zum Hauptinhalt
Ägyptischer Lustgarten, etwa vor 3500 Jahren entstanden. Das Wandfresko stammt aus einer Totengruft.

© Jochen Wiede

Orientalische Gartenkultur: Das Lächeln der Blumen

Jochen Wiede erzählt die Geschichte der orientalisch-persischen Gartenkunst bis heute

„Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat“, sagt ein altes persisches Sprichwort. Der Garten hat in der islamisch geprägten Welt einen hohen Stellenwert. Das sagt auch Khalil Gibran (1883-1931), der große libanesisch-amerikanische Philosoph und Dichter: „Im Herbst sammelte ich alle meine Sorgen und vergrub sie in meinem Garten. Als der Frühling wiederkehrte, im April, um die Erde zu heiraten, da wuchsen in meinem Garten schöne Blumen“.

Der Schweizer Gartenarchitekt und Landschaftsplaner Jochen Wiede hat in seinem neuen Buch „Orientalisch-persische Gartenkultur. Paradiese und der Garten im Islam“ die über 3500jährige Geschichte der Gartenkultur beschrieben, die wir heute im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Andalusien vorfinden. Für ihn liegt der Ausgangspunkt der Gartenkultur der islamisch geprägten Welt im heutigen Iran als Schnittstelle zwischen Orient und Okzident.

[Jochen WiedeOrientalisch-Persische Gartenkultur. Paradiese und der Garten im Islam. marix verlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2020. 240 Seiten. 28 €.]

Gartenkunst der Assyrer zeigt dieses Detail aus einem Wandrelief aus einem Palast in Ninive mit Pavillon, Bäumen und Kanälen.
Gartenkunst der Assyrer zeigt dieses Detail aus einem Wandrelief aus einem Palast in Ninive mit Pavillon, Bäumen und Kanälen.

© Jochen Wiede

Einflüsse aus dem Alten Ägypten und dem Assyrischen Reich lassen sich in der islamischen Gartenkultur nachweisen, aber auch römisch-byzantinische Einflüsse wie die Mosaikkunst. Dieser Einfluss reicht bis nach Andalusien im Westen und ins Mogulreich in Indien im Osten. Der persisch-orientalische Garten zielt nach Wiede vor allem auf eine Abschottung „gegen die Unbill der Außennatur“, er ist ein Schutzwall gegen die Hitze und potenzielle Feinde und zudem ein Rückzugsort des Herrschers. Dabei spiele das Wasser eine praktische, aber auch eine religiöse Rolle. Die ersten Gärten in Ägypten dienten der Totenverehrung.

Der Alhambra-Garten in Leeds orientiert sich an seinem historischen Vorbild.
Der Alhambra-Garten in Leeds orientiert sich an seinem historischen Vorbild.

© Wikimedia CC-BY-SA Green Giant 2013

Ein Wandrelief aus Ninive im heutigen Irak zeigt einen Garten mit vielen Bäumen, Palmen, Früchten und Wasserkanälen. Ummauerte Dattelpalmgärten außerhalb der Städte kannten Assyrer und Babylonier. In Amarna in Ägypten dienten die flachen Wasserbecken in den Gärten der Reflexion des Sonnenlichtes, um so dem Sonnengott Aton zu huldigen. Bildliche Quellen aus Amarna zeigen Getreide, Gemüse, Granatäpfel, Wein, Dattelpalmen und Maulbeerbäume, sodass der Garten hier eher als Nutzgarten zu sehen ist.

Die Achämeniden im heutigen Iran holten unter Dareios I. Baumeister aus den besiegten Kulturen Ägyptens, Griechenlands und Mesopotamiens. Sie achteten diese kulturellen Leistungen und „der Garten wird zu einem integralen Teil der persischen Kunst“, schreibt Wiede. Kennzeichnend wurden zum Garten hin offene Pavillons mit säulengestützten Portiken, die den Blick in die Ferne erlaubten.

Als Alexander der Große Ägypten und das Achämenidenreich eroberte, mischten sich griechisch-römische, persische und ägyptische Einflüsse. Aus dem zur Landschaft hin offenen Pavillon entstand nun ein nach innen gekehrter Pavillon, bei dem sich ein von drei bis vier Seiten umgebener Innenhof mit Säulen bildete. Er war wunderbar geeignet, die Hitze von außen abzuhalten. Topfpflanzen, Bäume und Wasserbecken gehören nun zum Inventar des Gartens.

Ein typischer Garten in einem Innnehof in Yazd. Über dem Wasserbecken verspricht das Sitzpodium Kühle in den heißen Sommern.
Ein typischer Garten in einem Innnehof in Yazd. Über dem Wasserbecken verspricht das Sitzpodium Kühle in den heißen Sommern.

© Wkimedia CC-BY-SA Diego Delso 2016

Wiede zeichnet ausführlich und detailreich die Entwicklung der Gartenkunst im Iran nach, wo schon immer Blumen eine große Rolle spielten, da Tulpen, Hyazinthen, Kaiserkronen und Krokusse, aus denen Safran gewonnen wurde, im iranischen Hochland wild wuchsen. Der Prophet Mohammed soll gesagt haben: „Hätte ich zwei Laibe Brot, würde ich einen verkaufen und mir für den Erlös Hyazinthen erstehen, um damit meine Seele zu ernähren.“

Rosen sind im Iran sehr wichtig. Diese Kacheln schmücken die Innenwände des Ali-Qapu-Palastes in Isfahan.
Rosen sind im Iran sehr wichtig. Diese Kacheln schmücken die Innenwände des Ali-Qapu-Palastes in Isfahan.

