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Literaturkritiker Denis Scheck, 53.

© Oliver Schmauch

Peter Hahne, Thilo Sarrazin, Kollegah: Denis Scheck kommentiert die Bestsellerliste

Der Literaturkritiker Denis Scheck bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“.

10) Peter Hahne: Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen (Bastei Lübbe, 128 Seiten, 10 €)

Das Toben dieses Cholerikers des gesunden Volksempfindens gegen Aufklärung, Laizismus und die EU grenzt an Satire. Etwa wenn Hahne über Gleichstellungsbemühungen schreibt: „Wie schön kann ein Männerchor klingen - wieso müssen Frauen dabei sein?! “ Als Kabarett könnte man darüber lachen.

9) Christopher Schacht: Mit 50 Euro um die Welt (Adeo, 304 S., 20 €)

45 Länder, über 100 000 Kilometer, 1512 Tage unterwegs: Nach dem Abitur beschließt Christopher Schacht, auf eigene Faust mit lächerlich wenig Geld in der Tasche loszuziehen und sich die Welt anzusehen. Ob man das wirklich jedem empfehlen kann, wage ich nicht zu beurteilen. Aber tatsächlich strahlt sein Buch so viel Weltvertrauen aus, dass die Mängel in der literarischen Gestaltung seiner Reise durch das beim Lesen sich unwillkürlich einstellende Gefühl echter Wanderlust fast aufgehoben werden.

8) Bob Woodward: Fear (Simon & Schuster, 421 S., 25,90 €)

Bob Woodward hat zusammen mit Carl Bernstein vor über 40 Jahren mit seinem Buch „All the President's Men“ über die Watergate-Affäre Richard Nixon gestürzt. Woodwards Buch über das Weiße Haus von Donald Trump zeigt den komplett zerstrittenen Führungsstab eines unkonzentrierten, uninformierten und unberechenbaren Präsidenten, der sich durch Fakten nicht von vorgefassten Meinungen abbringen lässt. Die einzig positive Nachricht, die ich Woodwards Trump-Buch entnehmen konnte: In 835 Tagen endet Trumps Präsidentschaft. Wenn es denn bei einer bleibt.

7) Harald Lesch, Klaus Kamphausen: Wenn nicht jetzt, wann dann? (Penguin, 368 S., 29,80 €)

Der Astronom Harald Lesch und der Filmemacher Klaus Kamphausen fragen: „Warum kümmern wir uns nicht mehr um unsere Zukunft? Sind wir nur noch ökonomische Wesen, oder sind wir mehr?“ Gemeinsam haben sie ein wohltuend vielstimmig komponiertes Sachbuch geschrieben, das aus der Komfortzone der Resignation ins individuelle Handeln und zum persönlichen Engagement führen möchte.

6) Bas Kast: Der Ernährungskompass (C. Bertelsmann, 320 S. 20 €)

Wahrlich „food for thought“ präsentiert der Wissenschaftsjournalist Bas Kast in seinem Sachbuch, das sich auf eine Metaanalyse aller zwischen 1950 und 2013 durchgeführten Ernährungsstudien stützt. Seine Trüffel der Erkenntnis fasst er in zwölf Regeln zusammen für das, was wir zu uns nehmen, deren wichtigste lautet: „Essen Sie echtes Essen“.

5) Dirk Müller: Machtbeben (Heyne, 352 S., 22 €)

Dirk Müller kann wirtschaftliche Zusammenhänge sehr eingängig darstellen. In seinem neuen Buch prophezeit er einen Kursrutsch zwischen „siebzig und neunzig Prozent“, propagiert als Schutz dagegen seinen eigenen Aktienfonds und malt Horrorszenarien an die Wand, wie der auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vorgestellte „Known Traveller“-Plan uns unserer informationellen Selbstbestimmung beraubt. Auf einem Jahrmarkt hätte dieser Mann vor 150 Jahren ganz prächtig Universaltinkturen gegen Haarausfall, Zahnschmerzen und unerwünschte Schwangerschaften verhökert.

4) Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert (Deutsch von Andreas Wirthensohn, C. H. Beck, 459 S., 24,99 €)

Nach Vergangenheit und Zukunft nimmt der israelische Big-History-Autor Harari unsere Gegenwart in den Fokus, analysiert die Folgen der sie bestimmenden Innovationsquellen Biotechnologie und künstliche Intelligenz und gelangt zu dem bemerkenswerten Fazit: „Wenn Sie also die Wahrheit über das Universum, über den Sinn des Lebens und über Ihre eigene Identität erfahren wollen, so beginnen Sie am besten damit, Leid wahrzunehmen und zu erkunden, was Leid wirklich ist.“ Ein ebenso kluges wie klares Buch.

3) Dr. med. Eckhard von Hirschhausen und Prof. Dr. med. Tobias Esch: Die bessere Hälfte (Rowohlt, 288 S., 18 €)

Zwei Ärzte plaudern darüber, warum es besser ist, alt zu werden als zu sterben. Zitat: „Weißt du, welches Tier sich nach dem Tod noch um 360 Grad dreht? Nee, keine Ahnung Das Hähnchen!“ Wenn Sie das lustig finden, ist dies Ihr Buch. Wenn nicht, bleiben zwei Erkenntnisse: Lies keine Bücher, deren Autoren es nötig haben, mit ihren Titeln auf dem Cover zu protzen. Und: „DbddhkP“ - doof bleibt doof, da helfen keine Pillen!

2) Thilo Sarrazin: Feindliche Übernahme (Finanzbuch Verlag, 450 S. , 24,99 €)

Thilo Sarrazin adressiert eine Frage, die lange totgeschwiegen wurde: die Veränderung der bundesrepublikanischen Gesellschaft durch islamische Zuwanderung. Sarrazins Analysen sind selten falsch, aber häufig in alarmistischem Ton gehalten, etwa wenn er schreibt: „Der Unterwerfungsgestus des Islam, die im Koran angelegte Feindseligkeit gegenüber selbständigem Denken sowie die Geringschätzung des nicht religiösen Wissens führen zu niedriger Bildungsleistung und geringerer geistiger Neugier und erklären so den technisch-zivilisatorischen Rückstand der islamischen Welt.“ In der Tat scheint mir die Bildungsferne der jungen islamischen Generation das zentrale Problem zu sein. Dagegen helfen aber auch nicht Sarrazins markige Sprüche wie „Integration ist und bleibt () eine Einbahnstraße und kann am Ende nur Assimilation bedeuten.“ Ich glaube das nicht. Ich denke aber, wir sollten mehr mit statt über Moslems reden.

1) Kollegah: Das ist Alpha (Riva, 256 Seiten, 22 €)

Bildungsferne ist nicht nur ein Problem der jungen islamischen Generation. Der Rapper Kollegah teilt die Welt in „ungefickte Lauchs“ und in „Bosse“ wie ihn ein. Dabei entwickelt er eine Weltanschauung, die sich in bemerkenswert ähnliche Sprache wie die Donald Trumps kleidet, Zitat: „Ich weiß, wie ich zu meinem Ausnahmeerfolg kam. Dieser Erfolg ist eine Realität, die niemand wegdiskutieren kann. Zahlen lügen nicht.“ Die wohl treffendste Einschätzung seines Buchs ist denn auch in diesem Stil verfasst und findet sich bereits auf Seite 10: „Es ist ein selbstbewusstes MÄNNER-Buch in einer vermehrt androgyn gewordenen Gesellschaft und sowas schmeckt den verweichlichten Pressepussys selten.“ Genau! Aber keine Bange, wir verweichlichten Pressepussys vermögen uns zu wehren.

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