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Kultur: Ostseeligkeit

Das Berlin-Gastspiel des Baltic Youth Philharmonic.

Zum Start Richard Strauss’ „Don Juan“ und am Ende Scriabins „Poème de l’extase“ – das Baltic Youth Philharmonic bringt hoch emotionale Musik in die Philharmonie. Ein Programm mit Unterleib, ideal für die Bedürfnisse des 2008 gegründeten Studentenorchesters, zusammengestellt von Chefdirigent Kristian Järvi. Bei Young Euro Classic kann man im Sommer am Gendarmenmarkt ja immer wieder beobachten, wie Dirigenten ihre Schützlinge mit allzu schwergewichtigen oder komplexen Werken überfordern. Viele großsinfonische Repertoireklassiker brauchen eben eine gewisse Lebenserfahrung.

Was Järvi am Mittwoch dirigiert, ist knackiges Klangfutter für Orchesterfrischlinge. Mit Schwerenöter-Mimik ermutigt er die Truppe bei „Don Juan“ zu maximal sinnlichem Spiel, manövriert die flinken Streicher und exquisiten Bläser mit seiner berühmten Ganzkörper-Dirigiertechnik durch die heiklen Strauss-Stellen.

Auch dem amorphen Motivgeflecht im „Poème de l’extase“ vermag Järvi durch diese suggestive Gestik Puls und Richtung zu geben: Wie Lava brodelt und dampft die Musik, vielfach kündigt sich die große Eruption an, bis alles in tollem Krach endet. Das kommt an beim Publikum.

Sechs Zugaben werden sich die Zuhörer am Ende dieses überlangen (und dennoch pausenlosen!) Abends erklatscht haben. Die Begeisterung schlägt Wellen, und passend dazu benennt sich das Orchester um: Künftig wird es seinen Titel erweitern – nicht die Namen der Hauptsponsoren Gazprom und Wintershall, die zum Philharmonie-Debüt sogar einen Extra-Scheck mitgebracht haben, – sondern um die Ostsee, auf Englisch baltic sea genannt. Damit klar wird, dass sich die Mitglieder nicht nur aus den baltischen Ländern rekrutieren, sondern aus allen zehn Ostsee-Anrainerstaaten.

Lustvoll übt sich dieses Baltic Sea Youth Philharmonic auch in der hohen Kunst der Solisten-Begleitung, wenn zuerst die Pianistin Valentina Lisitsa Rachmaninows verteufelt schwere „Paganini-Rhapsodie“ meistert und dann Julia Fischer mit vollendetem Geschmack Bachs a-Moll-Violinkonzert zelebriert. Frederik Hanssen

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