© Wikimedia CC-BY-SA A.RB 2006

In den persischen Gärten spielte Wasser eine große Rolle. Da es in dem ariden Klima sehr selten war, wurde es auch als Kostbarkeit geschätzt. Daher spielen Kanäle und Wasserbecken, die die Nutzpflanzen, vor allem Zitrusfrüchte, mit Wasser versorgen, eine große Rolle. Außerdem hat das Wasser in den Gärten in klimatisch feindlicher Umgebung eine kühlende Wirkung. Becken und Kanäle werden gerne hellblau gekachelt, um die Frische des Wassers optisch zu verstärken, das ist also keine Erfindung moderner Schwimmbadarchitektur. Es waren gerade europäische Reisende, die vom 17. bis zum 19. Jahrhundert von den wunderbaren ummauerten Obstgärten mit plätscherndem Wasser berichteten, für sie ein Paradies auf Erden verglichen mit Gärten in Europa.

Wiede zeigt, dass sich der Begründer der Umayyadendynastie in Südspanien, Abd al Rahman I. (731-788), der aus Damaskus fliehen musste, in Córdoba mit Pflanzen seiner Heimat umgeben wollte. Er pflanzte die erste Dattelpalme in Spanien. „Eine Palme steht mitten in Rusafa, im Westen geboren / Aber fern vom Land der Palmen sage ich zu ihr / Wie ähnlich du bist zu mir, im Exil und so verloren / … Hier in dieser fremden Erde bist Du wie ich“. Gerade in Andalusien, in Córdoba und Granada, erlebte der islamisch geprägte Garten eine Blüte. Über die Umayyaden kommt auch viel persisches Wissen nach Spanien: Nutzpflanzen wie Palmen, Oliven, Orangen, Mandeln und Wein aus Schiras erobern Südeuropa.

Maurischer Innnenhof mit seinen Orangenbäumen und Bewässerungsrinnen in der Mezquita-Kathedrale in Còrdoba. Er ist typisch für das Ende der maurischen Epoche.
Maurischer Innnenhof mit seinen Orangenbäumen und Bewässerungsrinnen in der Mezquita-Kathedrale in Còrdoba. Er ist typisch für das Ende der maurischen Epoche.

© Wikimedia CC-BY-SA Bogdan Migulski (flickr) 2008

Der Orangenhof der Mezquita von Córdoba mit den rasterförmig gepflanzten Orangenbäumen und den offenen Wasserkanälen ist ein noch heute sichtbares Beispiel für diese Nutzgärten.

Wichtig für den islamischen Garten ist der Einsatz von Fliesen mit Ornamentschmuck (girih). Die Muster sollen die Omnipotenz des Göttlichen darstellen.

Ein weiteres Zentrum der islamischen Gartenkunst liegt nach wie vor in Persien, wo ab dem 11. Jahrhundert langgezogene terrassierte Gärten, in denen das Wasser natürlich fließt, angelegt werden.

Neuinterpretation eines persisch-maurischen Gartens mit Pavillon, Wasserrrinne und Innenbepflanzung in Marrakesch.
Neuinterpretation eines persisch-maurischen Gartens mit Pavillon, Wasserrrinne und Innenbepflanzung in Marrakesch.

© Jochen Wiede

Kenntnisreich schildert Wiede die Entwicklung der Gartenkunst, geht auf die Bedeutung der Rosenzucht, der verwandten Teppichkunst und die Zeltarchitektur ein, die unter den Timuriden „weiche Gärten“ mit mobilen Festzelten ermöglichten, nicht ungewöhnlich bei einem früheren Nomadenvolk. Die Mogulherrscher Indiens übernahmen viele dieser Ideen, blieben aber dem klassischen viergeteilten Garten mit einem Pavillon in der Mitte treu. Die Blumenliebe der Mogulherrscher drückte sich im Blumendekor der Kacheln aus. Mausoleen wurden von Gärten umgeben.

Ein schwerer Eingriff in die Gartenarchitektur fand unter der britischen Kolonialherrschaft statt, als die Briten in Indien die Obstgärten um die Mausoleen durch Rasen ersetzten.

Und hat der islamische Garten eine Zukunft? Wiede verweist auf ermutigende Beispiele, nicht nur aus den „Gärten der Welt“ in Berlin, sondern auch in Hyderabad oder Kairo, wo 2005 mithilfe der Agha-Khan-Stiftung der Al Ahzar Park in Kairo auf einer 500 Jahre alten Mülldeponie angelegt wurde. Baburs historischer Terrassengarten wurde in Kabul restauriert. Der Jardin Majorelle in Marrakesch ist ein weiteres gelungenes Beispiel für einen modernen Garten. Der Al Hambra Garten in Leeds wurde 2007 für pakistanische Einwanderer angelegt und auch ein Park in Bradford erinnert an historische Vorbilder.

Der Lister-Park in Yorkshire orientiert sich an der strengen Gliederung indischer Mogul-Gärten.
Der Lister-Park in Yorkshire orientiert sich an der strengen Gliederung indischer Mogul-Gärten.

© Wikimedia CC-BY-SA, Engineer 2016

Manchem Platz in unseren immer heißeren Städten würde ein bisschen Inspiration durch Bäume und Wasser guttun. Der frisch geöffnete Scharoun-Platz neben dem Kammermusiksaal in Berlin ist im Sommer mit seinen Steinplatten und wenigen Bäumen eine aufheizende Zumutung. Vielleicht hilft Wiedes Buch, neue Ideen für eine klimagerechte Stadt zu schaffen, denn der Vorzug des islamischen Gartens ist es, in einem heißen Klima Erfrischung und Erholung zu bieten.

Ein Streifzug durch 3500 Jahre Gartengeschichte
Ein Streifzug durch 3500 Jahre Gartengeschichte

© marix verlag

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false