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Neues vom Planeten MODE: Die kurze Revolution

Das ästhetisch Unfassbare ist Wirklichkeit geworden: Timo Feldhaus über die neuen Sommerhosen im Berliner Straßenbild.

Die kurze Hose für den Mann, das schien in der Mode eine feststehende Wahrheit: das geht nicht. Wer männlich ist und älter als 14 Jahre, trägt kein kurzes Beinkleid. Shorts gehören, bis auf die Lederhose, in das Segment der Freizeitbekleidung, wenn sie überhaupt irgendwohin gehören. Es galt die Regel: Zwischen Knöchel und Hüfte ist keine Haut sichtbar.

Spätestens in diesem Sommer musste man sich allerdings umschauen. Auf urbanen Bürgersteigen hat sich eine Wandlung vollzogen. Das ästhetisch Unfassbare geschieht, und auf blanken Beinen spielt sich eine Revolution ab. Wer modebewusst daherstaksen möchte, trägt plötzlich Shorts. Und nicht zu knapp. Kurze Hosen werden nicht mehr nur von Fußballern, Surfern oder Urlaubern getragen. Wo in vergangenen Sommern noch aus verschwitzter Verlegenheit in die hintere Ecke des Kleiderschranks gegriffen wurde, kann der moderne Mann heute die ersten Sonnenstrahlen nicht abwarten, bei denen man Bein zeigen darf.

Doch man muss sich nicht nur trauen, man muss die Shorts auch tragen können. Dazu braucht es allerdings nur wenige Muskeln, die Beine müssen noch nicht einmal braun sein. Das kurze und knappe Beinkleid ist die logische Fortsetzung von den Skinny-Jeans Hedi Slimanes und der Röhre von Acne, in denen auch die Jungs, um hineinzupassen, dünn sein müssen. Das Tragen der kurzen Hose wird so zu einer bewussten modischen Entscheidung, einem Statement. Die neuen Sommerhosen sind kurz oder knielang, niemals gehen sie über die Knie, in jedem Fall sind sie sehr eng geschnitten. Bermudas und Cargohosen werden endgültig ausgemustert.

Wie öffentlich dürfen, wie privat müssen die Beine des Herrn denn nun sein? An männlichen Oberschenkeln vollzieht sich eine der letzten Emanzipationsfragen der Mode. Der stilbewusste Mann fühlt sich neuerdings fast so verwegen wie die Frauen, die Anfang der 60er Jahre in den von Mary Quant entworfenen Miniröcken durch London swingten.

In der professionellen Modewelt ist die kurze Hose längst fester Bestandteil der Sommerkollektionen. Für die Sommersaison 2008 zeigen vor allem Miu Miu und Balenciaga die auffälligsten Entwürfe. Auf der Straße werden die knappen Shorts am liebsten mit Boots- oder schlichten Leinenschuhen kombiniert. Gerne auch Espandrillos. Niemals Flipflops. Die Shorts sind nicht das Pendant der weiblichen Hot Pants. Zwar lösen sie auch eine gewisse Sexiness ein, doch die Träger beziehen sich eher auf den klassischen Stil des Regattakapitäns oder Polospielers. Sie sind ordentlich gescheitelt, geben sich sportlich, gebildet und preppy. Denn nicht nur metrosexuelle Poser tragen die hübschen Höschen – mit einem Zweireiher kombiniert, werden sie endgültig aus dem Segment Freizeit fortgetragen, mit erfrischendem Wind um die Waden eilt man nun ins Büro. Die Blicke der Gestrigen in ihren schwitzigen Hosenanzügen folgen.

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