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Ein Mann und seine Seele. Der Hamburger Liedermacher Niels Frevert, 46.

© Erik Weiss/Grönland

Neues Album von Niels Frevert: Lieder, die mit dir mitleben

Mächtig und zart: Niels Freverts Lieder sind wie Romane in drei Minuten. Jetzt bringt der Hamburger Songwriter sein neues Album „Paradies der gefälschten Dinge“ heraus.

Gleich vorweg: Es geht hier nicht um Stadionrock. Niels Freverts Musik ist unaufdringlich, nah, freundlich. Die Lieder des Hamburger Songwriters feiern nicht einen Höhepunkt nach dem anderen ab, sie gehen tief. Es sind Lieder über das Leben, Lieder, die mit dir mitleben. Lieder, die bei dir bleiben, wie der Erzähler in „Schwör“, der einen Freund in der Psychiatrie anruft und ihm sagt: „Du kommst da lebend raus!“ Romane in drei Minuten.

Niels Frevert hat ein neues Album aufgenommen, sein fünftes. Mit der Band Nationalgalerie hatte er Anfang der Neunziger vier weitere herausgebracht – lange her. Nun erscheint am Freitag „Paradies der gefälschten Dinge“. Es ist voller kleinster und größter Geschichten, voll mit vertrackten Melodien und fantastischen Sätzen wie: „Deine polnischen Abgänge werden mit jedem Mal formidabler.“ Wer sich drauf einlässt, wird belohnt.

Zehn Stücke, getragen von Freverts etwas rauem, etwas traurigen, sehr kräftigen und warmen Gesang. Eine Feier der Melancholie, aber eben: eine Feier. Wie in der ersten Single, „Das mit dem Glücklichsein ist relativ“. Im Musikvideo fährt die Kamera durch eine menschenleere Neubausiedlung. Trampoline und Klinkerputz, Ytong-Steine und Betonmischer, Familienkutschen und Gartengerät. Frevert singt von einem nicht ganz gelingenden Heiratsantrag, dazu ein leichtfüßiges Bläser-Arrangement, ein flottes Schlagzeug, dann der Refrain: „Und plötzlich wird meine Hand von deiner gehalten / und plötzlich will ich irgendwann mal alt werden.“ Und wie schön das ist!

Niels Frevert ist 46 Jahre alt, hübsch, zierlich, norddeutsch, wenn er den Raum betritt, steht da kein Popstar, sondern ein freundlicher, bescheidener, begeisterter Künstler. Die Freude über das neue Album ist ihm anzumerken. Knapp drei Monate hätten die Aufnahmen gedauert, erst live mit Viererband, dann die Streicher, die Gastmusiker. Durchaus opulent ist das alles geworden, mächtig und zart. Und warum auch nicht? „Die Songs haben es hergegeben“, sagt Frevert. Er wollte den großen Klang. Auch, weil er die Agentur gewechselt hat und das Label – „eine Zeit, die dazu einlädt, etwas zu wagen, sich nicht zu verstecken.“

Niels Frevert wollte weg aus der Indie-Welt

Dabei geholfen hat Olsen Involtini (Seeed, Peter Fox) am Mischpult. Der kommt aus dem Dancehall, Hip-Hop – ein erfrischender Perspektivwechsel: „Wir haben uns immer in der Mitte getroffen: Wir überraschen ihn zuerst, dann überrascht er uns zurück“, sagt Frevert. Das Ergebnis? Wunderbar! „Zum Beispiel in ,Schwör‘, das Intro zum Chorus, dieses ,Dadadadadadadadadaaaaaa!‘ – das hat Mut zur Größe!“ Frevert schwärmt, grinst. Er sieht relativ glücklich aus.

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Seine vorherigen Alben waren bei Tapete Records erschienen, zuletzt „Zettel auf dem Boden“ Ende 2011. Der Vertrag lief aus, und Frevert wollte auch etwas Neues. Gelandet ist er bei Grönland, dem Label von Herbert Grönemeyer, 1999 gegründet. Sein Wunschlabel, „klein, konzentriert, professionell“. „Ich wollte weg aus der Indie-Welt“, sagt Frevert. Aber die Nerven für ein Major-Label hatte er nicht – „und nicht die richtige Musik“. Also Anfrage, es passte, so schnell kann es gehen.Raom

Und jetzt? Drei Jahre nach der letzten Platte? Hat gedauert, oder? Ach, sagt Frevert, ein Jahr lang tourt man, ein Jahr lang schreibt man neue Songs, ein halbes Jahr nimmt man das neue Album auf und bringt es heraus – und schon ist heute. Ging doch also eigentlich ganz schnell! Gerade für einen Perfektionisten wie ihn. Für jemanden, der Sätze und Melodien sammelt, Kladden vollschreibt, sichtet, überarbeitet, verdichtet.

Musik sei der „rote Faden“ in seinem Leben“, sagt Frevert. Er hat ihn früh aufgenommen: 1991 erschien das erste Nationalgalerie-Album, 1993 hatten sie mit „Evelin“ ihren größten Hit, 1997 löste sich die Band auf. Im Januar dieses Jahres ist die Werkschau „Alles“ mit sechs CDs und DVDs erschienen (Rakete Medien). Wie geht man mit so einer Retrospektive um? Die Interviews für die DVD und auch das Anschauen der Interviews mit den anderen Ex-Nationalgaleristen seien ihm nahegegangen, sagt Frevert. Aber er habe längst den Schnitt gemacht, auch die alten Stücke nie live gespielt. Aber: „Jetzt kann ich noch besser loslassen.“ Und schön auch zu merken: „Das sind immer noch mit meine besten Freunde.“

Ein Mann und seine Gitarre, seine Lieder, seine Seele

Nach dem Break 1997 startete Frevert seine Solokarriere. Das war wichtig für ihn, sagt er, sich neu zu sortieren. Inzwischen mache er bewusster Musik, fühle sich näher dran an seinen Liedern. „Es ist nicht mehr: Wo ist die Party nach dem Konzert? – jetzt geht es um das Konzert.“

Ein Mann und seine Gitarre, seine Lieder, seine volle Seele: Niels Frevert steht in einer Reihe mit Musikern wie Tom Liwa, Gisbert zu Knyphausen oder dem 2012 verstorbenen Nils Koppruch. „Das sind Typen, die haben eine Mission zu erfüllen. Die können 300, 500 Leute ein paar Stunden lang unterhalten, nur mit einer Gitarre.“ Man kennt sich, auch privat, aus Hamburg, aus der Szene, ein Netzwerk der Einzelgänger. „Gut, dass es links und rechts noch jemanden gibt.“

Ebenfalls jetzt kommt bei Trocadero Records eine Tribut-Doppel-CD für den großen Indie-Western-Beschwörer Nils Koppruch und seine Band Fink heraus. Auch Niels Frevert hat einen Cover-Song beigesteuert, „das ist eine Familienangelegenheit“, sagt er. Er spielt Koppruchs wunderbar trauriges „Als einer einmal nicht kam“, ganz leicht, ganz simpel. Auch ein Lied, das bei dir bleibt.

Das Album erscheint am 22. August bei Grönland Records. Niels Frevert spielt am 11. Dezember im Berliner Lido.

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