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Die Vision von Sauerbruch Hutton, von Süden aus betrachtet.

© Stiftung Exilmuseum

Pläne werden erstmals ausgestellt: Das sind alle Entwürfe für das Berliner Exilmuseum

Für den Bau am Anhalter Bahnhof wurden zehn Entwürfe von renommierten Architekturbüros eingereicht. Eine Ausstellung gibt nun einen Überblick.

Kohleofengrau – so muss man sich den Askanischen Platz im West-Berlin der 80er Jahre vorstellen. Die Mauer nur wenige 100 Meter entfernt, die ganze südliche Friedrichstadt auch 40 Jahre nach Kriegsende noch von Brachen, Trostlosigkeit und Melancholie geprägt.

Im Zentrum des Elends: die Portalruine des Anhalter Bahnhofs. „Ich dachte damals, dass muss wohl der traurigste Ort Berlins sein“, sagt Christoph Stölzl, „und dabei war mir – wie vielen – überhaupt nicht klar, dass dieser grandiose Bahnhof nicht im Krieg, sondern erst Ende der 50er Jahre zerstört wurde“.

Stölzl, Ex-Kultursenator, wird Direktor des künftigen Exilmuseums, dessen Eröffnung für 2025 geplant ist. Und mit diesem Museum könnte der Askanische Platz eine fulminante Rückkehr ins öffentliche Bewusstsein hinlegen. Natürlich ist er – auch dank des unterirdischen S-Bahnhofs, der den Namen des verschwundenen Anhalter Bahnhofs am Leben hält – auch heute ein Begriff.

Verglichen mit der Bedeutung, die der Platz vor dem Krieg als südliches Eingangstor zu Berlin hatte, muss man ihn jedoch als nahezu unbekannt bezeichnen.

Jetzt soll auf der bisher leeren Fläche unmittelbar hinter der Portalruine, die selbst als Fragment noch viel von der Großartigkeit des Bahnhofs erzählt, das neue Museum entstehen.

Von hier aus gab es einen Direktzug nach Neapel

Das ist einerseits schade, denn gerade die Brache zwischen dem Portal und dem auf den früheren Bahnsteigen angelegten Sportfeld ließ den Hindurchtretenden die Abwesenheit des Bahnhofs besonders suggestiv spüren. Andererseits ist es auch sinnvoll und schlüssig.

Denn von hier aus begannen nicht nur Unzählige die Reise in die Bläue des Südens (mit durchgehenden Bahnverbindungen bis Neapel), von hier aus mussten auch Tausende, manche von ihnen prominent, den Weg ins Exil antreten, oft über Marseille im noch freien Frankreich.

Insgesamt verließen rund 500 000 Menschen während der NS-Herrschaft den deutschsprachigen Raum, rund 90 Prozent davon, weil sie jüdischen Glaubens waren. Die Erinnerung an sie soll mit dem neuen, vom Berliner Kunsthändler Bernd Schultz initiierten Museum einen Ort finden, in hoffentlich produktivem Spannungsaustausch zum entstehenden „Zentrum für Flucht und Vertreibung“ direkt gegenüber.

Francis Kéré will eine große Freitreppe anlegen.
Francis Kéré will eine große Freitreppe anlegen.

© Stiftung Exilmuseum

Zehn Büros haben sich am Architekturwettbewerb beteiligt, der Sieger steht seit August fest: das 1999 gegründete Kopenhagener Büro von Dorte Mandrup. Die ist auf Einladung der das künftige Museum tragenden Stiftung jetzt nach Berlin gekommen, um ihren Entwurf vorzustellen. Er kann mit den neun anderen in einer Ausstellung im Foyer der Berliner Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße besichtigt werden (Foyer, montags bis samstags 8–22 Uhr).

Mandrup will das Exilmuseum in einem weitem Schwung um die Portalruine herumführen. Auf diese Weise entsteht ein Zwischenraum, der wirkt, als wolle er zum Bahnhofsfragment respektvoll Abstand halten.

