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Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte Cees Nooteboom (rechts) in der Niederländischen Botschaft als großen Europäer. In der Mitte Joachim Sartorius, der das anschließende Gespräch führte.

© Katrin Konst

Nooteboom zum 80. Geburtstag: Niederländische Botschaft feiert den Dichter und Reisenden

Im Juli wurde Cees Nooteboom 80 Jahre alt. Jetzt widmete ihm die Niederländische Botschaft einen Abend mit Freunden und Lesern

Es war ein Heimspiel für Cees Nooteboom, für den „Berlin immer eine Heimstatt war“, wie es die neue Botschafterin der Niederlande Monique van Daalen ausdrückte. Sie hatte zusammen mit dem Künstlerprogramm des DAAD und dem Suhrkamp Verlag zur Nachfeier von Nootebooms 80. Geburtstag in den Prinz Claus-Saal der Botschaft eingeladen und viele Weggefährten und Freunde seiner Berliner Jahre – Joachim Sartorius hatte alle Aufenthalte zusammengerechnet und kam netto auf drei Jahre – waren gekommen, um Nooteboom zu feiern. Bundestagspräsident Norbert Lammert, der sich als treuer Leser seit 25 Jahren zu erkennen gab, hob in seiner Rede noch einmal Nootebooms Rolle als Beobachter deutscher und europäischer Geschichte hervor.  Er komme gerade vom Pariser Platz, wo 75 Jahre nach der Reichspogromnacht die erste Kerze eines Chanukka-Leuchters angezündet worden war. Damals habe sich Deutschland vom zivilisierten Rest der Welt verabschiedet. Vor 80 Jahren wurde Nooteboom geboren und die Nazis griffen nach der Macht. Lammert würdigte den exakten Beobachter dieser Stadt und vieler Länder. Nooteboom habe viel zur Verständigung in Europa beigetragen.

Im Gespräch, einer „Reise durch das Werk“ mit Joachim Sartorius, dem ehemaligen Leiter des Künstlerprogramms des DAAD, auf dessen Einladung Nooteboom Anfang 1989 nach Berlin kam, skizzierte Sartorius den Freund als Dichter schwieriger Gedankenlyrik und Verfasser meisterlicher Travel-Books, der immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war: 1956 in Budapest, 1963 beim VI. Parteitag der SED, 1968 in Prag und Paris und 1989 in Berlin.

Die Intensität der Geschichte – wie damals, 1989 – verspüre er heute nicht mehr in Berlin, sagte Nooteboom. Die englische „Financial Times“ hatte ihn zu den jüngsten Wahlen in Deutschland um einen Beitrag gebeten. Man hatte dort die „Berliner Notizen“ gelesen, die erst jetzt auf Englisch erschienen sind, und wollte etwas Ähnliches haben. „Aber das ist jetzt Politik als künftige Geschichte, mehr nicht“, hatte er ihnen geantwortet. Das Stück habe er dann doch geschrieben, es sei aber nur online erschienen – „für mich ist das nicht gültig“. Abgedruckt wurde stattdessen ein Stück von Herrn zu Guttenberg. „Da muss ein Niederländer dann zurückstecken“, sagte Nooteboom mit einem ironischen Lächeln. Und auf die Frage, was nun komme: „Deutschland geht jetzt den normalen Weg einer Demokratie.“

„Ohne die ‚Berliner Notizen’ hätte ich ,Allerseelen’ nie schreiben können“, sagte Nooteboom zu seinem großen Berlin-Roman. Siegfried Unseld hatte Nooteboom einmal als einen „Reisenden in Realien und Fiktion mit dem Spezialgebiet Sehen“ charakterisiert. Von Joachim Sartorius mit diesem Zitat konfrontiert, konnte der Jubilar nur zustimmen. „Unseld hat mich verstanden und mich frei gelassen, dafür bin ich ihm sehr dankbar.“

"Berlin hat meinen Blick auf dieses Land verändert"

Ein Heimspiel war es für Cees Nooteboom, als er in der Niederländischen Botschaft aus seinem neuen Lyrikband "Licht überall" las. Insgesamt summieren sich seine Berlinaufenthalte auf drei Jahre - so hat es Joachim Sartorius ausgerechnet.
Ein Heimspiel war es für Cees Nooteboom, als er in der Niederländischen Botschaft aus seinem neuen Lyrikband "Licht überall" las. Insgesamt summieren sich seine Berlinaufenthalte auf drei Jahre - so hat es Joachim Sartorius ausgerechnet.

© Katrin Konst

Berlin sei für ihn die wichtigste Erfahrung seines Lebens gewesen, bekannte Nooteboom. Als älterer Mensch finde man nicht leicht neue Freunde, hier habe er sie gefunden. „Berlin hat meinen Blick auf dieses Land verändert.“ Sartorius versuchte, ihm einen dritten Wohnsitz neben Amsterdam und Menorca schmackhaft zu machen, damit man ihn öfter erleben könne. „Vielleicht, wenn ich alt bin“, entgegnete Nooteboom. „So lange ich reisen kann, muss ich mich mit zwei Wohnungen abfinden. Außerdem bin ich doch jetzt hier.“

Und dann las er aus „Briefe an Poseidon“, Meditationen über das Alter. Wenn er ein Buch abgeschlossen habe, fühle er sich allein. Die Personen, die ihn so lange beschäftigt hätten, hätten ihn verlassen. Man warte dann auf den nächsten Einfall. Er habe damals in München im Februar – wie die Deutschen – eingehüllt in einer Decke auf einer Terrasse gesessen und Kurzgeschichten von Sandor Marai gelesen. „Das musst du auch mal wieder machen“, dachte er sich und bestellte ein Glas Champagner. Auf der Serviette des Restaurants stand „Poseidon“ – „so entsteht manchmal Literatur“, kommentierte Nooteboom seine Eingebung.

Schließlich las er noch einige wunderbare Gedichte aus dem neuen Band „Licht überall“, kleine Sprachkunstwerke über das Dichten und eine Hommage an seinen alten Freund und Weggefährten Hugo Claus, der angesichts einer Alzheimer-Diagnose für sich einen Ausweg fand. „Dieses Gedicht lese ich erst auf Niederländisch, damit meine Landsleute auch etwas davon haben“, sagte Nooteboom.

Er wird weiter reisen, so lange es geht. „Vermisse ich Amsterdam, wenn ich jetzt, weit weg bin? / Nein, Heimweh wirkt anders, es nimmt Gestalt an / von Büchern. Nicht mein Haus vermisse ich, nicht das Zimmer, / wohl aber das Buch in dem Zimmer, ich sehe die Ecke, / wo es steht unter der Zeichnung, die Hugo Claus / machte von Walter Benjamin“ heißt es in der ersten Strophe von „Heimweh“.

Die Veranstaltung kann ab Montag auf www.niederlandeweb.de

und auf facebook.com/botschaft.nl betrachtet werden.

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