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Rendezvous mit dem Tod. Juri (Noah Saveedra) hat nichts zu verlieren.

© NFP

„O Beautiful Night“: Blumen leuchten wie Eingeweide

Neontrip durch Berlin: Das Spielfilmdebüt „O Beautiful Night“ von Xaver Cylophon ist eine Hommage an die düstere Seite der Achtziger.

Ausgerechnet im Paradies wartet der Sensenmann. Bar Paradieso heißt das schön spelunkige Automatencasino, in dem der notorische Hypochonder Juri (Noah Saveedra) von einer Panikattacke überwältigt in einer dunklen Berliner Nacht Zuflucht sucht. Dort streckt ihm ein Mann mit langem Mantel, osteuropäischem Akzent und gut geschnittenem Mafioso-Gesicht (Marko Mandik aus Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“) zuerst ein Wiener Würstel entgegen und dann seine Visitenkarte, die ihn als „Der Tod“ vorstellt. Juri, der den Tod fürchtet, seitdem er denken kann und ständig Krankheitssymptome an sich zu entdecken glaubt – hier ein bedrohliches Ziehen im Unterleib, da ein alarmierendes Stechen im Herzen –, begibt sich nach ein paar vergeblichen Fluchtversuchen mit dem mysteriösen Mann auf einen surrealen Trip durch die Nacht.

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„O Beautiful Night“ ist das Spielfilmdebüt des unter dem Namen Xaver Cylophon bekannten Zeichners, Illustrators und Animationsfilmers Xavier Böhm, der neben eigenen Arbeiten auch Auftragswerke für andere macht. Für DJ Hell animierte er etwa die homoerotischen Zeichnungen von Tom of Finland zu dem ziemlich tollen Musikvideo „I Want You“. Auch in seinem von Komplizen Film produzierten retro-romantischem Nachtstück, ein in der Filmografie der Berliner Produktionsfirma eher untypisches Werk, hat Böhm bereits vorhandene Bilder geremixt. Als eine Art phantasmagorische Ebene im Film fungieren üppig-morbide Blumenstillleben von alten, meist niederländischen Malern des 17. Jahrhunderts (Jan Davidsz de Heem, Elias van den Broeck). In der Nachbearbeitung erinnern sie mitunter an Eingeweide. Einmal auch lösen sie sich in eine Art kosmischen Nebel auf.

Im stetig anwachsenden Genre des „Berlinfilms“ ist Böhms Regiedebüt zweifellos ein schillerndes Unikat. Unberlinischer hat man die Hauptstadt wohl selten zu Gesicht bekommen. Böhm verwandelt sie in eine artifizielle Kulisse, ausgestorben und dunkel. Die von obskurem Personal bevölkerten Schauplätze des Films sind eine Go-Kart-Bahn, eine Opiumhöhle und eine Peepshow namens Neon Triangle, wo sich Juri sofort in die strippende Nietzsche-Leserin Nina (Vanessa Loibl), vom Tod auch „Giftblume“ genannt, verknallt. Illuminiert werden diese Orte allein von Neonleuchten, Spielautomaten, Autoscheinwerfern, Kronleuchtern und anderen stimmungsvollen Lichtquellen. Jieun Yi, die Kamerafrau von – ausgerechnet – Tom Lass’ Impro-Komödie „Blind & Hässlich“ taucht den Film in tiefes Schwarz und glühende Lila-, Blau-, Rot- und Pinktöne.

Dass sich auf der Website des Künstlers auch ein selbst gezeichnetes Plakat von Ridley Scotts „Blade Runner“ findet, überrascht da kaum . „O Beautiful Night“ ist nicht zuletzt eine Hommage an ein von Neonlichtern, düsteren Nachtgestalten und zwielichtigen Atmosphären geprägtes Kino, das in den Achtzigern seinen Ursprung hat und in den letzten Jahren durch Filmemacher wie Nicolas Winding Refn wiederbelebt wurde.

Böhms Idee von Neo-Noir ist von der Grundierung jedoch leicht und optimistisch, das romantische Märchen interessiert ihn, nicht der dunkle Albtraum; am Ende wird die Liebe sehr unschuldig als Todesüberwinderin gefeiert. Diese zutiefst ungrimmige Haltung ist durchaus sympathisch. Andererseits ist das Drehbuch nicht eben originell, manche Idee, etwa das Russische Roulette, wirkt eher uninspiriert aus dem Baukasten gefischt. So gelingt es dem Film kaum, die Genre-Anleihen neu zu aktivieren, der hypnotische Sog, den die Bilder so inständig zu evozieren behaupten, bleibt aus. Im Kino wird „O Beautiful Night“ übrigens in gleich zwei Versionen zu sehen sein: in der originalen Farbfassung und als „Black Neon Edition“.

Esther Buss

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