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Allzeit bereit - zu telefonieren. Szene aus „Ouropera“ unter der Regie von Adrienn Bazsó und Panagiotis Iliopoulos. Musikalische Leitung: Frank Flade.

© Eike Walkenhorst

„Ouropera“ am Schillertheater: Das letzte Wort hat die Jugend

Ade Schillertheater: Das Jugendstück „Ouropera“ ist die letzte Premiere vor der Rückkehr nach Mitte. Der lustige Einstünder ist eine Hommage an Cage. Und charmant absurdes Theater.

Manchen Menschen geht es mit der Oper wie mit Kafkas Türsteher. Sie warten ein Leben lang und finden keinen Einlass – weil sie zu spät merken, dass der Eingang nur in ihnen selbst liegt. Das Verhältnis zur Oper, es muss von jeder Generation immer wieder neu erstritten werden. Was Jugendklub und Jugendchor der Staatsoper jetzt zum Thema gemacht haben in einem lustig-charmanten Einstünder mit dem Titel „Ouropera“ in der Werkstatt des Schillertheaters. Zu sehen sind Schlaglichter aus einem Foyer, wo es viele imaginäre Türsteher gibt, wo sich an hübschen, mit Sekt und Mineralwasser drapierten Tischchen die Ratlosigkeit mit der Sehnsucht paart, doch endlich Zugang zu finden zur Kunst (Regie: Adrienn Bazsó und Panagiotis Iliopoulos, Musikalische Leitung: Frank Flade).

Eine Besucherin, deren Schleppe sich gefühlt einen Kilometer durch den Raum schlängelt, stopft sich eine Brezel in den Mund, während aus ebendiesem ein amorphes Lautgemisch dringt, aus dem man mit Mühe Begriffe wie „Spotify“ oder „LP“ identifizieren kann. Der Genuss einer anderen Dame am gleichen Gebäck währt nicht lange, weil ihre Begleiterin sie erbarmungslos traktiert: Der Verkäufer habe sich die Hände nicht gewaschen, ein Bakterienherd sei diese Brezel, sozialer Abstieg die Folge. Am allerschlimmsten jedoch: „Eine Brezel erinnert an Bayern. Du bist nicht multikulti!“. Zwei Frauen starren nervös auf ihre Displays und schreien: „George Clooney heiratet in Venedig! Ein Syrer plant Anschlag auf Berlin! Die Staatsoper kostet statt 243 jetzt über 400 Millionen Euro!“

Eine tolle Geste vom Schillertheater

Immer schneller ist das getaktet, bevor die Infoschnipsel in sinnloses Gestotter übergehen. Drei Männer unterhalten sich, wohl auf Arabisch und offenbar über die Schönheiten der deutschen Sprache, aus ihrem Redefluss ragen „Krankenversicherungsänderungsgesetz“ und „Streichholzschächtelchen“ heraus wie Eisberge aus dem arktischen Meer.

„Ouropera“, der Titel erinnert nicht nur daran, dass wir „unsere“ Oper selbst erobern müssen. Er ist auch Hommage an die radikalen fünf „Europera“-Projekte von John Cage. Mit Zufallsgenerator und dem chinesischen Orakelbuch „I-Ging“ dekonstruierte er das Opernrepertoire des 18. und 19. Jahrhunderts: „200 Jahre lange haben uns die Europäer ihre Opern geschickt, jetzt schicke ich sie zurück.“ Die Foyer-Szenen im Schillertheater entstanden im Geiste von Cage. Und des Absurden Theaters: Ein Kammersänger wird gefragt, wie er nach 84 Aufführungen diese Oper immer so singen kann, als kenne er das Ende nicht, und antwortet stoisch: „Ich kann doch im ersten Akt nicht wissen, wie es ausgeht.“ Und „richtige“ Musik gibt es ja auch: ein Geigensolo, Bruchstücke aus Wagners „Meistersingern“, Chorgesang aus dem Off immer dann, wenn jemand die Bühne verlässt. Die Staatsoper verlässt die Charlottenburger Bühne. „Ouropera“ beschließt nicht nur das Festival „Infektion!“, es ist auch die allerletzte Premiere der Staatsoper im Schillertheater vor der Rückkehr nach Mitte. Das finale Wort haben die Jugendlichen. Eine tolle Geste.

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