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Kultur: "Nirgendwo in Afrika": In Gesichter sehen. Ein Gespräch mit Caroline Link übers Filmemachen, über Kinder - und über die Liebe

Caroline Link gilt seit ihrem Debüt 1996 mit "Jenseits der Stille", das prompt für den Auslands-Oscar nominiert wurde, als ein großes Talent des deutschen Kinos. Nach diesem Porträt eines Mädchens mit gehörlosen Eltern war in "Pünktchen und Anton" (1999) erneut ein Mädchen die Heldin.

Caroline Link gilt seit ihrem Debüt 1996 mit "Jenseits der Stille", das prompt für den Auslands-Oscar nominiert wurde, als ein großes Talent des deutschen Kinos. Nach diesem Porträt eines Mädchens mit gehörlosen Eltern war in "Pünktchen und Anton" (1999) erneut ein Mädchen die Heldin. Nun hat sie einen epischen Stoff verfilmt - "Nirgendwo in Afrika": den Lebensbericht der Jüdin Stefanie Zweig, die mit ihren Eltern 1938 nach Kenia auswanderte.

Frau Link, Ihr Film wirkt mit Afrika wie selbstverständlich vertraut. Kannten Sie Afrika eigentlich schon vor den Dreharbeiten?

Ich hatte schon einmal einen längeren Urlaub mit meinem Freund in Namibia gemacht, aber eigentlich kannte ich Afrika nicht. In der Vorbereitungsphase zu meinem Film war ich sechs Mal in Kenia und habe mich auf einer Farm einquartiert, am Drehbuch gearbeitet und versucht, das Land so gut wie möglich kennen zu lernen.

Aber Ihr Film spielt um 1940 ...

Natürlich unterscheidet sich das heutige Kenia sehr von dem kolonialen Kenia der dreißiger und vierziger Jahre. Aber da muss man dann halt viele Dokumentationen anschauen und lesen und auch Zeit in dem Land verbringen. Für mich ist es immer wichtig, dass die Details stimmen. Auf dieser Farm zum Beispiel hatte ich einen guten Draht zu einigen afrikanischen Arbeitern, die mich dann mitgenommen haben in ihre Hütten und mir gezeigt haben, wie sie leben, was sie essen, wie das Leben überhaupt funktioniert.

Hatten Sie keine Zweifel am Gelingen des Projektes?

Die Finanzierung war nicht einfach. 14 Millionen Mark ist für Deutschland sehr viel, international ist es ganz wenig. Ohne das Geld der Constantin wäre es gar nicht möglich gewesen.

Und die organisatorischen Dinge?

Das war die Herausforderung für den Produzenten Peter Herrmann. Er ist studierter Ethnologe und hat selbst in Westafrika Dokumentarfilme gedreht. Er eröffnete schon früh ein Produktionsbüro in Nairobi und kümmerte sich um Dinge, die man andernorts für selbstverständlich hält: Wie kriegen wir ein Telefon an den Drehort zum Beispiel? Und solche Kleinigkeiten.

Haben Sie in Afrika gecastet?

Für die Rolle des Kochs Owuor haben wir ein Riesencasting gemacht. Ich wollte einen Afrikaner dafür. Wir hatten zwar in Deutschland Probeaufnahmen mit afrikanischen Franzosen, Amerikanern und Südafrikanern, aber das stimmte für mich alles nicht - es prägt einen Menschen eben, ob er in Europa lebt oder in den USA oder in einem Dorf in Kenia. Man spürt das in der Art, sich zu bewegen, zu sprechen und zu denken. Das vermittelt sich sogar in einem Gesicht.

Ist Sidede Onyulo, der nun den Koch spielte, ein professioneller Schauspieler?

Er hat auf der Bühne einige Stücke gespielt und ganz kleine Rollen in amerikanischen Filmen. Aber in Kenia selbst wird sehr wenig Theater gespielt - und auch produziert, weil alle jetzt in Südafrika drehen. Das bedeutet für richtige Schauspieler eine ständige Unterforderung.

In den wenigen afrikanischen Filmen, die wir zu sehen bekommen, agieren die Schauspieler sehr outriert, jedenfalls nach unseren Maßstäben. War das ein Problem?

Sidede ist ein unglaublich kluger Mensch, der sich sehr gut auf Leute und Situationen einstellen kann. Er hatte zwar, wie alle Afrikaner, eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie man einen schwarzen Dienstboten von Weißen spielen muss. So devot. Ich wollte ihn aber stolz, frech und herausfordernd. Ich musste ihm das mehrmals sagen. Deswegen war es auch so wichtig, dass er nicht Deutsch sprechen muss, was Sidede sogar ein bisschen kann - obwohl das natürlich dem Verleih hundert Mal lieber gewesen wäre, wenn bei ihm die Untertitel entfallen wären. Aber es nimmt viel von der Würde einer Figur, wenn sie in einer fremden Sprache radebrechen muss.

Hatten Sie keine Skrupel, mit den Dreharbeiten extrem in die Lebensbedingungen der Afrikaner auf dem Land einzugreifen?

