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Poesie aus Deutschland, Flandern und den Niederlanden: Drei Freunde sollt ihr sein

Das deutsch-niederländische Magazin „Trimaran“ verbindet drei starke europäische Lyrikszenen. Die Zeitschriftenkolumne.

Von Gregor Dotzauer

Auf dem Landweg beträgt die Entfernung von Düsseldorf nach Gent und von dort nach Amsterdam jeweils rund 230 Kilometer. Mit dem „Trimaran“ zurückgelegt, verringert sie sich auf einen Katzensprung. Das „Lyrikmagazin für Deutschland, Flandern und die Niederlande“ (trimaran-mag.eu), das sich des Namens für ein Boot mit drei parallelen Rümpfen bedient, erhebt sich schon zum zweiten Mal über die nationalen Wasser – im Bemühen, auch die Grenzen der drei beteiligten Sprachen zu überwinden (2/2020, 132 S., 15 €, versandkostenfrei über lilienfeld-verlag.de).

Obwohl das Deutsche zum flämischen und holländischen Niederländisch eine weitaus größere Distanz unterhält, als diese beiden Sprachen es untereinander tun, darf man deren Varianten nicht unterschätzen. Die Deutschen, die angesichts vieler „falscher Freunde“ in der eigenen Sprache Bedeutungsgleichheiten vermuten, wo keine herrschen, sind dafür besonders anfällig. Was die Kunststiftung NRW, Flanders Literature und der Nederlands Letterenfonds hier zu einem poetischen Raum vereint, ist nicht völlig unerschlossen.

Jan Wagner und Federico Italiano, die sich vergangenes Jahr in einer 600-seitigen Anthologie auf „Grand Tour“ (Hanser) durch die junge Lyrik Europas begaben, entdeckten im Niederländischen eine der reichsten Poesiesprachen des Kontinents: Nur das Italienische und das Englische waren stärker vertreten. Im Interview erklären die beiden, dass sie mit Anthologien wie „Polderpoesie“ (Edition SIC) auf solide Vorarbeiten zurückgreifen konnten und vor allem Mühe hatten, „bei der Auswahl eine Unabhängigkeit von den Festivals zu erreichen. Überspitzt könnte man sagen, dass mittlerweile eine Art Festivallyrik entstanden ist, deren Autor*innen mitunter in den jeweiligen Poesieszenen kaum eine Rolle spielen.“

Gedichte in Gebärdensprache

Indem der durchgehend zweisprachige „Trimaran“ sich an Publika in drei Ländern wendet, ist ein Stück Kontrolle gegeben. Die Deutschen erfahren von Janita Monna, was sie über die wichtigsten niederländischen Gedichtbände des Jahres 2019 wissen müssen – etwas die #Metoo-Lyrik von Marwin Vos. Die Holländer und Flamen wiederum können sich mit Katharina Mevissens Projekt „handverlesen“ vertraut machen, das – nach französischem Vorbild – deutsche Gedichte in Gebärdensprache übersetzt.

Das Heft im Heft dokumentiert die wechselseitigen Übersetzungen zweier Dichterpaare: von Sonja vom Brocke und Maria Barnas sowie von Peter Holvoet-Hanssen und Jürgen Nendza, die sich im Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen trafen.

Haptisch gewöhnungsbedürftig im ansonsten von Anke Berßelis licht, luftig und nicht nur mit den Ansichtskarten, die Barnas und vom Brocke einander schrieben, überaus reizvoll gestalteten Magazin ist nur, dass der nicht herausnehmbare Innenteil die Maße des Mantels nach oben, unten und nach rechts hin überragt: Da hat sich ein Quäntchen zuviel Designwahn ausgetobt.

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