, dass das auf einmal so losgeht. Ich habe einfach mit Zwackel ein bisschen Musik gemacht, nur für ein kleines Kunstprojekt. Und dann auf einmal habe ich das losgetreten. Täglich kamen Anrufe - kommen immer noch - und es passieren Sachen, die ich nie erträumt hätte."

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Längst ist er im allgemeinen Star-Nimbus aufgegangen und zum medialen Goldesel aufgestiegen, der sich mit It-Girls wie Bonnie Strange oder Palina Rojinski ebenso konsequent umgibt wie mit der großen Hip Hop-Gemeinschaft. Ob Kollegen vom einstigen Label Royal Bunker - dem 2008 geschlossenen Berliner Independent Hip Hop Label, das Rap in Deutschland mitgeprägt und Karrieren von Künstlern wie Kool Savas, Prinz Pi, Vokalmatador oder Sido begründet hat - ob heutige Musikgrößen wie Casper, Kraftklub, Marten Laciny alias Marteria und Marsimoto, oder Oldschool-Helden wie Harris von den Specializtz und Curse: Fitti kennt sie inzwischen alle.

Apropos Curse: Der "Benimmonkel des Deutsch-Rap", bürgerlich Michael Sebastian Kurth, sprach einst in "Zehn Rapgesetze" als Regel Eins aus: "Frag Dich, ob's Dir das wirklich wert ist. Rapst Du weil's Dir am Herz liegt oder weil der Scheiß zur Zeit Kommerz ist?". Auch bei MC Fitti stellt sich unweigerlich die Frage, wo Persiflage aufhört und Ausverkauf beginnt. Letztendlich lässt sich zwar alles als Kunst tarnen und ist Ausverkauf gerade im Hip Hop bereits allzu stumpfes Schwert, das zu oft und gern gezückt wurde, um Modernität niederzukämpfen. Dennoch fragt man sich, wo der ironische Bruch seiner Figur genau beginnt. "Ausverkauf, ja klar. Da ist immer so ein Schritt, den man überschreitet, wo einige alte Fans, die mich noch vom Anfang kennen, wo meine Facebookseite noch 200 Likes hatte, sicherlich enttäuscht sind, dass ich jetzt in den großen Medien bin."

MC Fitti befeuert die Synapsen der Sozialen Kanäle

Der König Midas des Rap, MC Fitti, macht Trash zu Kult: nur echt mit Konfetti und Flamingomädchen.
Der König Midas des Rap, MC Fitti, macht Trash zu Kult: nur echt mit Konfetti und Flamingomädchen.

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Der selbsternannte "Manipulationsdesigner" und frühere Streetartkünstler, der gern von sich selbst in der dritten Person nur als "der Fitti" spricht, genießt die Medienreichweite - allein auf Facebook folgen ihm inzwischen über 83.000 Fans - und betreibt er seine eigene Inszenierung und Kommerzialisierung auf sehr hohem Niveau und auf allen Kanälen. Er hat seinen Werbewert klar erkannt: ob Automarken, Sonnenbrillen, Streetwear, viele möchten mit ihm werben. Hier kommt Product Placement 2.0 zur Anwendung und ist er vermarktungstechnisch der George Lucas des Rap. Von all dieser Kritik der "Hip Hop-Nerds", wie MC Fitti sie nennt, die vorzugeben versuchen, wie sich ein Genre zu entwickeln hat, was echt ist und was nicht, hat er sich längst gelöst.

Und während Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vom Internet als Neuland redet, hat er es bereits erobert. Denn zu verdanken hat er seinen Aufstieg vor allem seinem klugen Agieren innerhalb der Sozialen Netzwerke: Niemand gibt diesen - mit Ausnahme vielleicht vom omnipräsenten Sascha Lobo - derzeit so deutlich ein Gesicht wie MC Fitti. Netzjargon wird zum Gegenstand der Musikkultur und Roflcopter, YOLO, Hashtags, Emoticons und Whatsapp ebenso konsequent ins Repertoir überführt wie er über Facebook, Twitter, Tumblr und Instagram den direkten Draht zu den Fans sucht. Sei es die Aktion, das eigene Handy an denjenigen Fan zu verschenken, der ihm das skurrilste Hashtag mit YOLO sendet, sei es, dass er seine Privatnummer auf Facebook stellt, um direkt mit den Fans zu whatsappen, bis sein Mobilgerät schlussendlich abstürzte. Er hat die gegenwärtige Popkultur verstanden und Spaß-Rap um neue Vermarktungsideen bereichert.

Inzwischen agiert ein ganzes Team um ihn herum, um das "Projekt Fitti", reist mit ihm im gesponserten Nightliner-Tourbus im eigens personalisierten MC Fitti-Design zwischen Rock Am Ring, Splash und Fusion durch den Festivalsommer. Aktueller Lieblingsjob: Teilzeitstar. "Ich mache halt Vollgas, bin aber nicht total abgedriftet und laufe den ganzen Tag halbnackt durch die Stadt und weiß nicht, wer ich bin." Denn wenn er nicht gerade auf Tour ist, um sein erstes Album zu bewerben oder die Synapsen der Sozialen Kanäle befeuert, "cornert" er am Liebsten mit Freunden im Friedrichshainer Kiez zwischen Boxhagener- und Anne-Mirl-Bauer-Platz am Ostkreuz, auch wenn langsam der Unmut wächst.

"Als ich in Berlin gelandet bin, hat man noch echt für 'nen schmalen Taler wohnen können. Leben kann man ja immer noch relativ günstig. Aber die Mieten sind ins Enorme gestiegen und das Bezirksleben geht ein Stück weit kaputt." Berlins Kulturszene habe sich im Kleinen aufgebaut, durch Leute, die für sich im Viertel aktiv waren und die Stadt dazu gemacht haben, was sie heute ist - noch. Jetzt kämen ihm darüber hinaus auch zu viele, die Berlin nur hochstilisiert aus den Medien kennen würden und "dann zwei Wochen lang denken, sie sind der King Louie und machen 'n Wilden." Das sei inzwischen der Nachteil. Denn den Berliner Lifestyle gibt es laut seiner Philosophie nicht einfach im i-Store. Berliner Lässigkeit, die hat man einfach! Eben Cowboykaffee statt Latte Macchiato.

MC Fittis Debütalbum "#Geilon" ist am 05. Juli beim Berliner Label Styleheads Music erschienen. Am 26. September wird er beim Bundesvision Songcontest 2013 für Berlin antreten.

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