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Der Berliner Künstler Alexander Iskin lässt sich per Live-Cam bei der Arbeit zuschauen.

© courtesy SEXAUER

Newsletter BERLINER-KUNST: Live-Cam ins Atelier und Kunst für zu Hause

Die Berliner Museen schließen, Galerien sagen Eröffnungen ab. Kunst kann man trotzdem erleben: per Live-Cam oder als Ausstellung im Netz. Hier unsere Tipps 

Das Museum Barberini in Potsdam hat temporär geschlossen; ab Samstag ist auch die Museumsinsel dicht. Wer jetzt zu Hause bleibt, sei gegrüßt und mit ein paar Ideen versorgt, wie man Kunst auch online erleben kann. Zum Beispiel mit Alexander Iskin, der schon seit Februar live vor der Kamera eine Ausstellung vorbereitet. Wir sind gespannt, welche kreativen Formate jetzt aufploppen, wenn die Eröffnungen vorübergehend weniger werden sollten. „Isolation kann künstlerisch produktiv sein“, sagt der Philosoph Bazon Brock, unten mehr dazu. In diesem Sinne – wir freuen uns über Hinweise auf interessante Online-Vernissagen oder ähnliches. Spread the word (and not the virus)! Den kompletten Newsletter BERLINER-Kunst kann man kostenlos hier bestellen.

Live im Künstler-Atelier

Ein guter Gesprächspartner in Sachen Quarantäne ist im Moment Alexander Iskin. Der gebürtige Moskauer hat sich seit Anfang Februar in der Galerie Sexauer isoliert, wo er seine erste Museumsausstellung vorbereitet. Die Idee stammt aber aus der Zeit vor Corona. Per Livecam auf arturbating.com kann man Iskin jeden Tag von früh bis spät bei der Arbeit zuschauen, beim Malen und Denken. Praktisch: Man kann Kunst sehen, ohne das Haus zu verlassen. Iskins Stream unterscheidet sich von den Selbstbeobachtungen auf großen Social-Media-Plattformen, von denen der Künstler sich bewusst fernhält. „Bei mir klickt niemand zufällig rein, auch fehlt die Action“, sagt er. Nur vier Bilder entstehen in all den Wochen. Entschleunigung pur. Iskin hat für seine Kunst den Begriff „Interrealismus“ geprägt, also das Wahrnehmen verschiedener Wirklichkeiten. Die bringt er auf die Leinwand, und interessiert sich dabei auch für die Verschränkung des Digitalen und Analogen. Deshalb gibt es eine Art Schleuse in sein abgeschottetes Leben: Man kann ihm Essen und Lebensmittel vorbeibringen (keine Tiere!) und Teil der Performance werden.

3D-Ausstellung

Anne Schwanz und Johanna Neuschäffer von Office Impart präsentieren am Samstag Arbeiten von Aaron Scheer in ihrem Büro in Moabit. Das Ganze gibt es aber auch als 3D-Ausstellung bei Artland. Also einfach von zu Hause aus reinschauen. Aaron Scheer überführt Daten, Dokumente, Fotos und Bildmaterial aus dem Internet und seinem Smartphone in eine neue Form der Malerei. Ähnlich wie Alexander Iskin – und doch mit ganz anderem Ergebnis – bewegt Scheer sich im Spannungsfeld zwischen Analogem und Digitalem. Technologie auf menschlich, yeah, muss gemacht werden! Ein interessantes Interview mit Aaron Scheer über seine Glitch-Malerei gibt es hier.

Bei Artland gibt es übrigens auch noch andere 3D-Ausstellungen von Berliner Galerien, nämlich von Brutto GustoKOW und Galerie Thomas Schulte.

Online-Ausstellung „Bad habits"

Eine Biennale online? Auch das gibt es! „The Wrong Biennale“ stellt digitale Kunst vor und verbindet Institutionen, Künstler*innen und Kurator*innen aus aller Welt (existiert seit 2013!). Die aktuelle Ausgabe ist am 1. März zu Ende gegangen. Aber jetzt ist die Zeit, sich dieser grandiosen Idee zu widmen (hier auf Facebook oder auf der Website). Dieses digitale Event hat nämlich neben der Tatsache, dass es im Moment super in die Zeit passt, auch den wunderbaren Vorteil, dass Menschen nicht quer um die Welt fliegen, um viel neue Kunst an einem Ort zu sehen. Eine Ausstellung bei dieser Biennale im Netz heißt „Bad Habits; und sie läuft noch. 20 Künstler*innen haben sich in Videoarbeiten mit schlechten Angewohnheiten auseinandergesetzt. Mit dabei sind zum Beispiel The Swan Collective und Bianca Kennedy aus Berlin (von der wir weiter unten noch eine Arbeit zeigen) – die Berliner beschäftigen sich mit merkwürdigen Essgewohnheiten. Soll’s ja geben. Es geht weiterhin um entfremdeten Konsum, die Stadt als Kampfplatz und digitale Hypnose. Und ja: Es blinkt und blitzt.

Und das haben wir auch auf der Website der Wrong Biennale gefunden: isitcanceledyet.com (Ist es schon abgesagt?).

