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Konzertkritik: Daniel Kahn & The Painted Bird im Festsaal Kreuzberg

Mit ihren Bärten, Hüten, Schiebermützen, mit ihren zerknitterten schwarzen Anzügen sehen Daniel Kahn & The Painted Bird aus wie aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt.

Daniel Kahn & The Painted Bird wirken auf der samtrot angeleuchteten Bühne vom Festsaal Kreuzberg wie eine Kapelle aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, wie das kulturelle Rahmenprogramm einer revolutionären jüdischen Arbeiterversammlung zur Zeit der Weltwirtschaftskrise.

In ihren Liedern mischen sich traditionelle osteuropäisch jüdische Volksmusik mit dem kämpferischem Agitprop von Brecht/Weill, sowie einem Schuss Punkrock und Schräglage à la Tom Waits. Und immer wieder ist dieser Musik auch eine Aufforderung zum Tanz. Bis die Dielen der Bühne und des Tanzbodens im alten Festsaal knarzen vom Wippen und Hüpfen der Musiker und ihrer Fans. Stolpernde Polka, Walzer und traditionelle jüdische Tanzweisen zu rostigen Klängen in ungewöhnlichen Taktarten. Posaune, wiehernde Klezmer-Klarinette, schmierende und fiddelnde Geige, Kontrabass und Schlagwerk mit umgehängter Marschpauke, einer Snare und angefressenem Dengelbecken.

Im Vordergrund quetscht und zieht Daniel Kahn sein Akkordeon und seine Stimmbänder. Der Amerikaner aus Detroit, der seit sechs Jahren in Berlin lebt und sich als Stammmusiker im Kaffee Burger inzwischen eine erkleckliche Fan-Gemeinde erspielt hat, singt jiddisch, deutsch und englisch. Sehr theatralisch mit rollendem R und wild flackernden Augen. Mit strenger Ernsthaftigkeit interpretiert er Mordechai Gebirtigs "Arbeitslosenmarsch", Brechts Ballade "Wovon lebt der Mensch", traditionelle Arbeiterkampflieder gegen blutsaugende Kapitalisten, Vertonungen alter jiddischer Dichter, Geschichten aus dem Ghetto, Widerstand gegen die Nazis, sowie seine eigenen Songs über Partisanen und Parasiten, das harte Leben auf der Straße und den aufzubauenden "Internationalen Klezmer-Bund".

Und am Schluss schimmern zwischen all dem radikalen Geknarze die Glanzlichter des Abends durch: der elegische Walzer "Sunday After The War" sowie die bewegende Liebesballade und Hommage an Kahns Wahlheimat Berlin: "Görlitzer Park". Dann trinken sie alle einen Whisky und lassen es noch mal krachen, bevor Kahn eine kämpferische Faust ballt zum Abschiedsgruß.

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