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Neo Rauch in Aschersleben: Heimatverbunden

Neo Rauch hat in Aschersleben seine Kindheit verbracht und wollte dem Ort „etwas zurückgeben“. Seit 2012 wird hier – nicht nur seine – Kunst gezeigt.

Quedlinburg mit seiner wunderbar restaurierten Altstadt (Unesco-Weltkulturerbe) hat viele Besucher. Aber wen verschlägt es schon ins knapp 30 Kilometer entfernte Aschersleben, auch wenn es rührend bemüht mit den Worten „Tor zum Harz“ für sich wirbt? Schluss mit dem Dornröschenschlaf! Neo Rauch hat dem 27 000-Einwohner-Städtchen eine gute Dosis Kunst verpasst, nur hat sich das noch nicht so recht herumgesprochen.

In der Obhut der Großeltern

Was hat der international hoch gehandelte Künstler Neo Rauch mit Aschersleben zu tun? Hier wuchs er in der Obhut seiner Großeltern auf, die ihm – ein Baby noch – Vater und Mutter ersetzen mussten. Neo Rauchs blutjunge Eltern waren 1960 bei einem Zugunglück ums Leben gekommen.

Neo Rauchs Lebensmittelpunkt ist seit Langem in Leipzig. „Mir wachsen hier die besten Einfälle zu“, hat er einmal gesagt. Aschersleben aber fühlt er sich nach wie vor verbunden. Er wollte dem Ort seiner Kindheit „etwas zurückgeben“. Aber dass es gleich ein so tolles Geschenk werden würde!

Im Mai 2012 konnte die Grafikstiftung Neo Rauch eröffnen. In einem weißen Riegelbau inmitten eines Parks wird nun Kunst ausgestellt. Vereinbart wurde auch, dass von jeder vorhandenen und noch entstehenden Grafik Rauchs ein Exemplar nach Aschersleben geht. In wechselnden Ausstellungen werden die Werke dieses Künstlers neben spannenden Arbeiten anderer gezeigt.

Das ist auch in der aktuellen Schau „Das Kollegium“ so. [Grafikstifung Neo Rauch, Wilhelmstraße 21,06449 Aschersleben, bis 3. Mai 2020] Hier wird auch das druckgrafische Werk von 19 Künstlerfreunden und Wegbegleitern präsentiert. Manche wie Hans Aichinger und Michael Triegel studierten zeitgleich mit Neo Rauch an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, Hartwig Ebersbach lehrte dort, als Rauch sein Malereistudium begann.

Zu sehen sind aber auch Werke von Künstlern, die wie er ein Atelier in der Baumwollspinnerei in Leipzig haben, oder von Malern und Malerinnen, die Rauch über seine New Yorker Galerie kennenlernte. Darunter etwa die Engländerin Rose Wylie, deren abstrakter, liegender, zitronengelber Akt „After Hyacinth“ besticht. Eine Farbe, die Neo Rauch wohl kaum benutzen würde: „Ich bin nur dann bei mir selbst, wenn ich Fühlung aufnehmen kann zu dem Grundton, der in mir schwingt – ein melancholisches Moll.“

Angelehnt an den sozialistischen Realismus

Sein Ölgemälde „Das Kollegium“, eigens für die aktuelle Ausstellung geschaffen, ist denn auch typisch für seine Formensprache, die dem sozialistischen Realismus angelehnt ist, oft aber eher surreale Züge hat. Auf dem besagten Bild sieht man einen Mann vor einem Tisch stehend, die linke Hand in der Hosentasche, die rechte pinselt wohl auf ein Papier. Ihm gegenüber steht eine Art gehörnter Teufel, der womöglich die Striche und Tupfen des Malers überwacht. Andere Personen sind in eigenes Tun vertieft. Auf dem Rücken eines Mannes baumelt ein Schild mit den Buchstaben TON, umgedreht lesbar als NOT. Eine Zusammenarbeit der Akteure in diesem Kollegium ist nicht zu erkennen. Im Hintergrund müht sich ein Mann, ein Andreaskreuz aufzustellen. Wozu? Rauchs Bild bietet viel Interpretationsspielraum. Dagegen wirkt das Pflanzenbild „Winterschlaf“– eine Arbeit von Rauchs Lebensgefährtin Rosa Loy – fast brav.

Aschersleben hat ein original Bauhauskino

Nur mal eben in das Museum und wieder zurück nach Berlin? Das wäre schade in Aschersleben. Denn neben einigen beeindruckenden Baudenkmälern besitzt der Ort ein Bauhauskino von 1930. Foyer und Treppenhaus präsentieren sich im Stil des Art déco. Auch wenn (leider) keine Art-House-Filme gezeigt werden, wo sonst gibt es dieses Ambiente?

Rund 7000 Besucher kommen pro Jahr in die Grafikstiftung Neo Rauch, rund ein Drittel aus der Region. Eine Zahl, die Berliner künftig toppen sollten – schon im eigenen Kunst-(Interesse).

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