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Hermann Parzinger leitet die Stiftung Preußischer Kulturbesitz seit zwölf Jahren.

© Christoph Soeder/dpa

Parzinger zur Auflösung der SPK: „Ich sehe eine große Chance für einen neuen Weg“

Heute wurde das Gutachten zur Auflösung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vorgestellt. Ein Gespräch mit Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung.

Hermann Parzinger, geboren 1959 in München, ist promovierter Historiker mit Schwerpunkt Alte Geschichte. Seit 2008 leitet er die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit über 2000 Mitarbeiter*innen ist sie die größte Kulturinstitution Deutschlands. Seit Jahren steht die Arbeit der Stiftung jedoch auch in der Kritik. Ein Gutachten des Wissenschaftsrates bezeichnet sie nun als „dysfunktional“ und empfiehlt die Auflösung. Es wurde heute vorgestellt. Das Gespräch führte Rüdiger Schaper.

Herr Parzinger, Sie sind der Präsident der Stiftung, deren Auflösung der Wissenschaftsrat empfiehlt. Stehen Sie vor einem Scherbenhaufen?
Überhaupt nicht. Auch ich wollte eine schonungslose Analyse, nur so kann man wirklich neu ansetzen. Ich sehe das jetzt als große Chance für die Stiftung, einen neuen Weg in die Zukunft zu beschreiten. Die Idee des Gutachtens, die Einrichtungen nach den Sparten Museum, Bibliothek, Archiv und Forschungsinstitut zu verselbständigen, ist ja nicht neu. Eigentlich steht unsere durch die Digitalisierung geprägte Zeit aber für stärkere Vernetzung und nicht für vertiefte Aufteilung, in der sich jeder nur um seinen Garten kümmert.

Wir werden also in dem nun beginnenden Reformprozess schon auch darauf achten müssen, dass bei einer Verselbständigung der Einrichtungen die Idee des spartenübergreifenden Erfahrens und Erlebens von Kunst und Kultur nicht verloren geht, weil das ein enorm wichtiger geistiger Mehrwert ist.

Ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus der Zeit gefallen, zurückgeblieben?
Die Stiftung ist ja eine Art Holding, eine Dachstruktur für viele verschiedene Einrichtungen mit Sammlungen aller Art von Weltrang, wie der Wissenschaftsrat feststellt. Ja, man muss darüber reden, in welcher Struktur sich unsere Einrichtungen am besten weiterentwickeln können. Klar ist ein Schnellboot beweglicher als ein Tanker, aber es hat halt auch ein geringeres Fassungsvermögen.

Die Stiftung war gerade durch die Summe ihrer Einrichtungen immer ein gefragter internationaler Partner in Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung. So hebt der Wissenschaftsrat hervor, dass die SPK im Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 2018 zu den besonders erfolgreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen gehörte. Aber wenn es dann in vielen unserer Museen nicht mal WLAN gibt, dann ist eine solche Frage, wie Sie sie stellen, schon statthaft.

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Ist dieser Preußen-Name noch zeitgemäß?
Der Name hat mit der Herkunft der Einrichtungen zu tun, gibt aber mit Ausnahme des Geheimen Staatsarchivs nicht das wieder, was wir wirklich sind. Wir werden ständig mit den Schlössern und Gärten verwechselt, aber wir besitzen einzigartige Sammlungen der Kunst und Kultur aus allen Epochen und aus allen Teilen der Welt. Als Marke trägt der Name längst nicht mehr, es bräuchte auch etwas mit hohem internationalem Wiedererkennungswert.

Wie konnte es zu der „strukturellen Überforderung“ kommen, von der Gutachten spricht? Und warum kommt diese Evaluierung erst jetzt?
Also zunächst einmal möchte ich betonen, dass die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv, das Ibero-Amerikanische Institut und zum Beispiel der Bereich Bildung und Vermittlung der Staatlichen Museen im Gutachten Bestnoten bekommen. Ganz so überfordert kann die Struktur also nicht sein. Und trotzdem muss man sich natürlich fragen, ob wir so am besten für die Herausforderungen der Zukunft aufgestellt sind. Um ein solches Gutachten auf den Weg zu bringen, braucht es den richtigen Zeitpunkt und auch Mut. Seit den 1990er Jahren mussten die jahrzehntelang getrennten Sammlungen zusammengeführt und gigantische Sanierungsaufgaben angegangen werden, da stecken wir noch immer mitten drin, auch die Planungen zum Humboldt Forum beschäftigen uns seit Jahren.

Es wäre früher schlicht nicht machbar gewesen. Und es braucht Mut, weil aus einem solchen Gutachten ja auch eine Kette von Aufgaben für die Politik erwächst. Monika Grütters hatte diesen Mut. Hierarchieebenen und komplizierte Strukturen sind vielleicht schnell beseitigt, aber der Wissenschaftsrat hat ja auch in nahezu allen Bereichen eine drastische Unterausstattung bei Personal und Finanzen festgestellt. Die letzten Jahre sind immer mehr neue Aufgaben auf die Stiftung zugekommen, aber die Ressourcen wuchsen bei weitem nicht entsprechend mit, das schafft Dysfunktionalitäten. Hier können wir uns nicht selbst helfen, hier ist dann die Politik gefordert.

