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Jack White (rechts) mit den Raconteurs, die nach elf Jahren Pause ihr drittes Album veröffentlichen.

© Olivia Jean

Neue Alben von Black Keys und Raconteurs: Duell der Bluesrock-Giganten

Die letzten Gitarrenhelden im Vergleich: Jack White hat mit den Raconteurs ein neues Album aufgenommen, Dan Auerbach mit den Black Keys.

Von Jörg Wunder

Pop wird immer weiblicher, diverser, elektronischer. Das Zeitalter der männlichen Gitarrenhelden, die der sechssaitigen Phallusverlängerung ekstatische Soli entlocken, scheint vorbei zu sein. Natürlich gibt es die großen Alten, die jenseits der 70 weitermachen: Eric Clapton, Neil Young, Jimmy Page, Carlos Santana und andere füllen die Konzertarenen, aber in den Charts spielt ihre Musik keine Rolle mehr.

Sich eine E-Gitarre umzuhängen, ist nur noch eine von vielen Karriereoptionen. Nichts illustrierte den Bedeutungsverlust des Zentralinstruments der Rockmusik so sehr wie die Nachricht, dass die Firma Gibson, neben Fender jahrzehntelang wichtigster E-Gitarren-Hersteller, 2018 kurz vor der Pleite stand.

Doch es gibt Rückzugsgefechte. Und nun den Showdown von zwei jüngeren Meistern der (weißen) Bluesgitarre: Jack White, 43, und Dan Auerbach, 40, gehören zu den wenigen, die in den vergangenen 20 Jahren Impulse gesetzt haben. Am vorigen Freitag erschien „Help Us Stranger“ (Third Man Records), das dritte Album von Whites „Supergroup“ The Raconteurs, die er nach elf Jahren wieder zusammengetrommelt hat. Diese Woche folgen, nach fünf Jahren kreativer Pause, The Black Keys, das sind Auerbach und Schlagzeuger Patrick Carney.

Auf dem Cover: ein elektrischer Stuhl

Ihr neuntes Album heißt „Let’s Rock“ (Nonesuch/Warner), dessen Cover gewinnt das Rennen um die größte Aufmerksamkeit: Während bei den Raconteurs eine ausgestreckte Hand in Ampel-Optik den Titel visualisiert, zeigt „Let’s Rock“ einen elektrischen Stuhl mit einer Aureole aus zuckenden Blitzen. Mit dem Todesinstrument als Covermotiv begeben sich die Black Keys in fragwürdige Gesellschaft: Neben älteren Platten von Electric Light Orchestra oder Metallica landet man schnell bei den Böhsen Onkelz und deren „Es ist soweit“ aus dem Jahr 1990. „Let’s Rock“ waren die finalen Worte von Edmund Zagorski, der 2018 als bislang letzter Mensch auf einem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Gleichzeitig ist es der Imperativ für jene Art von Musik, als deren Retter die Black Keys manchem gelten. Auerbach nennt die Platte eine „Hommage an die elektrische Gitarre“, der Stuhl wird zur Metapher für die unzähmbare Kraft des Rock – was das Motiv nicht weniger geschmacklos macht.

Dan Auerbach und Patrick Carney sind seit 2001 The Black Keys.
Dan Auerbach und Patrick Carney sind seit 2001 The Black Keys.

© Alysse Gafkjen

Die zeitliche Koinzidenz der Veröffentlichungen ist umso auffälliger, als Jack White und Dan Auerbach seit Jahren nicht nur in derselben Stadt – Nashville – leben, sondern auch als Intimfeinde gelten. Der Kern des Streits liegt in Whites Vorwurf, die Black Keys hätten seine frühere Band, die White Stripes, kopiert, Auerbach (und Carney) beschimpften White als psychopathischen Bully. Keine der Seiten machte eine gute Figur, doch der Unterhaltungswert dieses eher im Hip-Hop üblichen Beefs war beträchtlich.

