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Sergei (Tom Prior) und Roman (Oleg Zagordnii) träumen von einer gemeinsamen Zukunft.

© Salzgeber

Peeter Rebanes Film „Firebird“: Der Pilot, der mir das Herz brach

Peeter Rebane erzählt in seinem Filmdrama „Firebird“ von einer schwulen Liebe in der Sowjetarmee. Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten.

Estland hat eine rund 330 Kilometer lange Grenze mit Russland. Der kleine baltische Staat weiß, was es heißt, wenn sein einziger östlicher Nachbar sie mit seinen Truppen überschreitet. Zuletzt war das 1944 der Fall als, die Rote Armee Nazi-Deutschland als Okkupatorin ablöste.

33 Jahre später beginnt die Handlung von Peeter Rebanes Spielfilmdebüt „Firebird“, dem eine wahren Geschichte zugrunde liegt. Auf einem sowjetischen Luftwaffenstützpunkt in der Nähe der Hauptstadt Tallin verrichtet der Gefreite Sergei (Tom Prior) seinen Dienst. Er fühlt sich wie im Gefängnis, obwohl er in Luisa (Diana Pozharskaya) und Volodja (Jake Thomas Henderson) zwei ihm freundschaftlich verbundene Menschen an seiner Seite hat.

Sergei plant, schnellstmöglich auf den heimischen Hof zurückzukehren, um seiner alleinstehenden Mutter zu helfen. Doch dann wird der Pilot und Leutnant Roman (Oleg Zagordnii) auf seine Basis verlegt. Die beiden teilen die Begeisterung fürs Fotografieren, kommen sich beim Filmeentwickeln erstmals näher und beginnen bald darauf eine heimliche Affäre.

Der Major erinnert an einen James-Bond-Finstermann

Homosexualität war von Stalin 1933 unter Strafe gestellt worden, der berüchtigte Paragraf 121 des Strafgesetzbuches galt bis 1993. Er sieht fünf Jahre Arbeitslager als Strafe vor, wird Roman nach einer anonymen Denunziation von seinem Vorgesetzten belehrt. Dieser Major Zverev beobachtet den Piloten fortan mit Argusaugen, will unbedingt einen Beweis für das vorgebliche Vergehen finden.

Margus Prangel spielt Zverev in einer Bösewichthaftigkeit, die nah dran ist an sowjetischen James-Bond-Film-Finstermännern der Siebzigern und Achtziger, was die permanente Bedrohung des schwulen Paars äußert anschaulich werden lässt.

Dies kontrastiert der in Estland geborene Regisseur und Drehbuchautor Peeter Rebane mit den kurzen Glücksmomenten, die Sergei und Roman miteinander erleben. Ein erster leidenschaftlicher Kuss im Wald, schneller Sex in einer Meeresbucht, ein gemütlicher Abend auf Romans Stube, bei dem sie sich ein gemeinsames Leben in Moskau ausmalen.

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"Dann könnten wir beide ins Kino gehen, wann immer wir wollen“, sagt Sergei. „Und eine Bootsfahrt auf dem Fluss machen und alle Vorstellung des Bolschoi-Theaters anschauen“, ergänzt Roman. Unendlich ferne Träume – immerhin reicht es einmal zu einem Generalprobenbesuch einer „Feuervogel“-Aufführung in Tallin, die dem Film den Titel gibt.

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„Firebird“ wurde auf Englisch gedreht, der Muttersprache von Sergei-Darsteller Tom Prior, der auch am Drehbuch mitwirkte. Er hat den 1952 geborenen Sergei Fetisov noch kennen gelernt, der das autobiografischen Buch „Die Geschichte von Roman“ geschrieben hat, auf dem der Film basiert. Fetisov starb 2017. So musste er nicht mehr miterleben, wie es bei der Premiere auf dem Filmfestival von Moskau zu Protesten und Tumulten kam (Berlin-Premiere, Zoo Palast, 17. Mai, 20 Uhr mit Regisseur Peeter Rebane und Hauptdarsteller Tom Prior).

Russland ist ein queerfeindliches Land, das 2013 erlassene Gesetz gegen so genannte „homosexuelle Propaganda“ hat den Spielraum für LGBTIQ-Menschen noch einmal massiv eingeschränkt. Um auf diese Situation aufmerksam zu machen, kommt „Firebird“ an diesem Dienstag, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit, in die Kinos. Der Aktionstag findet am 17. Mai statt, weil Homosexualität an diesem Tag im Jahr 1990 von der Weltgesundheitsorganisation aus der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen wurde.

Es fällt gerade schwer, mit Männern in Uniformen zu sympathisieren

Der symbolische Starttermin von „Firebird“ ist begrüßenswert. Allerdings findet er in einer Zeit statt, in der es schwerfällt, Sympathie für Leinwandfiguren in russischen Uniformen aufzubringen. Dass Roman von einem ukrainischen Schauspieler verkörpert wird, macht das nicht unbedingt leichter. Zudem irritiert, dass Regisseur Rebane, der vor allem mit Musikvideos bekannt wurde, die sowjetische Besatzung seiner Heimat kein kritischer Blick oder Kommentar wert ist. Vielleicht hätte er sein Debüt damit überfrachtet.

Nach einer Stunde verlegt er den Hauptschauplatz nach Moskau. Sergei besucht dort die Schauspielakademie. Er geht ganz im Studium auf – bis ihn ein Jahr später Luisa besucht und zu ihrer Hochzeit einlädt. Als sie ihm sagt, dass sie Roman heiraten wird, muss Sergei all seine Schauspielkünste aufbringen, um nicht vom Herzschmerz zerrissen zu werden. Er liebt Roman immer noch. Und dieser ihn ebenfalls, doch er will seine Karriere nicht aufgeben. In der Folge entwickelt sich eine an „Brokeback Mountain“ erinnernde Dynamik zwischen den beiden, was schmerzhaft aber realistisch wirkt.

Zwar erreicht Peeter Rebane mit seiner konventionellen Inszenierung nicht die Tiefe eines Werkes wie „Grosse Freiheit“, das kürzlich auf erschütternde Weise von zwei Opfern des deutschen Anti-Schwulen-Paragrafen 175 erzählt hat. Doch zeigt auch „Firebird“ wie ein von Gewalt geprägtes System Menschen verbiegt, ihnen ihr Glück und ihr Leben raubt. Die Verbindungslinien ins heutige Russland sind offensichtlich.

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