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Aufgeschnappt. Ein Tukan aus dem „Surinam-Album“ von Maria Sibylla Merian, entstanden zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

© Trustees of the British Museum

Online-Archiv für Aquarelle: Alle Farben des Lebens

Unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles: Das Online-Archiv „The Watercolour World“ macht Aquarelle aus aller Welt zugänglich.

Sie sind farbig, präzise und fragil. Leicht herstellbar und transportierbar sind sie auch, außerdem benötigen sie nicht viel Platz. Trotz all dieser Vorteile nehmen Aquarelle in der öffentlichen Wahrnehmung nicht den Rang ein, der ihnen zustehen müsste. Dabei besitzen sie als Dokumente ihrer Zeit nicht nur einen künstlerischen Wert, oft sind sie auch von historischer Bedeutung. Das gilt vor allem für die Zeit vor der Erfindung der Fotografie. „Wie sah die Welt aus, bevor die Fotografie sie für uns festhielt?“, fragte sich der ehemalige britische Diplomat Fred Hohler, der sich 2002 mit seiner Katalogisierung aller Ölgemälde in öffentlichem Besitz in Großbritannien in der Public Catalogue Foundation einen Namen machte.

Das kürzlich gestartete Online-Archiv „The Watercolour World“ (TWW) knüpft an diese enzyklopädische Leistung an. Unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles, der selbst ein begeisterter Aquarellmaler ist, ging die Website mit über 80 000 eingescannten Werken ans Netz. 18 000 Orte sind in diesen Aquarellen aus der Zeit zwischen 1740 und 1900 festgehalten. Ein Team von Archivaren reiste zunächst mit einem mobilen Hightech- Scanner, den Fujitsu zur Verfügung gestellt hatte, kreuz und quer durch das Vereinigte Königreich, um in privaten und öffentlichen Sammlungen Aquarelle von herausragendem historischen Wert einzuscannen. Es geht dabei nicht um schöne helle, impressionistisch angehauchte Aquarelle, wie man sie von Malerzirkeln in der britischen Provinz aus Krimiserien wie „Inspektor Barnaby“ kennt. Ziel ist vielmehr der Aufbau einer globalen dokumentarischen Aquarelldatenbank, die interaktiv für jedermann frei zu nutzen ist.

Wertvolle Anhaltpunkte für Forscherinnen und Forscher

„Die Geschichte der Aquarellmalerei ist recht erstaunlich in dem Sinn, dass etwa von 1740 an die britische Armee ihre Soldaten trainierte, exakt zu malen. Vor der Fotografie gab es keinen anderen Weg, das zu dokumentieren, was man sieht – also wurden die Menschen trainiert, genaue Darstellungen von Orten, Menschen und Ereignissen herzustellen“, sagte Andra Fitzherbert, Geschäftsführer von TWW, in einem Interview. Bis heute hält die Regierung ihre Soldaten auch bei militärischen Auslandseinsätzen dazu an, die Kriegsereignisse in Aquarellen festzuhalten. Die Marine besaß eigene Maler. Forschungsreisende nutzten ebenfalls diese Technik, Farbe und Papier. Schnell war ein Stift zur Hand, um unterwegs eine Situation oder ein Bauwerk festzuhalten.

Gerade unter dem Eindruck des Klimawandels gewinnen diese frühen Aquarelle große Bedeutung, da sie den Forschern präzises Bildmaterial etwa über den früheren Verlauf der englischen Küste geben oder den Zustand der Gletscher in den Alpen dokumentieren. Viele Bauwerke und Stadtansichten existieren heute so nicht mehr, die Aquarelle, die bisher in öffentlichen und privaten Sammlungen schlummerten, liefern wertvolle Anhaltspunkte.

Das British Museum ist mit über 15 000 Werken vertreten

Man kann nach Schlagworten, Orten oder Themen suchen und bekommt dann mal mehr, mal weniger genaue Informationen zu den Objekten. Man kann aber auch über Links weiter suchen und so beispielsweise sehen, wo ein bestimmter Maler sich aufgehalten und welche Orte er bereist hat. Zu den schönsten Stücken gehört ein Aquarell von 1895, das das Grab des Pharaos Seti I. in Luxor zeigt und als Vorlage für seine Restaurierung diente. Archäologen, Historiker, Bauforscher und Naturwissenschaftler werden im Online-Archiv viel bisher unbekanntes Material entdecken. Man kann sich aber auch einfach den Spaß machen und einen Lieblingsort suchen, etwa Damaskus, um dann im Umfeld einen Bildes weiterzublättern. Die Qualität der Scans ist ausgezeichnet.

Viele Aquarelle stammen von Künstlerinnen, zu denen neben der deutschen Pionierin Maria Sibylla Merian und Susan Fereday, einer zeitgenössischen „botanical artist“ aus Australien, auch Queen Victoria gehört. Die Initiatoren erhoffen sich eine globale Teilnahme an ihrem Projekt. Bisher waren die Organisatoren vor allem in Großbritannien unterwegs, aber es finden sich auch schon Werke aus den USA, Italien, Russland, Peru, Brasilien und der Schweiz in der Sammlung. Das British Museum ist mit über 15 000 Werken vertreten, das Amsterdamer Rijksmuseum mit knapp 2500 Werken. Die Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz präsentiert ein Aquarell von Felix Mendelssohn-Bartholdy, eine Ansicht von Florenz aus dem Jahr 1830. Finanziert wird das Archiv von der Marandi Foundation, die vom Unternehmerpaar Javad und Narmina Marandi gegründet wurde.

www.watercolourworld.org

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