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Große Klappe und viel dahinter. Ezra Koenig ist Sänger, Songschreiber und Gitarrist der US-Indieband Vampire Weekend.

© Monika Mog

Neues Album von Vampire Weekend: Mehr Spaß beim Fremdgehen

Vampire Weekend liefern mit ihrem Album „Father of the Bride“ die große Pop-Illusion. Doch die Band um Ezra Koenig dekonstruiert sie auch gleich wieder.

Wenn das dreist-fröhliche Klavier geradewegs Richtung Pop-Seligkeit hüpft, drückt man entweder erschrocken die Stopptaste oder schiebt den Lautstärkeregler immer weiter nach oben, bis man in der Fußgängerzone unangenehm auffällt. „Walking On Sunshine“ für die späten zehner Jahre – love it or leave it, scheinen Vampire Weekend zu sagen, und packen gleich noch Streicher, Gospel-Background-Sängerinnen, ja ganze Chöre obendrauf. „Harmony Hall“ heißt dieser Song und er illustriert den Größenwahn ganz prächtig, der auf „Father of the Bride“ regiert, dem vierten Album der Band aus New York. Doch diesmal gilt: große Klappe und auch ziemlich viel dahinter.

Auf der Platte steht er an zweiter Stelle von insgesamt 18 Songs, doch bei vielen Fans hat „Harmony Hall“ schon seit Monaten die Pole Position auf den Smartphones inne. Das Stück ist eines von sechs Liedern, die die Band vor dem Plattenrelease veröffentlicht hat, um die Wartezeit zu verkürzen. Doch der Zug ist eh schon abgefahren: Sechs Jahre sind seit dem Vorgänger, Nummer-Eins-Album und Grammy-Gewinner „Modern Vampires of the City“ verstrichen. In der Popwelt eine Ewigkeit.

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Ezra Koenig, Gitarrist, Sänger und Songschreiber von Vampire Weekend, sieht das ganz anders. Auf Instagram schreibt er, die Band habe diesmal zwischen den Aufnahmen einfach mehr gechillt. Vielleicht spielt auch noch eine Rolle, dass der Kreativbolzen nebenbei an der Netflix-Anime-Serie „Neo Yokio“ gearbeitet hat, eine eigene Radiosendung moderiert und auch mal für Beyoncé einen Song schreibt. Ach ja, Vater ist er im vergangenen Jahr auch noch geworden.

Lang, lang ist’s jedenfalls her, dass sich Koenig am New Yorker Columbia-College mit Drummer Christopher Tomson, dem Bassisten Chris Baio und dem inzwischen wieder ausgestiegenen Multi-Instrumentalisten Rostam Batmanglij zusammengetan und nach einem eigenen, nie vollendeten Billig-Horrorfilm benannt hat. Vampire Weekend, das waren die Poloshirt-Träger unter den Indie-Kombos, immer auch ein bisschen verhätschelt, Elite-College halt. Dabei wurden sie zu einer der ersten Internet-Hype-Bands: In den Blogs hoch gehandelt und bei David Letterman schon auf der Bühne, bevor das selbstbetitelte Debüt überhaupt 2008 in die Läden und Onlineshops kam.

Das Album bietet einige überraschende Veränderungen

Um ihren Auskenner-Pop zu beschreiben, sprach man damals noch ungeniert von „Weltmusik-Einflüssen“, der Vergleich zu Paul Simons' „Graceland“ war allgegenwärtig, später auch die Kritik an ihrem „musikalischen Imperialismus“. Davon ist auf „Father of the Bride“ nicht mehr viel zu hören, höchstens mal ein Zitat wie die südpazifischen Gesänge aus Hans Zimmers Soundtrack zu „The Thin Red Line“. Die bringt die Band gleich im Opener „Hold You Now“ unter, einem Song, der so folkig beginnt, wie man es von Vampire Weekend noch nicht gehört hat: nur Koenigs hohe, etwas spitze Stimme zu Akustikgitarre und Vogelgezwitscher.

Dann Kurswechsel Richtung Salomoninseln, Chorgesänge, die elektronisch ausfransen, bevor der Song den nächsten Haken schlägt: Slide-Gitarren-Gequengel, dazu eine Frauenstimme – auf einem Vampire-Weekend-Album! Auch das eine Premiere. Damit fassen die ersten zweieinhalb Album-Minuten schon ganz gut zusammen, was auf „Father of the Bride“ sonst so alles passiert.

Der erste musikalische Gast der Bandgeschichte ist Danielle Haim, sie kommt gleich in drei Songs zum Zug. Nicht ganz zufällig, schließlich wurden die beiden Platten ihrer Schwestern-Kombo Haim von Ariel Rechtshaid mitproduziert. Der sitzt seit „Modern Vampires of the City“ auch bei Vampire Weekend an den Reglern. Diesmal hat er sich dort mit Ezra Koenig regelrecht verschanzt, um die Klangideen, die dieser körbeweise angeschleppt hat, in einen einheitlichen Sound zu pressen – noch ein Grund, warum das Album so lange auf sich warten ließ.

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Manchmal geht die Produzierwut mit den beiden durch. Dann türmen sie Schicht um Schicht auf die armen Songs: runtergepitchte Stimmen, Autotune-Spielereien, Loops und Sprachsamples. Am schlimmsten hat es „Sympathy“ erwischt, das klingt, als würden die Gipsy Kings einem Mädchenchor hinterherklatschen, bevor sie ein Kontrabass verjagt, der kurz darauf selbst von einem stumpfen Technobeat zermalmt wird. Da möchte man all das Producer-Geprotze einfach wegschieben, um das Stück darunter zu hören.

Denn Ezra Koenig hat es immer noch drauf, diese Pop-Melodien zu schreiben, die sich im Unterbewusstsein festkrallen und einfach nicht mehr loslassen, bis der Befallene zugibt: Ist schon ziemlich klasse. Wenn Koenig zum Beispiel bei „This Life“ über Untreue und andere Enttäuschungen der Liebe singt, gerät das in etwa so traurig wie ein Rummelplatz-Besuch auf Coney Island, bei dem „Walk of Life“ von den Dire Straits aus den Lautsprechern ballert. Die Gitarre dengelt sich durch eine sonnige Hookline, dazu singt Koenig: „You’ve been cheating on me, but I’ve been cheating through this life, and all its suffering.“ Da will man gleich mit raus in die Frühlingssonne und, nun ja, fremdgehen.

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Allem Eklektizismus zum Trotz klingen Vampire Weekend am Ende doch immer wieder nach Vampire Weekend. Und das, obwohl die Stücke inzwischen nicht mehr in einem Guss eingespielt, sondern im Studio zusammengefrickelt werden. Dabei hat die Band keine Angst vor Momenten der Stille, man hört die Nähte zwischen den Flicken in ihrem Sounddress. Das Getüftel geht so weit, dass bei „My Mistake“ die große Pop-Illusion direkt neben ihrer eigenen Dekonstruktion steht. Für Momente wird „Father of the Bride“ dann zur freundlich umarmenden Variante von Bon Ivers Meisterwerk „22, A Million“.

Wie Kinder, die gerade erwachsen geworden sind, bedienen sich Vampire Weekend aus dem Baukasten der Musikgeschichte. Manche Klötzchen passen ineinander, andere Konstruktionen fallen gleich wieder in sich zusammen. Doch egal, wie lange die Band beim Bauen auch grübelt – den Spaß am Spielen lassen sie sich nicht verderben.

„Father of the Bride“ erscheint am 3. Mai bei Smi Col (Sony Music)

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