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Freie Fahrt fürs Volk. Fotografie von Heinz von Perckhammer, um 1939.

©  Perckhammer-Archiv Innsbruck

Nationalsozialismus: Heinz von Perckhammer, Fotograf des Unheimlichen

In den 20er Jahren war Heinz von Perckhammer Avantgarde, danach arbeitete er für die Nazis. Nun zeigt die Berlinische Galerie sein Werk.

Paris im Morgengrauen. Vor dem Säulengang des Palais de Chaillot laufen eine Handvoll Menschen, am Horizont ragt aus dem Nebel der Eiffelturm. Das romantische Großstadt-Idyll ist jedoch nur ein scheinbares. Beim zweiten Blick zeigt sich, dass drei der dunklen Menschensilhouetten Soldaten der Wehrmacht sind. Es ist das Jahr 1940. Und Heinz von Perckhammer fotografiert im Auftrag der Nationalsozialisten.

Wie eng Ästhetik und Politik verschränkt sind, lässt sich derzeit in der Berlinischen Galerie studieren. Dort ist ein Raum der Sammlungspräsentation dem kaum erforschten Fotografen Perckhammer gewidmet, dessen Werk im Zuge des Thomas-Friedrich-Stipendiums für Fotografieforschung von Kathrin Schönegg ausgeleuchtet wurde. Die Ausstellung präsentiert Aufnahmen aus allen Schaffensphasen und ermöglicht so einen Einblick in die ästhetische und politische Entwicklung des Fotografen.

Vom Neuen Sehen zum Nationalsozialismus

Perckhammer, 1895 in Meran in den Südtiroler Alpen geboren, wo sein Vater ein Atelier betrieb, hatte eigentlich gar nicht Fotograf werden wollen. Erst die Kriegsgefangenschaft machte ihn dazu. Als Steuermatrose kam er im Ersten Weltkrieg an Bord des Kreuzers „SMS Kaiserin Elisabeth“ nach Tsingtau und geriet in japanische Gefangenschaft. Nach 1918 blieb er in China und fotografierte im Auftrag der chinesischen Regierung; erst 1927 kehrte er nach Europa zurück. Seine Bilder aus dem asiatischen Kaiserreich schwanken zwischen dokumentarischer Neugierde und verklärender Orientalisierung. Wenn ein kleiner Junge mit verwundert geweiteten Augen in die Kamera schaut, verschwimmt er im mystifizierenden Weichzeichner, der an den Stil der Piktorialisten erinnert. Ein anderes Mal sind es Schnappschüsse von Straßenszenen, die etwa den Stand einer Garküche zeigen.

1928 eröffnet Perckhammer am Kurfürstendamm ein Fotoatelier und veröffentlicht drei Bücher mit seinen Bildern aus China, darunter solche Zeugnisse stereotyper Fetischisierung asiatischer Frauen wie „Edle Nacktheit in China“. Die Bilder, die Perckhammer während der Weimarer Zeit als Reportage- und Illustrationsfotograf anfertigt, erscheinen noch ganz im Stile der modernistischen Fotografie des Neuen Sehens: starke Kontraste, fragmentierte Ausschnitte, unübliche Perspektiven. Einmal fotografiert er eine Galerie von Mannequin-Köpfen, die in ihrem Changieren zwischen dem Belebten und Unbelebten wie ein Musterbeispiel des Unheimlichen erscheinen.

Mindestens genauso unheimlich ist der ästhetische Wandel, den Perckhammers Fotografie danach vollzieht. In den Dreißigern reist er als Fotoreporter durch das Deutsche Reich. Seine Aufnahmen stehen nun ganz im Dienste des Nationalsozialismus. Noch deutlicher als in den Bildern von Hitlerjugend-Märschen zeigt sich das in jenen Arbeiten, die die NS-Ideologie transportieren. Etwa, wenn er eine Frau in Tracht vor einer Windmühle im Kornfeld positioniert und sie schüchtern lächelnd auf die Ähren niederblickt. Der Unterschied zu den Aufnahmen, die Perckhammer in der Dekade davor angefertigt hatte – darunter viele Aktfotografien – könnte größer kaum sein.

Schau zeigt Propagandawirkung von Fotografie

Überhaupt zeigt sich bei den ausgestellten Aufnahmen noch einmal, warum die Fotografie als Medium für politische Propaganda so wichtig ist. Anders als das Wort trägt das fotografische Bild in sich die Wirkung der Evidenz: dass das, was es zeigt, so einmal gewesen ist. Und es ist dieser Evidenzeffekt, der sich nicht nur auf das rein Sichtbare überträgt, sondern eben auch auf das im Foto Implizite. Mit anderen Worten, ideologische Inhalte können mit unmittelbarer Wirkung visuell vermittelt werden. Das ist der Punkt, an dem Politik und Ästhetik in eins fallen. Diese Deckungsgleichheit lässt sich auf Perckhammers Fotos aus der Nazizeit betrachten. Etwa auf jenem aus der Ehrfurcht der Untersicht aufgenommenen Bild, auf dem sich vor einem dramatisch kontrastreichen Wolkenhimmel die schwarzen Silhouetten zweier Wehrmacht-Soldaten im gleichen Winkel gen Himmel wölben wie ihre Flugabwehrkanone. Oder jene Aufnahmen von Joseph Goebbels, die ihn als nahbaren Familienvater inszenieren. Perckhammer porträtierte Politiker der NSDAP und war als Kriegsreporter in Europa im Einsatz.

So erlaubt die kleine Ausstellung – jenseits der Frage nach der politischen Involviertheit Perckhammers – gerade aufgrund des ästhetischen Opportunismus der Fotografien einen Einblick in jene Prozesse, in denen sich Geschichte in den Bildern ihrer Zeit kristallisiert.

Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, bis 11. März, Mi–Mo 10–18 Uhr

Jonas Lages

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