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Kultur: Neues vom Herrn Brecht

Erdmut Wizisla, Leiter des Berliner Brecht-Archivs, zu den in der Schweiz entdeckten Manuskripten

Herr Wizisla, in Bern hat der Schweizer Literaturwissenschaftler Werner Wüthrich Material gefunden, das Bertolt Brecht betrifft, der von 1947 bis 1949 in der Schweiz lebte. Worum handelt es sich?

Zu Tage gekommen ist ein großes Konvolut mit bisher unbekannten BrechtTexten, Brecht-Manuskripten, Bühnenmanuskripten und Briefen, die Brecht bei seiner Übersetzerin und Gastgeberin Renata Mertens-Bertozzi zurückgelassen hat. Auch die wichtigen Arbeitsmaterialien dieser Mitarbeiterin gehören zum Konvolut. Besonders aufsehenerregend ist dabei eine Mappe zum Keuner-Komplex, mit 12 bisher unbekannten Keuner-Geschichten. Diese Mappe gibt Aufschluss über die Entstehungsgeschichte der Keuner-Texte und Brechts Arbeit an poetischen Entwürfen überhaupt.

Muss die Brecht-Rezeption, zumindest was die Schweiz betrifft, neu geschrieben werden?

Wüthrich hat in seinen Forschungsarbeiten die Geschichte der Beziehungen Brechts zur Schweiz völlig neu durchleuchtet. Er erhielt von uns den entscheidenden Hinweis auf Frau Mertens-Bertozzi. Frau Bertozzi ist im Jahr 2000 gestorben. Ihre Töchter haben das Material dem Brecht-Archiv zur wissenschaftlich gesicherten Aufbewahrung angeboten.

Worauf gründet sich die Geheimnistuerei um den Fund? Zu lesen gab es bisher nichts.

Wüthrich hat nicht übertrieben, als er die Bedeutung des Fundes öffentlichkeitswirksam beschrieb. Und es handelt sich tatsächlich beim Angebot der Erben um das bedeutendste, das dem Bertolt-Brecht-Archiv je unterbreitet wurde. Nur ist es gerade beim Wert des Fundes notwendig, über die Verhandlungen Stillschweigen zu bewahren. Ich werde mich deshalb auch nicht zu den komplizierten rechtlichen Fragen äußern. Bevor nichts abgeschlossen und unterschrieben ist, geht die Akademie nicht an die Öffentlichkeit.

Der Schweizer Staatsschutz spielt, was Brechts Aufenthalte in der Schweiz anbelangt, keine ruhmvolle Rolle. Sogar die Uraufführung des „Puntila“ am Zürcher Schauspielhaus schien gefährdet. Geben die Dokumente auch über diese Vorgänge Aufschluss?

Was in diesem Zusammenhang unlängst bekannt geworden ist, stützt sich auf die Akten des Schweizer Staatsschutzes, die jetzt zugänglich sind. Aus ihnen geht hervor, dass Brecht verdächtigt wurde, ein Komintern-Agent zu sein. Sogar eine geheime Sendeanlage auf dem Dachboden seines Zürcher Wohnhauses soll er betrieben haben.

Wann wird das Bertolt-Brecht-Archiv mit dem Schweizer Fund arbeiten und ihn der Öffentlichkeit präsentieren können?

Ich sage noch einmal: Die Verhandlungen laufen. Zu gegebener Zeit werden die Akademie der Künste und das Bertolt-Brecht-Archiv die Öffentlichkeit umfassend informieren. Sobald das Material im Archiv ist, wird es dann auch zugänglich sein.

Die Fragen stellte Christoph Funke.

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