Gibt es in der Stiftung zu viele Baumaßnahmen, Sanierungen, Neubauprojekte?  Ist das alles überhaupt beherrschbar?
Natürlich ist das mit ausreichend Personal und Finanzen und einer modernen Verwaltungsstruktur beherrschbar. In der Vergangenheit fehlte es oft daran. Denken Sie nur an die prekäre Situation beim Bauunterhalt, die jetzt mit Unterstützung der Politik gut gelöst werden konnte. Die großen und langwierigen Sanierungen müssen wir ja angehen, weil wir diese großartigen historischen Gebäude erhalten müssen, und Neubauten brauchen wir für die angemessene Präsentation unserer Sammlungen. Das alles wäre viel besser steuerbar, hätten wir eine eigene Bauabteilung.

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Und ist die angepeilte Neuordnung und Reform der Stiftung bezahlbar?
Das wird man sehen. Wenn man statt einer großen Stiftung drei oder vier kleinere unterhält, wie der Wissenschaftsrat vorschlägt, kostet das alleine auf jeden Fall schon mal mehr. Mir persönlich wäre wichtig, dass neues Geld und neue Stellen nicht in den Aufbau weiterer Verwaltungen fließen, sondern für die inhaltliche Arbeit der Einrichtungen zur Verfügung stehen. Gerade hier stellt der Wissenschaftsrat drastischen Mehrbedarf fest. Dafür muss zunächst einmal eine belastbare Bedarfsberechnung aufgestellt werden, und dann müssen wir wissen, in welchen Etappen das finanzierbar ist.

Am schärfsten werden im Gutachten die Staatlichen Museen kritisiert. Liegt es an der Personalstruktur oder was muss sich da noch alles ändern?
Der Wissenschaftsrat spricht sich sehr klar für eine Stärkung der Direktorinnen und Direktoren der einzelnen Museen aus, die mehr Autonomie und ihr eigenes Budget brauchen. Das finde ich gut, aber dafür braucht es erst einmal ein solches Budget und Planungssicherheit. Gleichzeitig braucht es Ideen und Kreativität für ein attraktives Programm, das alles ist ja da. Es braucht einfach flachere Hierarchien und mehr Raum für Eigenverantwortung, um neue Energien freizusetzen.

Ihr Kollege Neil MacGregor sprach schon vor Jahren davon, dass sich Berlin mit seinen Sammlungen zu schlecht präsentiert. Was ist Ihre Antwort darauf?
Na ja, wir stecken in so vielen Sanierungen und Baustellen, vieles ist derzeit nicht zugänglich. Stellen Sie sich das alles mal fertig vor! Aber eines ist auch klar: Es muss jetzt einen gedanklichen Neustart bei den Staatlichen Museen geben.

Würde Ihrer Meinung nach eine Aufteilung der Stiftung mehr Beweglichkeit bringen?
Klar, Autonomie brächte den einzelnen Einrichtungen gewiss mehr Beweglichkeit, wenngleich sie fachlich seit jeher autonom sind. Aber eigentlich geht der Trend ja in die entgegen gesetzte Richtung, nämlich zur Schaffung größerer Verbünde, da nicht jede kleine Einheit all die notwendigen Spezialisten für IT, Vergaberecht, Provenienzforschung usw. vorhalten kann.

Jetzt kommt auch noch das Humboldt Forum. Wie sind da die Verbindungen zur Museumsinsel, entsteht dort ein neuer Welt-Komplex?
Ich habe Museumsinsel und Humboldt Forum immer als Einheit gesehen und es macht Sinn, dieses neue Kulturquartier in der Berliner Mitte gemeinsam zu vermarkten. Einen solchen Ort der Weltkulturen gibt es doch kein zweites Mal. Was eine Aufteilung der SPK für das Humboldt Forum bedeutet, insbesondere dessen Verhältnis zu einer möglichen zukünftigen Museums-Stiftung, die im Schloss wiederum ihre Sammlungen zeigt, wird noch eine interessante Frage werden. Zumal im Forschungscampus Dahlem aus den Sammlungen der Museen heraus ja auch viele Inhalte für das Humboldt Forum entwickelt werden.

Sie haben noch fünf Jahre im Amt vor sich. Wie werden Sie den Prozess der Modernisierung der Stiftung gestalten?
Ganz ehrlich, ich sehe in diesem Prozess eine riesige Chance, und die möchte ich auch ergreifen. Wir sagen A und wollen uns radikal verändern und erneuern. Die Politik muss dann aber auch B sagen und die vom Wissenschaftsrat dafür geforderten Finanzmittel und Personalstellen bereitstellen. Das eine geht nicht ohne das andere. Wenn alle halten, was sie versprechen, kann etwas Großartiges entstehen. Das zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung und im Verbund mit der Politik auf den Weg zu bringen, wäre eine große Sache und ich wäre dann nicht traurig, wenn es mein Amt mit dem bisherigen Zuschnitt so dann nicht mehr gäbe.

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