Keifgesang und quietschende Gitarrensoli

Beide Platten, aufgenommen in den wenige Straßenzüge voneinander entfernten Studios der Analogfanatiker White und Auerbach, klingen grandios: warm, druckvoll, lebendig, die Instrumente klar im Raum zu verorten. Fast könnte man glauben, Auerbach und White hätten sich verabredet, so ähnlich sind die Parameter: Beide Alben sind gut 40 Minuten lang, auf beiden befinden sich jeweils zwölf Songs. Beide orientieren sich sowohl stilistisch wie auch in ihrer Klangästhetik an der goldenen Ära des Gitarrenrocks, den frühen bis mittleren 70ern.

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Die Unterschiede spiegeln die Temperamente von White und Auerbach. Jack White ist ein Volldampfmusiker, der gar nicht anders kann, als sich mit größtmöglicher Emphase ins Geschehen zu werfen. Sein übersteuerter Keifgesang und seine wie Fingernägel auf Schiefertafeln quietschenden Gitarrensoli fräsen sich in Songs wie „Bored And Razed“ oder das tobende Anti-Trump-Stück „Don’t Bother Me“, die in ihrer Übertreibung fast wie Parodien auf die pompösen Rockgötter der 70er, etwa Led Zeppelin, wirken – es aber wahrscheinlich nicht sind, denn Humor gehört nicht zu den Kernkompetenzen von Jack White.

Dass „Help Us Stranger“ trotzdem eine über weite Strecken gute Platte ist, liegt daran, dass Whites Ego hier ausbalanciert wird. Nicht nur ist Brendan Benson ein gleichwertiger, aber viel sanfterer Sänger, vor allem beweisen Bassist Jack Lawrence und Drummer Patrick Keeler, dass sie nicht nur brachialen Rumpelrock, sondern auch zart schwebenden Southern Rock wie „Somedays (I Don’t Feel Like Trying)“ beherrschen. Beim schönsten Stück „Now That You’re Gone“ schwingt sich Jack White dann doch zu einem betörenden Solo auf, in dem er eine kurze, aber ergreifende Folge gedämpfter Töne absondert.

Auerbach ist ein geradezu zärtlicher Sänger

Der gewaltige Rumms, mit dem die Black Keys bei „Shine A Little Light“ einsteigen, hätte auch bei den Raconteurs Platz gefunden. Aber wenn der Gesang einsetzt, enden die Parallelen. Dan Auerbach ist ein geradezu zärtlicher Sänger, zudem werden die Refrains gern von einem weiblichen Backgroundchor umspielt. Auch handfeste Stücke wie das an den Boogie-Blues von ZZ Top erinnernde „Eagle Birds“ klingen nie wirklich hart, sondern laid back – was „Let’s Rock“ zur angenehmeren Sommerplatte macht.

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Stilistisch bewegen sich die Keys leichtfüßig in ihrem Referenzsystem, lassen dezent die späten Beatles anklingen („Walk Across The Water“) oder die Power-Pop- Legende Big Star („Every Little Thing“). Humor haben sie auch: Im Video zur Single „Go“ inszenieren sich Auerbach und Carney als verkrachtes Paar beim Therapeuten und im Esoterik-Camp. Und bei „Lo/Hi“ persifliert Auerbach in wenigen Sekunden all die zahnschmelzsprengenden Solomanierismen von Jack White. Kann der sich bestimmt wieder drüber aufregen. Kompositorisch ist aber noch Luft nach oben: „I like big and dumb songs“, sagt Auerbach. So klingt das dann auch, etwa bei „Under The Gun“, das einfach nur pumpender Dicke-Hose-Rock ist.

Bei allem Können stellt sich durchaus die Frage, warum man nicht lieber zu den Originalen greifen sollte: Led Zeppelin (Raconteurs) oder ZZ Top (Black Keys). Dass der Blues bei Jack White und Dan Auerbach ein virtuos beherrschtes Format ohne existenziellen Inhalt bleibt, wird deutlich, wenn man etwa den Texaner Gary Clark Jr. hört. Der Afroamerikaner zieht in einem einzigen Stück wie „This Land“ einen autobiografisch verbürgten Rahmen auf, dessen Erfahrungshorizont meilenweit über dem seiner weißen Kollegen liegt. Das hört man der Musik an, die in ihrer erschütternden Deepness genau das ist, was die Songs von White und Auerbach eben nicht sind: der Blues des 21. Jahrhunderts.

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