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Musikalische Seelenverwandte: Alex Scally und Victoria Legrand.

© David Belisle

Neues Doppelalbum von Beach House: Die AC/DC des Dreampop

Schweben im Glitzernebel: Beach House bleiben ihrer Formel auf „Once Twice Melody“ treu. Das Doppelalbum genießt man am besten in kleinen Dosen.

Für Musikschaffende ist Corona vor allem eins: so richtig schön ätzend. Keine vollen Konzertsäle, kein Kontakt zu den Fans, viel weniger Einnahmen. Wie erfrischend, da auf eine Band zu stoßen, die der Pandemie etwas abgewinnen kann. Mehr noch: die sie sogar als „Zeichen des Universums“ deutet, wie sie dem Magazin „Time Out“ erklärt hat. Für Beach House geht die Gleichung nämlich so: keine Tour, keine Deadlines, keine Eile.

So konnten Victoria Legrand und Alex Scally drei Jahre lang an „Once Twice Melody“ (Pias/Bella Union) basteln. Dabei herausgekommen ist ein Doppelalbum mit 18 Songs, fast anderthalb Stunden Musik. Seit November sind jeden Monat vier bis fünf Songs erschienen, am Freitag folgt nun das letzte Kapitel. Ein ausuferndes Werk, das Geduld erfordert.

Die beiden sind kein Paar, nur Freunde

2004 kommt Victoria Legrand vom abgebrochenen Schauspiel-Studium in Paris zurück in die USA, wo sie einen Großteil ihrer Jugend verbracht hat. Im Gepäck bringt die Sängerin und Keyboarderin eine Entscheidung mit: Nicht dem Theater will sie ihr Leben widmen, sondern der Musik. Wie schon ihr Onkel, der Filmkomponist Michel Legrand.

Victoria Legrand zieht ins damals nicht gerade hippe Baltimore. Dort lernt sie Alex Scally kennen, Gitarrist und ebenfalls Keyboarder. Die beiden sehen sich sofort als „musikalische Soulmates“, wie sie später erklären. Was sie zu Beginn ihrer Karriere auch immer wieder erklären müssen, ist ihr Beziehungsstatus. Nein, sie sind kein Paar, nur Freunde. Diese Freunde spielen 2006 ihr selbstbetiteltes Debüt ein, der Durchbruch folgt vier Jahre später mit dem dritten Werk „Teen Dream“. „Once Twice Melody“ ist mittlerweile ihr achtes Album, zum ersten Mal haben sie es in Eigenregie produziert.

Wie gemacht für den begleitenden Drogenkonsum

Beach House zielen mit ihrer Musik auf einen Zustand ab: ein traumgleiches Schweben. Sie machen Dreampop à la Cocteau Twins mit einem Schuss Velvet Underground. Musik wie gemacht für den begleitenden Konsum bewusstseinserweiternder Mittel, die gleichzeitig selbst wie eine Droge wirken kann.

Für „Once Twice Melody“ haben sie sich erstmals Streicher mit ins Studio geholt. Die durchsegeln auch gleich den eröffnenden Titeltrack. Er klingt sanft heran, wie beinahe alle Songs der Platte. Eine Akustikgitarre bindet fortwährend ihre Klangschleifen, die Synthies tirilieren, darunter rollt ein Schlagzeug entspannt vor sich hin. Der Song läuft und läuft, die Band justiert ihn immer um eine Schattierung nach.

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So massig der Sound am Ende anmutet, ist er doch fein austariert. Alles hallt ineinander und verbindet sich zu einem glitzernden Nebel. Darin klingt Viktoria Legrands Stimme kühl und entschieden, ein bisschen wie Nico oder eine gezähmte Version der Jefferson-Airplane-Sängerin Grace Slick. Sie singt: „Nights fly by, in her mind, all along the boulevard, she tries to understand, a never never land.“ Das mutet vage poetisch an, ist vor allem aber betont bedeutungsoffen. Alles schwebt im Ungefähren und passt damit gut zum Sound der Band.

Minimale Abweichung, sofortiger Wiedererkennungseffekt

Abrupte Wechsel gibt es bei Beach House generell nicht. Auf „Once Twice Melody“ gilt ebenfalls: kein Aufbäumen oder Ausbrechen aus den bekannten Mustern. Ein Großteil der Songs pendelt sich zwischen vier und fünf Minuten ein. „Over And Over“ in der Mitte des Albums durchbricht mal die Sieben-Minute-Schallgrenze, doch auch dabei machen sie nicht viel anders: Sie lassen das Stück in der zweiten Hälfte vor sich hin trudeln und rauschen, während die Synthies einen gewaltigen Chor formen. Dann verhallt der Song wieder.

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Beach House haben einen eigenen Sound etabliert. Sie sind gewissermaßen die AC/DC des Dreampop: gleichbleibendes Rezept, minimale Abweichung, sofortiger Wiedererkennungseffekt. Halt, das greift natürlich zu kurz! Klanglichen Minimalismus kann man dem Duo beileibe nicht nachsagen. Doch so sehr Beach House den Sound ihres neuen Albums auch um Nuancen variieren, mehr und mehr Instrumente hereinholen und das Ganze schon mal in einen Walzertakt packen („Another Go Round“), letzten Endes bedient alles dieselbe Melancholie. Die repetitive Struktur hält die Band genauso konstant wie das schleppende Tempo.

Die Unterscheide sind weggeschliffen

2015 standen Victoria Legrand und Alex Scally schon einmal mit einer ähnlichen Materialfülle da. Damals haben sie die Songs für ihre Platten „Depression Cherry“ und „Thank Your Lucky Stars“ zeitgleich aufgenommen, dann aber im Abstand von zwei Monaten getrennt voneinander veröffentlicht. Jedes dieser beiden Alben klingt abwechslungsreicher als „Once Twice Melody“.

Sieht ganz so aus, als hätten Beach House diesmal so viel Zeit im Studio gehabt, dass sie die Unterschiede zwischen den 18 Songs weggeschliffen haben. Daher sollte man der Hörempfehlung der Band folgen, die die Platte nicht ohne Grund in Kapiteln veröffentlicht hat. Wenn man das Album als Sammlung von vier EPs versteht und es so kennenlernt, ein Häppchen nach dem anderen, kommt die Finessen dieser Stücke durchaus zur Geltung. Für die Droge Beach House gilt diesmal: Je kleiner die Dosis, in der man sie genießt, desto intensiver der Rausch.

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