Dabei wird aber zugleich ein Platz ausgebildet, ein Forum, eine Plaza. Mandrup spricht von einem neuen „Framing“, das das Portal erhalte: „Für uns war immer klar, dass wir das Portal nicht direkt ins Museum integrieren, sondern einen Raum offenlassen wollen.“

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Das habe die Jury, die ursprünglich eine Verbindung zum Portal favorisierte, so sehr überzeugt, dass sich die Meinung drehte – wie Christoph Stölzl, selbst Jurymitglied, bei der Vorstellung der Entwürfe erzählt. Mandrup will den Zugang zum Dach ermöglichen, der Blick soll einen bei aller Tragik des Exils positiven, hoffnungsvollen Abschluss des Besuchs ermöglichen.

Der ganze Bau wird auf nur vier Stützen schweben und dabei eine Fragilität vermitteln, die dem zerstörten Leben der 500 000, die alles verloren haben, durchaus entspricht. „Kunst kann, wenn sie gut ist, eine Bedeutung annehmen, die dem Künstler oder der Künstlerin selbst gar nicht bewusst war – eine Art Selbstüberholung“, so Stölzl.

Der Sieger-Entwurf von Dorte Mandrup hält respektvoll Abstand zum Portal.
Der Sieger-Entwurf von Dorte Mandrup hält respektvoll Abstand zum Portal.

© Stiftung Exilmuseum

Welche Einfälle hatten die anderen Büros? Diller Scofido+Renfro, die Zweitplatzierten aus New York, wollen in den Untergrund gehen und die Fundamente des Bahnhofs ausgraben. In ihrem Entwurf schweben die Ausstellungsräume als kompakte Zimmer in wiederum gläsernen Kuben. Auf diese Weise entstehen Leerstellen und Orte der Kontemplation.

Ein spektakuläres Weiterbauen der vorhandenen Portalruine hat das Berliner Büro Bruno Fioretti Marquez vorgesehen: Eine neue, monumentale Mauer schließt sich in gleicher Farbe und Materialität direkt an die historische Bausubstanz an, das Bahnhofsportal wird zum neuen Eingangsportal des Museums und bildet die vierte Wand des Foyers.

Einen lichten Glaspavillon hingegen will das Tokioter Büro Sanaa schaffen, mit einem Dach aus schattenspendenden Photovoltaik-Zellen. Die Jury erwähnt diesen Entwurf anerkennend wegen seiner Radikalität, die in seiner Entmusealisierung liegt.

Das Büro aus Dhaka denkt Klima- und Flüchtlingskrise mit

Francis Kéré, der unter anderem Christoph Schliengensiefs Operndorf in Burkina Faso gebaut hat, schlägt eine ausladende Freitreppe vor, die den Stadtraum mit einer Dachterrasse verbindet und Orte der Zusammenkunft schaffen will – in der Jury wurde aber der „eher fremde Charakter des Bauwerks an diesem sensiblen Ort“ auch kontrovers diskutiert.

Sofort an deren Hochhaus in der Kochstraße muss man beim Anblick des farbenfrohen Vorschlags von Sauerbruch Hutton denken, dessen Fassade aus glasierten Terracotta-Kacheln besteht.

Einen kreisrunden, verspiegelten Hof hinter der Portalruine haben Staab Architekten vorgesehen. Und Kashef Mahboob Chowdhury vom Büro Urbana aus Dhaka, der seinen Entwurf wegen der Coronakrise nicht mehr einreichen konnte, aber trotzdem vorgestellt wird, wollte Gebäudeteile schaffen, die an Eisberge erinnern. Klimakrise und Flüchtlingskrise, sie haben viel, wenn nicht alles miteinander zu tun.

Diese Gegenwart des Jahres 2020, in der mehr Flucht und Migration stattfindet denn je, soll ab 2025 auch inhaltlich eine große Rolle spielen, erklärt Kuratorin Cornelia Vossen, die die Ausstellung plant. Sie wird dafür verantwortlich sein, die spektakuläre architektonische Hülle auch mit Leben zu füllen.

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