Plastiktüten-Kunst

Hier nochmal was zum Thema „bad habits“. Kann sich noch jemand an die Hettlage-Plastiktüte erinnern? Schwarze Punkte mit roter Füllung? Oder Aldi? Blaue Streifen auf Weiß. Kaum ist die Plastiktüte aus den Einkaufsläden verbannt (naja, fast), wird sie zum musealen Kultobjekt. Interessant, wer die Dinger designt hat, von Walter Fruhtrunk (Aldi) bis Anton Stankowski (Rewe). In der Kunstbibliothek sind in einem Schaufenster neben dem Lesesaal 40 Tüten aus der Berliner Sammlung Sadecki ausgestellt. Mit 15.000 Tüten ist die Kollektion von Tobias Sadecki eine der größten in Deutschland. Hier auch auf InstagramEin interessantes Interview zu der Schau namens "Tüte? Na Logo!" hat der Tip gemacht.

Plastiktüten der 1960er- bis 80er-Jahre. Viele Stücke aus der Sammlung Sadecki (Cool Collection Berlin) sind auch auf Instagram zu sehen.
Plastiktüten der 1960er- bis 80er-Jahre. Viele Stücke aus der Sammlung Sadecki (Cool Collection Berlin) sind auch auf Instagram zu sehen.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek / Dietmar Katz

Fotos von der Stadt

Die Filmemacherin und Fotografin Franziska Stünkel fotografiert, wie die Metropolen dieser Welt sich in Schaufensterscheiben spiegeln. Wer sich zum Talk mit der Künstlerin am Samstag nicht in die Galerie Jarmuschek begeben will, dem sei der große Bildband empfohlen, der im Kehrer-Verlag erschienen ist. Zu Hause durchblättern ist die beste Alternative. Hier geht's auch online. Mehr Kunstbuchtipps gibt's hier in Kürze!

Manche Galerien bieten jetzt auch Einzelführungen an, z.B. Taubert Contemporary in Charlottenburg, wo am Samstag die Ausstellung von Manuel Franke beginnt.

Bewerbungsmappenzeit

Wir hören von vielen Künstler*innen, deren Ausstellungen derzeit abgesagt oder verschoben werden. Das Coronavirus bietet vielleicht auch die Möglichkeit zur Entschleunigung und Zeit, neue Dinge zu planen. Bewerbungsmappenzeit!

Die von Galerist Matthias Arndt ins Leben gerufene Ausstellung „Berlin Masters“ versteht sich als Talentshow für junge Künstler*innen. Wer 2020 mitmachen möchte, ist jetzt eingeladen, sich für einen Open Call zu bewerben. Bedingung: Man sollte unter 30 Jahre alt sein und in Berlin leben und arbeiten. Ein ausgefülltes Anmeldeformular kann man bis 22. März an Valeska Hageney, valeska@berlinmastersfoundation.com schicken. Weitere Infos und das Anmeldeformular gibt’s hier.

Wer 2021 drei Monate in der Villa Kamogawa in Japan leben und arbeiten möchte: Das Goethe-Institut bietet zwölf Künstler*innen aus Deutschland ein Stipendium. Eine Altersbeschränkung besteht nicht. Die Bewerbungsfrist läuft und endet am 26. März 2020. Infos hier.

Und wer recherchieren will: Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa vergibt im Jahr 2020 Recherchestipendien im Bereich Bildende Kunst. Bewerbungsfrist: 26. März. Infos hier.

Rezensionen zum Nachlesen, Podcasts zum Hören

Als schon kaum mehr jemand nach Rom fliegen wollte, hat Tagesspiegel-Autor Bernhard Schulz es trotzdem getan und sich die Raffael-Ausstellung in der Scuderie del Quirinale angesehen. Es hat sich gelohnt. „Benommen von so viel Schönheit wie auch Antiken-Gelehrsamkeit“ torkelte er aus der Schau.

„Warum Isolation künstlerisch produktiv sein kann“ – interessantes Gespräch mit Chef-Denker Bazon Brock auf Deutschlandfunk Kultur. Einfach mal drüber nachdenken, wie man die Zeit der Coronakrise produktiv nutzen könnte.

Wer besitzt das Urheberrecht, wenn etwa ein Gemälde von einer künstlichen Intelligenz kreiert wird? „Trotz des fortschreitenden Einsatzes von KI in der Kunst sieht die Regierung keinen Anlass für eine Neuregulierung“, schreibt Tagesspiegel-Autorin Sonja Álvarez: „Schlicht ,nein' lautet die Antwort von Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf die Frage, ob es besonderer Regeln bedarf. Kein Wunder, wenn uns die KI irgendwann meilenweit voraus ist.“

Meet the experts – ganz ohne Händeschütteln. Die Berliner Museen haben Millionen Ausstellungsstücke, die niemand zu sehen bekommt, weil sie in den Depots lagern. Hier erfährt man, wer sich in der Gemäldegalerie, im Stadtmuseum und in der Südsee-Abteilung des Ethnologischen Museums um die Archive kümmert.

Reinhören: in den Podcast „Dialogues“ von Supergalerist David Zwirner. Darin unterhält sich der Galerist jeweils mit zwei Künstler*innen darüber, wie sie die Kunst und die Welt sehen. Wir empfehlen die Episode mit dem Turner-Prize-Gewinner Oscar Murillo und dem Literaten Charles Henry Rowell, der das afrikanisch-amerikanische Literaturmagazin Callaloo gegründet hatIst auf Englisch.

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