zum Hauptinhalt
Bruchpilotin. Eva Löbau lässt sich hängen.

© Theaterdiscounter

Performance mit Eva Löbau: Kurschatten

Die Schauspielerin Eva Löbau, seit kurzem "Tatort"-Kommissarin, reanimiert im Theaterdiscounter ein sozialistisches Sanatorium.

Der Chefarzt ist noch heute stolz auf seine Heilerfolge. Sogar Unfruchtbarkeit konnten sie hier kurieren, dank des extrem mineralreichen Wassers. Ehemalige Kurgäste aus der DDR schwärmten auch von den herrlich altmodischen „Klopfmassagen“, bei denen sie richtig schön russisch durchgewalkt und nicht nur „gestreichelt“ wurden. Klingt nach einer echten Wellnessoase. Ein Jammer bloß, dass all das der Vergangenheit angehört.

Das Sanatorium Schachtjor in der georgischen Stadt Tskaltubo (was sinngemäß so was wie „warmes Wasser“ bedeutet) verwildert heute in seiner ganzen stalinistischen Pracht vor sich hin. Kurgäste kommen schon lange nicht mehr. Dabei war dieser Ort mal so was die das Baden-Baden des Kaukasus. Es gab Direktzüge nach Moskau, die auch nur zwei oder drei Tage lang unterwegs waren. Und es gab jährlich hunderttausende Erholungssuchende, die von den berühmten radonhaltigen Quellen angezogen wurden.

Spielen als Herzensangelegenheit

Die Schauspielerin Eva Löbau und der Videokünstler Philipp Haupt haben dieses abgelegene Refugium während eines Workshops im Jahr 2014 für sich entdeckt und sich von Schachtjors Geschichte entflammen lassen. Entstanden ist daraus die Performance „Nächstes Jahr in Tskaltubo“, die jetzt im Theaterdiscounter Premiere hatte. Eine Herzensangelegenheit, ganz offensichtlich. Die österreichische Schauspielerin Löbau, die jüngst in den mitgliederreichen Klub der „Tatort“-Kommissare aufgenommen wurde und seitdem im Schwarzwald ermittelt, zählt zu den wenigen ihrer Zunft, die tatsächlich bruchlos zwischen Massenmedium und freier Szene pendeln können. Entsprechend erfreulich bis erfrischend ist die Sperrigkeit dieser Performance im Theaterdiscounter, die sich gern mal strapaziöse Exkurse über Segen und Gefahr von radioaktiv geladenem Wasser gönnt. Aber die auch immer wieder zum eigentlichen Gegenstand zurückfindet. Sprich: zum Sanatorium.

Schachtjor blickt nicht nur auf eine ruhmreiche Vergangenheit als architektonisch beeindruckendes Kranken-Schloss zu UdSSR-Zeiten zurück. Der Bau diente, noch gar nicht so lange her, auch als Unterkunft für Geflüchtete aus dem abchasischen Bürgerkrieg. Was die Zukunft bringen soll, bleibt ungewiss. Verschiedene Investoren haben schon Pläne für ein Wohlfühl-Spa modernen Zuschnitts vorgelegt, aus denen allerdings nie was wurde. Chinesische Magnaten hätten am liebsten gleich ganz Tskaltubo gekauft.

Brückenschlag in den Schwarzwald

Was Löbaus und Haupts Doku-Performance dabei auszeichnet, ist der hohe Grad an Selbstreflexion. Die beiden sind sich ihrer Rolle als subventionierte Recherche-Reisende aus dem Westen wohl bewusst. Und sie bemühen sich bei aller Freude an der historischen Durchleuchtung, ihr Thema nicht durch Begeisterung für exotischen Verfall zu verwässern. Was zum einen durch der Einbindung der Performerin Mika Motskobili und der Soundkünstlerin Khatia Jishkariani aus Georgien glückt, die ihre Heimat unsentimental repräsentierten und sich nebenbei schöne Gedanken über das fremde Wort „Kurschatten“ machen.

Am Ende glückt dem Abend der Brückenschlag zurück nach Deutschland, in den Schwarzwald. Denn auch dort lassen sich ausgediente Kurhotels finden, die Flüchtlinge beherbergt haben und zu ihrer Ursprungsbestimmung nie zurückfinden werden. Wegen einer Gesundheitspolitik, die Kuren zum untragbaren Luxus erklärt hat. Patrick Wildermann

- „Nächstes Jahr in Tskaltubo“, nächste Vorstellungen: 7. und 8. Oktober, 20 Uhr.

Zur Startseite