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Tauschen die Rollen. Corinna Harfouch (l.) und Karin Lithman.

© imago/Martin Müller

„Persona“ am Deutschen Theater: Eine spricht, eine schweigt

Schauspielerinnen im Zentrum: Anna Bergmann inszeniert Ingmar Bergmans „Persona“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters.

Mitten in einer „Elektra“-Aufführung hört die Schauspielerin Elisabet Vogler plötzlich auf zu sprechen. Die Ärztin, die sie später im Krankenhaus untersucht, diagnostiziert akuten Verlogenheitsekel. Offenkundig will die Aktrice keine falschen Töne mehr von sich geben, weder beruflich noch privat. Da bleibt nur der verbale Komplettrückzug.

Mit der Pflege dieses harten Schweigebrockens wird die vergleichsweise lebensinhaltsleere Krankenschwester Alma betraut. Die Ärztin schickt die beiden Frauen in ihr Sommerhaus am Meer. In der leicht surrealen Sonnenhut-Idylle entwickelt Alma schon bald einen eigentümlichen Bekenntnisdrang. Sie plaudert Intimitäten aus, benutzt die stumme Schauspielerin als Projektionsfläche, beginnt, sich mit ihr zu identifizieren und (auch optisch) zu verschmelzen.

So weit, in groben Zügen, die Handlung von Ingmar Bergmans Experimentalfilmdrama „Persona“ aus dem Jahr 1966. Die nur zufällig fast namensgleiche Regisseurin Anna Bergmann hat es nun auf die Bühne gebracht; als Koproduktion des Malmö Stadsteater mit dem Deutschen Theater Berlin. Dort ist der Abend nach seiner schwedischen Premiere im September jetzt angekommen, in den Kammerspielen und in großer Besetzung.

Harfouch und Lithman teilen sich die Rollen

Corinna Harfouch und die Schwedin Karin Lithman teilen sich buchstäblich die Rollen. Je nach Spielort übernimmt die jeweilige Muttersprachlerin den sprechenden Part: In Malmö spielte Lithman die Krankenschwester und Harfouch die große Schweigerin, in Berlin ist es umgekehrt. Nicht die einzige von Pragmatismus getragene Regie-Entscheidung des Abends, aber die charmanteste.

Anderen Inszenierungsdekreten merkt man ihr zugrunde liegendes Problem deutlicher an. Im Film zoomt die Kamera häufig auf Gesicht und Mimik der Sprachverweigerin Elisabet alias Liv Ullmann, um sie trotz ihrer Textlosigkeit angemessen vorkommen zu lassen. Das Theater setzt hier notgedrungen auf physischen Aktionismus und verstrickt Alma und Elisabet abendfüllend in Wasserspiele. Wobei Letztere die treibende Kraft ist; wie beim Gesichtsmaskenschminken und anschließenden Wiederabwaschen, mit dem sich die Frauen – von wegen Identitätsthematik – die Zeit vertreiben.

Das Planschen birgt erhöhte Kitschgefahr

Bühnenbildner Jo Schramm hat das Szenario knöcheltief geflutet und mit einem überdimensionalen Raff-Vorhang in Muscheloptik flankiert. Das Planschen, Nassspritzen und In-Pfützen-Wälzen mit Kleidern, die anschließend in illustrativer Sacknässe an den Körpern kleben, birgt allerdings erhöhte Kitschgefahr – jeder regelmäßige Theatergänger kennt das.

Hinzu kommt, dass das meiste, was vor 52 Jahren an Ingmar Bergmans schwarzweiß gedrehtem 84-Minüter experimentell war, heute nicht mehr neu ist. Das betrifft nicht nur die (ästhetische) Selbstreflexionsebene des Films, der seine Themenmotive – Spiegelung, Projektion, Verschmelzung – gleichermaßen formal ausspielt. Auch die weiblichen Psychen, wie sie im Film gezeigt werden, wirken anno 2018 aus der Zeit gefallen. Man merkt das besonders an Stellen wie denen, wo Harfouch mit all ihrem verbrieften Schauspielerinnen-Können versucht, Almas zutiefst behütete erotische Krankenschwestern-Erlebnisse heutig klingen zu lassen.

Die leichte Staubschicht der Filmvorlage sieht auch Regisseurin Anna Bergmann, möglicherweise sogar besonders klar. Als frisch angetretene Schauspielchefin des Theaters Karlsruhe legt sie auf den Konnex Frauen und Bühne erhöhten Wert. Zum Beispiel, indem sie in ihrer ersten badischen Saison ausschließlich Inszenierungen von Regisseurinnen präsentiert.

Am Schluss ein Schuss Empowerment

In ihrer „Persona“-Inszenierung stehe ausdrücklich „das Spiel zwischen zwei starken Schauspielerinnen ... im Zentrum“, äußert die Regisseurin denn auch im Programmheft. Weil der betagte Psycho-Gehalt der Filmvorlage dem mitunter im Weg steht, wird er punktuell eliminiert oder leicht transformiert. Was aus dieser Perspektive zwar verständlich ist, aber den Abend, nicht immer plausibel, vom Film gelegentlich weg- und wieder zu ihm hinschlenkern lässt.

Prinzipiell bleibt Elisabets Schweigemotivation im Theater weniger interpretationsoffen als im Film. Der Abend beginnt mit ins Groteske verzerrten Auftritten der Ärztin (Franziska Machens) und der Krankenschwester zu Konservenstimmen, während Lithman als Depressionspatientin auf dem Boden liegt und wir uns quasi in ihrem übergroß auf eine Leinwand projizierten Kopf befinden.

Am Schluss gibt’s dann noch einen Schuss Frauen-Empowerment. Elisabet steigt aus ihrem Projektionsflächendasein aus, geht von der Bühne und nimmt, nun ja, im Zuschauerraum Platz. Dann erlischt das Licht.

wieder am 19. und 20. Dezember

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