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Metallica-Sänger James Hetfield

© Jörg Carstensen/dpa

Neues Album von Metallica: Unter den Fittichen von Brioni

Endlich wieder Lust auf verzwickten Metal: „Hardwired...To Self-Destruct“, das neue Album von Metallica, ist eine Art Befreiungsschlag.

Warum nicht noch einmal das Image ganz neu aufpolieren? Gerade wenn das mit dem eigenen Sound nicht mehr so wirklich hinhaut. Wer wie Metallica seit einer halben Ewigkeit im Rock- und Metalzirkus seine Runden dreht, um genau zu sein: seit 1982, darf auf so einen Gedanken schon einmal kommen. Für ihr neues Album „Hardwired...To Self-Destruct“, das zwölfte in ihrer Karriere, haben Metallica sich unter die Fittiche des italienischen Edel-Herrenausstatters Brioni begeben und posieren, statt wie üblich in Jeans-T-Shirt-Turnschuh-Look, in gut geschnittenen, weißen Anzügen. Die Message ist subtil: Wir als Band modeln jetzt. Wir mögen albern und wie Zuhälter in diesen Anzügen aussehen, aber wir tun das als Einheit.

Mit „Hardwired...To Self-Destruct“ wollen Metallica lange Phasen des Selbstzweifels und der permanent spürbaren Desorientiertheit vergessen machen. Was ihnen mit einer Mischung aus viel hartem Metal wie ehedem und so manchem Popmoment auch gelungen ist. Aber was war doch allein ihr letztes, mit dem inzwischen verstorbenen Rockunikat Lou Reed eingespieltes Album „Lulu“ für ein Desaster! Lou Reed grummelte etwas vor sich hin, die Band aus San Francisco schrammelte was dazu, nichts passte zusammen. Das Album ist ein Witz ohne Pointe. Eine der größten, einflussreichsten und erfolgreichsten Bands des Universums hatte mit „Lulu“ bewiesen, dass sie nach über 30 Jahren im Musikgeschäft und 100 Millionen verkaufter Alben immer noch für Überraschungen gut ist. Für negative, versteht sich: für einen definitiven Tiefpunkt.

Wie glaubwürdig ist Trash Metal von einer Gruppe von Multimillionären?

In den frühen achtziger Jahren lief für Metallica, abgesehen vom tragischen Tod ihres Bassisten Cliff Burton, alles rund. Das Debütalbum „Kill Em’ All“ gilt heute noch als bahnbrechend für den sogenannten Thrash Metal, der härter war als alles, was die Rockwelt vorher so zu bieten hatte, und dennoch bald ungemein populär werden sollte. Danach erschien von Metallica ein Meisterwerk nach dem anderen. Die Band um Sänger und Mastermind James Hetfield wurde immer größer, irgendwann riesig, insbesondere in den rockdominierten neunziger und frühen nuller Jahren – bis die ersten Sinnfragen auftauchten. Denn kann man als Gruppe von Multimillionären noch glaubwürdig diesen wütenden Thrash Metal runterknüppeln, diesen Sound der unterprivilegierten Jugend?

Insbesondere die Arbeit an dem 2003 veröffentlichten Album „St. Anger“ geriet zur Farce. In dem sehenswerten Dokumentarfilm „Some Kind Of Monster“ bildet sich die Zerrissenheit der Band gut ab. Man erlebt hier eine Zweckgemeinschaft, die dazu verdammt ist, dass jedes Album weltweit die Nummer eins in den Charts werden muss. Verzweifelt sind die Bandmitglieder auf der Suche nach Kreativität und Inspiration, obwohl sie sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Hetfield kämpft mit Alkoholproblemen, und selbst der Psychologe, der im Studio den Bandspirit erneuern oder wenigstens in die richtige Balance bringen soll, wirkt irgendwann ratlos.

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„Hardwired...To Self-Destruct“ ist nun so was wie ein Befreiungsschlag. Nicht nur die Brioni-Kampagne, auch die Videos zu den ersten drei Songs, die alle auf einen Schlag veröffentlicht wurden, sind eindeutige Performance-Clips. Sie zeigen eine Band, die wieder so richtig Lust auf ihren Job hat. Vor allem im Video zu „Atlas, Rise!“ sieht man die Musiker von Metallica, wie sie im Studio gerade den Spaß ihres Lebens zu haben scheinen – als bewusste Antithese zu dem Dokumentarfilm „Some Kind Of Monster“. Sie machen Scherze, umarmen sich, spielen Luftgitarre. Und tragen dabei übrigens keine Anzüge, sondern Casual.

Die Metalmaschine walzt frisch geölt und poliert voran

Dass die Band sich wieder gefunden hat, kann man nicht nur sehen, sondern tatsächlich auch hören. Hart, aber auch melodiös, das ist die klassische Metallica-Formel und die zieht sich endlich wieder gelungen durch ein ganzes Metallica-Album. Dabei funktioniert jeder der 12 Songs, die insgesamt auf fast achtzig Minuten Spielzeit bringen, unterschiedlich. Gleich das Intro „Hardwired“ ist eine etwas über drei Minuten lange, für Metallica-Verhältnisse rekordverdächtig kurze Thrashnummer ohne jeden Schnörkel. Gleich danach werden die Songs immer länger und bieten Raum für alle möglichen Einfälle. Da ist etwa dieser betörende Chorus in „Moth Into Flame“. Der führt dazu, dass man nie genau weiß, ob dieses Stück nun eine harte Metal- oder fast schon eine Popnummer ist.

In „Halo On Fire“ wird James Hetfields Gesang plötzlich mit Effekten unterlegt. Mit etwas Fantasie hört man in dem Stück sogar Anleihen an Psychedelic Rock heraus, was es so bei Metallica auch noch nicht gegeben hat. Und so geht es immer weiter, so wächst und wuchert das Album. Die Stücke werden andauernden Tempowechseln unterworfen, es gibt Gitarrensoli ohne Ende, die Metalmaschine walzt frisch geölt und poliert voran, und ein paar dieser schönen Intros mit gezupften Gitarren gibt es ebenfalls.

Nach einem über ein Jahrzehnt andauernden Durchhänger ist „Hardwired...To Self-Destruct“ ein würdiges Alterswerk geworden. Vielleicht hätte es sogar Lou Reed gefallen.

„Hardwired...To Self-Destruct“ von Metallica erscheint am Freitag bei Universal.

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