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Der Stimmungsmagier Menahem Pressler kam 1923 in Magdeburg zur Welt.

© M. Borggreve

Piano-Legende Menahem Pressler: Das Wunder der singenden Pausen

Die 94-jährige Piano-Legende Menahem Pressler tritt im Kammermusiksaal mit dem Schumann Quartett auf.

Das Schumann Quartett gehört vielleicht zu den besten Streichquartett-Ensembles der Gegenwart. Das beweisen die vier Musiker schon gleich am Anfang im Kammermusiksaal der Philharmonie. Zum Einstand gibt es Mozarts Streichquartett B-Dur KV 589, das der Komponist aus Anlass seines Besuchs bei Friedrich Wilhelm II., dem König von Preußen, fertigstellte. Und obwohl es tatsächlich eine gewisse preußische Ordnung aufweist, hört sich das Werk beim Schumann Quartett geschmeidig sanft, ja geradezu beflügelnd leichtfüßig an. Als hätten die vier Musiker eine Prise französische Galanterie hineingeschmuggelt.

Das liegt vor allem am zarten Bogenstrich von Violinist Erik Schumann, der Präzision mit Gefühl zu verschmelzen versteht. Seine Brüder Ken an der Violine und Mark am Violoncello folgen ihm stringent. Und Lisa Randalu an der Bratsche bringt sich so gut ein, als wäre sie die heimliche Schwester der drei Kölner. Ohne Zweifel: Zusammen besitzen die vier Musiker die Gabe der nonverbalen Kommunikation. Und oh weh! Mit welcher Wucht nun Tschaikowskys drittes und letztes Streichquartett erklingt. Das Ensemble kitzelt alle romantischen Details aus dem Werk heraus. Schlicht einzigartig: klar in den Übergängen, präzise im Zusammenspiel, schwelgerisch in der harmonischen Zusammenführung und rabiat, wenn es darauf ankommt. Das zeigt sich gerade im letzten Satz, wo es vor Energie und Spielfreude nur so blitzt und donnert.

Klein und zerbrechlich, aber ein musikalisches Ja zum Sein

Nach der Pause folgt der Höhepunkt des Abends: Piano-Legende Menahem Pressler betritt die Bühne und hat César Francks Klavierquintett f-Moll mit im Gepäck. Der 94-Jährige kommt mit Krückstock, er wird gestützt. Klein und zerbrechlich sieht er aus. Doch dann, als er zum ersten Akkord ansetzt, wirkt jegliche Altersschwere wie weggeblasen. Francks melancholisches, träumerisches Werk gerät, trotz nachdenklicher Impulse, zu einem lebensbejahenden Manifest, zu einem musikalischen Ja zum Sein.

Es ist nicht mal Presslers Spieltechnik, die dieses Gefühl heraufbeschwört. Nicht alle Übergänge funktionieren, nicht alles sitzt passgenau. Doch das ist egal. Denn dafür hat der Mann, der 1933 aus Deutschland vor den Nazis flüchten musste, die Fähigkeit, musikalische Stimmungen wie kein Zweiter zu erzeugen. Und das allein durch Akzente und Pausen! Zusammen mit dem Schumann Quartett entsteht eine derart aufgeladene Spannung, dass es im Saal zu funkeln und zu knistern scheint. Das Ergebnis: Gänsehaut!

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