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Horror-Ikone. Angus Scrimm machte sich mit der Rolle des „Tall Man“ unsterblich.

© Drop-out Cinema

„Phantasm“-Horrorfilme: Silberkugeln aus der vierten Dimension

Die „Phantasm“-Filme sind Horrorklassiker. Jetzt werden sie in Berlin wieder aufgeführt. Eine Würdigung.

Von Andreas Busche

Leatherface aus „Texas Chainsaw Massacre“, der gesichtslose „Halloween“-Schlitzer Michael Myers, Jason Voorhees hinter der Hockey-Maske aus „Freitag der 13.“ und natürlich Stand-up-Comedian Freddy Krueger mit seinen Rasierklingen-Händen. Der amerikanische Horrorfilm hat während seiner goldenen Ära in den siebziger und achtziger Jahren ein paar charismatische Psychopathen hervorgebracht, die später auch zu Pop-Ikonen wurden. Abgrundtief böse Gestalten, nicht zuletzt wegen ihrer grotesken Überlebensfähigkeit – praktisch für den Franchise-Gedanken im Horrorkino –, aber immer auch am Rande zur Karikatur.

Als Don Coscarelli 1978 im zarten Alter von 24 Jahren ein paar Freunde um sich versammelte, konnte er nicht ahnen, dass er selbst mal zum Kanon dieses Horror-Panoptikums beitragen würde. Sein „Phantasm“ besaß eher Hobby-Charakter. Coscarelli hatte bereits zwei Filme in Hollywood realisiert, empfand die Arbeitsbedingungen dort aber als unbefriedigend. 1974 drehte er mit 19 für das Traditionsstudio Universal das Jugenddrama „Jim, the World’s Greatest“, damit hält er den Rekord als jüngster Hollywood-Regisseur. Unvergessen ist der heute 64-Jährige allerdings für einen Film, den er am Studiosystem vorbei produzierte.

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Bei der zeitgenössischen Kritik kam „Phantasm“, der in Deutschland unter dem Titel „Das Böse“ in den Bahnhofskinos lief, nicht gut weg – das hat er mit den meisten Horrorklassikern der Siebziger gemeinsam. Die Story war allerdings auch hochgradig hanebüchen: In einem Mausoleum bewacht ein Bestatter, durch dessen Adern gelbes Blut fließt, das Tor in eine andere Dimension, wo die Verstorbenen Sklavenarbeit verrichten. Aufgrund der atmosphärischen Bedingungen in der Parallelwelt müssen sie für diese Fronarbeit geschrumpft werden. Nachts huschen die Kapuzenzwerge über den Friedhof, auf der Jagd nach Nachschub. Außerdem fliegen Silberkugeln mit spitzen Zacken durch die Gänge der Gruft, die sich in die Gehirne ihrer Opfer bohren und ihnen das Blut absaugen.

So ein irrlichternder Unsinn braucht natürlich eine charismatische Identifikationsfigur, Coscarelli fand diese in seinem älteren Freund Angus Scrimm, der den „Tall Man“, den Leichenbestatter, mit ungerührter Graf-Dracula-Stoik spielt. Der 2016 verstorbene Scrimm teilte das Schicksal von Freddy-Krueger-Darsteller Robert Englund und Mark Hamill, die bis heute in ihren ikonischen Kostümen auf Fan-Messen auftreten müssen. Aber manchmal reicht eben auch eine einzige Rolle für die Unsterblichkeit.

Coscarelli war ein erfinderischer Auteur des Fantastischen

Im Horror-Genre war „Phantasm“ immer der Außenseiter, eher Kultfilm als Klassiker. Wohl auch darum ist er der einzige Film der goldenen Ära, der bisher von einem Hollywood-Remake verschont blieb. Umso mehr muss man die aufopferungsvolle Arbeit des Verleihs Drop-Out Cinema würdigen, der die ersten drei „Phantasm“-Filme gerade wieder in die Kinos bringt. Bereits Ende Mai lief der erste Teil an, nun startet das Sequel „Phantasm 2“ von 1988.

Coscarelli erzählte einmal, er habe lange gar nicht realisiert, dass seine Fangemeinde von Jahr zu Jahr zunahm – bis Universal dem glücklosen Regisseur, dessen aufwändiges Fantasy-Epos „Beastmaster“ (1982) sich zwischenzeitig als veritabler Flop erwiesen hatte, 1988 eine Fortsetzung anbot. „Phantasm 2“ lässt mit seinem deutlich höheren Budget natürlich den unfertigen Charme des Vorgängers vermissen, belegt aber erneut, dass dem Kino mit Coscarelli ein erfinderischer Auteur des Fantastischen verloren gegangen ist. Während Sam Raimi („Evil Dead“) später den Blockbuster „Spiderman“ drehen durfte, konnte Coscarelli außer zwei weiteren „Phantasm“-Filmen (1994 und 1998) nur noch die Horrorkomödie „Bubba Ho-Tep“ (2002) realisieren, in dem der totgeglaubte Elvis sich im Pflegeheim mit einer Mumie herumschlagen muss.

In „Phantasm 2“ fallen, wie in den Achtzigern üblich, die Spezialeffekte ekliger aus, die bedrohlich-düstere Stimmung des Originals kippt gelegentlich auch ins Alberne. Mike und Reggie rüsten sich – zehn Jahre nach dem ersten Duell – im Baumarkt für den Kampf gegen den „Tall Man“. Trotz der rustikalen Gangart hat der Splatter aber nichts von seiner bizarren Verspieltheit eingebüßt. Coscarelli treibt sein multidimensionales world building in immer surrealere Höhen. Bekanntester „Phantasm“-Fan ist übrigens kein Geringerer als J.J. Abrams, der vor drei Jahren den ersten Film digital restaurieren ließ. Vielleicht kann er Coscrelli auf seine alten Tage ja noch einen Lebenstraum erfüllen: Einmal ein Budget von 70 Millionen. Das Geld wäre in guten Händen.

In den Berliner Kinos Alhambra, Neukölln Arcaden, Cineplex Spandau, Titania, OmU: Freiluftkino Pompeji, Sputnik. Am 27. September startet „Phantasm 3“.

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