zum Hauptinhalt
Das Team von "Moonlight" freut sich über den Oscar in der Kategorie Bester Film.

© Reuters

Oscars 2017: Die Bühne gehört den Afroamerikanern

Hollywood lässt sich von Trump nicht die Show stehlen: Und der beste Film, "Moonlight", gewinnt. Party und Politik, die Gala vereinte den Widerspruch. Selbst die finale Verwirrung um vertauschte Umschläge am Ende passte dazu.

Riesenchaos, Riesenüberraschung, Riesenglück. Das gab es noch nie bei einer Oscar-Verleihung, die Gala 2017 dürfte vor allem wegen seines Best Picture Mix Up in die Geschichte der Academy Awards eingehen. Was für ein Bild: Da halten die Produzenten von „La La Land“ schon ihre Dankesreden und die Crew von Damien Chazelles Hollywood-Musical liegt sich in den Armen, während im Hintergrund hektisch Menschen hin und her laufen, bis es plötzlich heißt, der Gewinner ist „Moonlight“. Und der fälschlicherweise ausgerufene Sieger hält selber die Karte mit dem „Best Picture“-Sieger in die Kamera, gratuliert souverän, gibt den Oscar ab und die Bühne frei.

Man kann kaum umhin, die Szene nicht symbolisch zu nehmen, auch wenn der Fauxpas eines falschen Umschlags samt der verwirrten Präsentatoren Faye Dunaway und Warren Beatty eben nur ein blöder Fauxpas ist (für den sich die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers inzwischen entschuldigt haben, sie sind für Zählung und Umschläge verantwortlich). Da gewinnt eben doch nicht die Traumfabrik-Newcomer-Romanze des Traumfabrik-Newcomers Damien Chazelle, sondern ein persönliches, mutiges Coming-Of-Age-Drama über einen jungen, chancenlosen Schwarzen im Pittsburgh der 80er Jahre, der noch dazu seine Homosexualität nicht offen ausleben darf. Da gehört die Bühne den Afroamerikanern, auch dem Regisseur Barry Jenkins, der als zweiter schwarzer Regisseur nach Steve McQueen mit „12 Years a Slave“ (2013) den „Best Picture“-Oscar erhält. Aber es dauert eine Weile, bis die Weißen eben diese Bühne freigeben.

Jimmy Kimmel kontaktiert Donald Trump auf Twitter

Party oder Politik: Der traditionelle Widerspruch Hollywoods ist mit der Wahl von „Moonlight“ ausgehebelt. Das politische Momentum fand sich am Ende denn doch weniger in den Oscar-Reden als in den Filmen und Preisträgern selbst. Auch das eine Überraschungen bei dieser Gala, von der es im Vorfeld geheißen hatte, sie werde gewiss die politischste Preisverleihung in der Geschichte der Oscars. Aber Hollywood ist offenbar selbstbewusst genug, sich von Trump nicht die Show stehlen zu lassen. Zwar bedankte sich Moderator Jimmy Kimmel in seiner Eröffnungsrede beim Präsidenten dafür, dass der Rassismusvorwurf jetzt wenigstens nicht mehr den Oscar trifft. Auch bescherte er der politisch engagierten Meryl Streep Standing Ovations - als „hochgradig überschätzter“ Schauspielerin, in Anspielung auf Trumps Streep-Bashing nach deren Protestrede bei den Globes. Und er riet den Gästen im Dolby Theatre, man solle mit seinen Gegnern ruhig zu reden versuchen - und probierte die Kontaktaufnahme mit Twitter: keine Antwort aus dem Weißen Haus. Aber die große Mehrzahl der Preisträger war klug genug, vor allem die Einheit der Nation zu beschwören, die Menschlichkeit, in deren Namen man sich nicht auseinander dividieren lässt.

#OscarsSoWhite lautete der Protest 2016. OscarsLessWhite heißt es nun: Der Preis für Barry Jenkins meisterliches, bewegendes und eben nicht vordergründig politisches Drama „Moonlight“ liest sich im Verein mit der gesamten Kandidatenrunde tatsächlich wie eine Antwort auf die Debatte vom Vorjahr. Noch nie waren so viele Filme von und über Afroamerikaner nominiert, noch nie gewannen so viele Preise: Viola Davis als Nebendarstellerin in Denzel Washingtons 50erJahre-Rassismus-Kammerspiel „Fences“ und Mahershala Ali als Nebendarsteller in „Moonlight“ hielten denn auch die anrührendsten Dankesreden. Schöne Geste auch, wenn Casey Affleck sich bei Denzel Washington als großem Vorbild bedankt - dem er gleichwohl den Hauptdarstellerpreis wegschnappte.

Dieser Oscar ist tatsächlich divers. Mit Filmen, die von Rassismus, Diskriminierung, Schuld und Verdrängung (zwei Trophäen für „Manchester by the Sea“), kurz: von amerikanischen Traumata erzählen. Aber eben  auch mit dem Hollywood-Musical „La La Land“, dessen Charme nicht zuletzt darin besteht, dass es das Recht auf Unterhaltung verteidigt. Auch das gehört zur Freiheit – und war den Academy-Mitgliedern immerhin sechs Oscars wert,  darunter für Hauptdarstellerin Emma Stone und Regisseur Damien Chazelle.

Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren

Keine Überraschung gab es beim besten nichtenglischsprachigen Film, der Oscar ging wie erwartet an Asghar Farhadi und „The Salesman“. Die Berlinerin Maren Ade hatte mit „Toni Erdmann“ lange als Favoritin gegolten, der Gala-Boykott des iranischen Regisseurs aus Protest gegen Trumps Einreisebann für Muslime aus sieben Ländern hatte das Blatt jedoch gewendet, nun flogen ihm alle Sympathien zu. Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren: Das sagten sich wohl auch die Auslands-Oscar-Nominierten und sprachen sich in einer gemeinsamen Erklärung einen Tag vor der Gala gegen Fanatismus und Nationalismus aus. Auch das gab es noch nie, ein souveränes gemeinschaftliches Zeichen für Inklusion und gegen falsches Konkurrenzdenken. „Menschenrechte sind nichts, wofür man sich bewerben muss, sie existieren einfach“, heißt es in der Erklärung.

Die schönsten Worte für die Macht der Bilder fand schließlich Asghar Farhadi selbst, sie wurden verlesen, von einer iranisch-amerikanischen Astronautin, in Abwesenheit des Regisseurs.  Die Trennung der Welt in „uns“ und „die Feinde“ weckt Angst, so Farhadi. Das Kino vermag das Gegenteil, es weckt Empathie für „uns“ und „die Feinde“. Es kann die Trennung überwinden. Bei der diesjährigen Oscar-Gala bekam man eine Ahnung davon.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false