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Fazil Say

© Marco Borggreve

Orpheus Chamber Orchestra in Berlin: Fazil Say: Klangtüftler mit Herz

Für seine Europatournee hat sich das New Yorker Orpheus Chamber Orchestra den türkischen Virtuosen Fazil Say eingeladen, und zwar gleich in doppelter Funktion: als Klaviersolisten wie auch als Komponisten.

Wie viel Musik kann ein neugieriges Ohr aufnehmen? Klassikhörer sind auf zwei Stunden geeicht, doch wenn ein Ensemble besonders aufregend spielt, außergewöhnlich intensiv und interessant, dann kann die Sättigung auch schon mal früher erreicht sein. So wie beim Gastspiel des Orpheus Chamber Orchestra am Montag. Die New Yorker interpretieren zum guten Schluss ihres Auftritts im vollbesetzten Konzerthaus Haydns 80. Sinfonie, in bester Balance zwischen beherztem Zugriff und liebevoller Verehrung – doch die Klänge rauschen vorbei, weil der Geist noch mit den vorangegangenen Stücken beschäftigt ist.

Mit Richard Wagners „Siegfried-Idyll“, das sich trotz der Minimalbesetzung betörend klangsinnlich entfaltet, dabei aber stets licht und durchhörbar bleibt, sodass wirklich eine sommerliche Waldszene vor dem inneren Augen auftaucht, mit tanzenden Sonnenkringeln auf taufrischem Moos.

Für die Europatournee 2015 hat das Orpheus Chamber Orchestra Fazil Say eingeladen, und zwar gleich in doppelter Funktion, als Komponist einer Uraufführung wie auch als Klaviersolist in Mozarts A-Dur Konzert KV 414. Exaltiert wie Tom Hulce im „Amadeus“-Film agiert der Türke an der Tastatur, doch die übergroßen Gesten, das Mitdirigieren, die Klavierhockerchoreografie wirken absolut authentisch, ebenso wie die artikulatorische Überdeutlichkeit seines Spiels, die überraschenden Bremsmanöver, kecken Triller und wagemutigen Generalpausen im Final-Rondo.

Fazil Say ist kein Klangtüftler, sondern spricht direkt zum Herzen

Fazil Say ist eben durch und durch Ausdrucksmusiker, auch wenn er komponiert. Seine Partituren wollen keine komplexen Konstrukte eines verkopften Klangtüftlers sein, sondern immer unmittelbar zum Herzen sprechen. Im Fall der neuen „Chamber Symphony“, seinem Opus 62, dreht sich alles um „die Geschehnisse in der heutigen Türkei“. Die der Künstler äußerst kritisch sieht und die darum mit widersinnigen Dissonanzen immer wieder den natürlichen Klangfluss stören. Kraftvoll, saftig, lebensbejahend ist der Sound, den Say besonders gut beherrscht, geprägt von treibenden Rhythmen und dem traditionellen Metrenwechsel der Volksmusik seiner Heimat. Die Virtuosen des Orpheus Chamber Orchestra stürzen sich mit so einer Verve in die Notenflut, dass der Zuhörer-Fuß gar nicht anders kann als mit zu wippen. Und das Ohr füllt sich im Nu mit tollen, neuen Tönen, bis zum Rand.

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