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Kultur: Operation Wüstensturm: Erst kamen die Bilder, dann die Wut

Meine Frau und ich saßen abends vor dem Fernseher und sahen den Krieg. Auch wenn die Bilder der Bombeneinschläge in Bagdad und die Blitze der irakischen Luftabwehr wie ein Videoclip wirkten - irgendwie war die Bedrohung hautnah.

Meine Frau und ich saßen abends vor dem Fernseher und sahen den Krieg. Auch wenn die Bilder der Bombeneinschläge in Bagdad und die Blitze der irakischen Luftabwehr wie ein Videoclip wirkten - irgendwie war die Bedrohung hautnah. Warum ließen sich die USA bloß wegen des kuwaitischen Öls auf einen solchen Waffengang mit ungewissem Ausgang ein? Blödes Großmachtgehabe. Und die dummen Briten riefen auch noch "Hurra, wir kommen". Verfügte Saddam nicht über die schlimmsten Waffen, die der durchgedrehte Diktator selbstverständlich bereit war einzusetzen? Irak, Türkei, Mitteleuropa - ständig gab es neue Meldungen über die Reichweite seiner Raketen. Meiner Frau schossen die Tränen in die Augen, ich nahm sie in den Arm, selbst fassungslos über das, was ich sah. Wir hatten Angst. Am nächsten Tag war sie immer noch da.

In der Uni gab es nur ein Thema: George Bush oder Hussein - wer war verrückter? Der irakische Herrscher war weit weg, aber die Amis, die gab es noch. Gewissermaßen vor der Haustür. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich nie wütend genug gewesen, um auf die Straße zu gehen. Jetzt war es anders. Ich hatte Bilder vor Augen, Bilder von Israelis, die sich ihre Gasmasken abholen mussten. Ich fühlte mich verpflichtet, denn das durfte nicht sein. Andere empfanden offenbar ähnlich. Und so traf man Gleichgesinnte vor dem amerikanischen Konsulat in Berlin-Zehlendorf. Vollkommen friedlich sollte es zugehen. Denn mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren, das war für uns nicht vorstellbar. Wir zogen vor das hermetisch abgeriegelte Gebäude. Ein Protest mit Sprechchören. Das sollte unser Zeichen sein.

Nach ein paar Tagen war es mit meinem politischen Elan vorbei. Der Alltag hatte mich wieder. Das Kopfschütteln hielt noch an. Doch der Krieg blieb ja da unten - und im Fernseher. Und den brauchte man ja nicht einzuschalten. Christian Böhme

Es war ein paar Monate vor den "final exams" an der Uni im schottischen Glasgow. Den Großteil des Prüfungsstoffs habe ich vergessen, aber ein Wort aus der Zeit vom Januar und Februar 1991 hat sich eingebrannt: "bipartisan". Zu deutsch: "zwei Parteien vertretend". Der Golfkrieg hatte begonnen, und die britische Außenpolitik umfasste plötzlich alle Parteien. John Major, der damalige Premierminister, kannte keine Konservativen und keine Labour Party mehr, sondern nur noch Freunde. Es gab nur einen Feind: Saddam.

Großbritannien war im Krieg, und Kate Adie berichtete für die BBC aus der Wüste von der Stimmung "unserer Jungs". Selbstverständlich war die Zuversicht unter den britischen Soldaten groß, den Konflikt rasch zu beenden - das jedenfalls erfuhr das heimische Publikum. Auch als der Krieg Wochen dauerte, kamen in der BBC-Berichterstattung keine Zweifel an der Entschlossenheit der Golfkriegs-Allianz auf.

Einmal, am frühen Nachmittag, bekam ich Besuch von einem Mann, der sich nicht vorstellte. "Guten Tag, fahren Sie einen weißen Ford?", begann er das kurze Gespräch an der Türschwelle. Wie lange ich denn schon hier in der Nähe vom Queen Mothers Hospital wohne. Was ich denn studiere. Iraker hatten in den beiden Kriegsmonaten in Großbritannien kein leichtes Leben. Aber auch ein deutscher Student konnte schon verdächtig sein. Je länger sich der Krieg hinzog, umso größer wurde auch die Angst vor möglichen Anschlägen auf der Insel.

Aber die Briten hatten nicht nur Angst vor dem Feind, sondern machten sich auch lustig über ihn. In einer Karikatur im "Independent" erschien der irakische Außenminister Tarik Aziz als einer der "Marx Brothers". Nach Kriegsende druckte die Zeitung das Bild eines getöteten irakischen Soldaten. Zum ersten Mal war da so etwas wie Wahrhaftigkeit zu spüren. Albrecht Meier

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