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Der Dichter Alexandru Bulucz, 1987 in Alba Iulia, Rumänien geboren

© Renate von Mangoldt/Schöffling Verlag

Neue Gedichte von Alexandru Bulucz: Himmelsleiter mit Traumkraut

Polylinguales Vagabundieren: Alexandru Bulucz’ fulminanter zweiter Gedichtband „Was Petersilie über die Seele weiß“.

Moderne Poesie lebt seit je vom „Traumkraut“ (Yvan Goll), von Schöpfungsmotiven aus dem Bereich von Flora und Fauna, die in unterschiedlichsten Kontexten als symbolisches Kräftigungsmittel eingesetzt werden. Längst ad acta gelegt ist dabei die Manier der deutschen Nachkriegspoesie, die einst in eskapistischer Absicht „Silberdistelklausen“ besang.

Wenn nun der Dichter Alexandru Bulucz in seinem fulminanten zweiten Gedichtbuch die „Petersilie“ ins Zentrum seiner poetischen Topik rückt, dann verdankt sich das seinem feinen ästhetischen Sensorium für die Motivgeschichte der Dichtung und für die Etymologie und Klangverwandtschaft von Wörtern. Diese an der Herkunft der Wörter sich entzündende Sprachbegeisterung, die nach klanglichen und semantischen Wahlverwandtschaften sucht und diese oft mit assoziativer Phantasie und kalkulierten Brüchen in die Gedichte integriert, ist ein Grundimpuls seiner Poesie.

So findet Bulucz über einige Um- und Seitenwege die titelgebende poetische Verbindungslinie zwischen der „Petersilie“ und der „Seele“. In einem aufschlussreichen Nachwort zu seinem Band (Schöffling, Frankfurt

am Main 2020.114 S., 20 €) verweist er auf Belege bei Dostojewski, Marie Luise Kaschnitz, im „Petersilienmassaker“ Hubert Fichtes und im elften Gesang der Odyssee.

Diese an die Wortwurzeln gehende Art des Dichtens hat mit der Zweisprachigkeit des Autors zu tun.

Bulucz wurde 1987 im rumänischen Alba Julia geboren

1987 im rumänischen Alba Julia geboren, hat sich Bulucz immer an jenen polylingualen Regionen zwischen Siebenbürgen und der Bukowina orientiert, die sein großes Vorbild Paul Celan einst als „Gegend, in der Menschen und Bücher lebten“ beschrieben hat. „Geboren im Osten, im Westen des Siebenbürgischen / Beckens, der Gebärmutter, Eltern Musiker, Vater Gesang / u. Gitarre, Mutter Hausfrau u. schrill“:

So beginnen die „Erinnerungen, Defragmentierungen“, in denen der Autor seiner Herkunft auf den Grund geht und von denen er aus zu seinen poetischen Erkundungsgängen aufbricht. Im Juli 2000 setzte man den 13jährigen Alexandru allein in einen Reisebus, der ihn nach Deutschland brachte – was ein Schock war, denn die Ankunft in der Fremde war zunächst eine Heimsuchung, eine Verlorenheit und ein Sprachverlust.

Viele der meist langzeiligen Gedichte im Band „Was Petersilie über die Seele weiß“ sprechen von dieser Erfahrung des polylingualen Vagabundierens zwischen den Sprachen.

Das aufregendste Gedicht des Bandes, das lange Poem „Stundenholz“ verknüpft die zentralen Motive des Autors zu einer bewegenden Litanei über Herkunft und Heimat, Sprache und Religion, eingebunden in die Anrufung zweier Referenzfiguren, nämlich der Dichterinnen Rose Ausländer und Gertrude Stein. Was man durchaus als identifikatorisches Zeichen verstehen darf.

Den formal strengen Rahmen für „Stundenholz“ liefern das katholische Rosenkranzgebet und die Beschwörung christlich-orthodoxer Riten.

So ertönt hier auch das Stundenholz, die sogenannte „Toaca“, das hölzerne Schallbrett, mit dem in den orthodoxen Kirchen zum Gottesdienst gerufen wird. Die Klänge der „toaca“, heißt es, „spannten eine Himmelsleiter auf uns zu u. über uns hinaus.“

Hier gibt es auch Gespräche mit den Geistern

Neben dieser religiös eingefärbten Motivik, die sich auch im Rückgriff auf „Passionslieder“ und die Schmerz-Ikonographie des Isenheimer Altars manifestiert, prägt die Geste emphatischer Reminiszenz viele dieser Gedichte.

Zahlreiche Texte sind als Gespräche mit Geisterstimmen angelegt oder als imaginäre Dialoge mit den Großen der modernen Poesie, etwa mit Joseph Brodsky, Welimir Chlebnikow oder Antonin Artaud. An vielen Stellen werden diese lyrischen Totengespräche und Heimatexpeditionen animiert durch kokettes Spiel mit Metaphoriken der Kulinarik und der Verdauung.

„Digestion" heißt das erste Wort des Bandes, und die erste Zeile gibt die Richtung vor: „Schreiben sei Verdauungsstunde“. Diese Verdauungs-Bildlichkeit arbeitet mitunter mit karnevalesken Pointen, an anderen Stellen ist sie von schwärzesten Todesahnungen durchzogen.

Da der Autor wohl ahnt, dass sein Verfahren der intimen Annäherung an die Hausgötter der modernen Poesie auch Widerspruch provozieren wird, wirft er seinen Kritikern in einer schwungvollen selbstironischen Litanei die einschlägigen Stichworte zu: „Der Herr Bulucz muss an die Kandare… / Er ist ein verwildertes Pferd,…. / Er schnaubt zu viel u. mampft, er weigert sich zu wiehern… / Er schreibt verworren u . in Zeigegesten.…“. Man darf es als Glücksfall begreifen, dass dieser Dichter der Kandare bislang entkommen ist.

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