Doch, habe ich. Wie soll man sich in Afrika gegenüber der Armut verhalten? Wir sind unglaublich reich in deren Augen, gerade als Filmteam mit der ganzen Technik. Und wenn dich Kinder auf der Straße bitten, ihnen Geld zu geben oder was zu essen zu kaufen - wie kaputt muss man sein, um einfach zu sagen: "Nee, mach ich nicht, das verdirbt hier die Infrastruktur." Ich hab dann meistens Essen gekauft oder was gegeben, aber das bringt die Kinder natürlich dazu, nicht mehr in die Schule zu gehen, sondern zu betteln. Und so bringen wir allein schon durch unsere Anwesenheit alles aus dem Lot.

Besonders wohl in dem Dorf Mukutani, wo es immer noch keinen Strom gibt.

Ja, allein die Tatsache, dass wir Licht hatten nachts! Für die Leute dort wäre es unglaublich wichtig, abends mal etwas zu sehen. Jeder Weg im Dunkeln ist dort noch sehr gefährlich. Deswegen haben wir auch diese Mukutani Foundation gegründet, weil wir zumindest "unserem Dorf", wie wir es, wahrscheinlich sehr anmaßend, immer nannten, noch etwas zukommen lassen wollen.

Auch andere Dinge mögen bei uns selbstverständlich sein und dort auf Unverständnis stoßen.

Sie finden es zum Beispiel überhaupt nicht in Ordnung, dass eine junge Frau herumkommandiert. Oder dass die Frauen so frech sind zu ihren Männern und ihnen nicht gehorchen. Sie waren stolz, dass wir kamen, um sie zu filmen. Aber bei den Zeremonien etwa durfte ich nichts inszenieren. Das wurde so gefilmt, wie sie es machen. Wenn ich gesagt habe: "Singt ihr das noch mal, das war gerade so schön", dann hieß es: "Nein, das darf man nur einmal singen."

In der Figur der Jettel inszenieren Sie das heikle Thema des Rassismus der aus rassistischen Gründen Diskriminierten.

Wieso heikel?

Weil die Familie jüdisch ist und es eine stillschweigende Übereinkunft gibt, dass Juden in der medialen Darstellung gute Menschen zu sein haben.

Aber das ist doch langweilig. Es gibt durchaus auch Andeutungen in Stefanie Zweigs Roman, dass diese Tochter aus gutem Haus mit einer gewissen Arroganz auf die Afrikaner herabsah. Warum sollte sie auch, nur weil sie Jüdin ist, aufgeschlossener sein? Das Gute an Juliane Köhler ist, dass sie sich mit Freuden auf eine negative Figur einlässt. Sie hat gar keine Angst, nicht sympathisch rüber zu kommen, ganz anders als viele Schauspieler, die sehr eitel sind.

Was hat Sie denn vor allem an dem Roman von Stefanie Zweig gereizt?

Dass der Zweite Weltkrieg aus einer Außenperspektive erzählt wird. Und dass es faszinierende Exil-Schicksale von ganz einfachen Menschen gibt. Nicht von den Thomas Manns, die mit viel Geld noch rechtzeitig ins Exil gegangen sind und ein ganz schönes Leben in einer Villa in Santa Monica hatten. Die meisten nahmen doch irgendeine Schiffspassage, um aus diesem verfluchten Deutschland rauszukommen und landeten dann auf einer Tabakplantage in Peru oder in einem Hinterhof in Shanghai.

Stören Sie gewisse Parallelen zu "Jenseits von Afrika"?

Ich wollte ein ganz anderes Afrika zeigen, das stimmt auch inhaltlich mehr. Da ist eine Flüchtlingsfamilie, die unfreiwillig dort lebt, in diesem staubigen, abweisenden, harten Land. Tania Blixen hat sich dagegen eine Kaffeeplantage gekauft und war Teil der kolonialen Gesellschaft. Auch die ganzen Tieraufnahmen haben mich nie interessiert; in jeder Uschi-Glas-Vorabendserie laufen Elefanten durch den Sonnenuntergang.

In all Ihren Filmen sind Kinder die Integrationsfiguren. Warum?

Beim Lesen des Romans dachte ich erst, "nicht schon wieder ein kleines Mädchen, das den Eltern zeigt, wie das Leben funktioniert". Deswegen habe ich mich mehr auf die Ehe konzentriert. Vielleicht weil ich selber jetzt in ein Alter komme, in dem mich Kindheit nicht mehr nur interessiert. Aber das Mädchen ist auch wichtig - als Gegenpol zum Konfliktfeld der Eltern.

Kinderdarsteller wirken bei Ihnen immer ganz unbefangen.

Man muss die Richtigen finden, und deshalb macht das Casting siebzig Prozent der Regiearbeit aus. Weil Kinder keine Profis sind und sich nicht völlig für die Kamera verstellen können. Da spielt Sympathie eine ganz große Rolle. Ich mag Kinder, aber nicht alle. Vielleicht weil ich keine Berührungsängste habe, fällt es mir nicht schwer, mit Kindern umzugehen.

Am Ende aller Konflikte in Ihren Filmen finden Sie gern zur Harmonie. Sind Sie harmoniesüchtig?

Naja. Hier ist es vom Roman vorgegeben. Das kann schon sein, dass ich im Kino Happyends liebe. Ich will optimistisch an die Dinge herangehen. Ich bin auch zum Beispiel seit zehn Jahren mit meinem Lebensgefährten zusammen. Das ist nicht immer einfach, aber ich will das eben hinkriegen.

Frau Link[Ihr Film wirkt mit Afrika wie selbstver]

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