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Sabin Tambrea und Jannis Niewöhner im Hesse-Klassiker

© Sony

„Narziss und Goldmund“ im Kino: Fröhlich verkitschtes Ausstattungskino

Zum ersten Mal ist Hermann Hesses „Narziss und Goldmund“ im Kino zu sehen, verfilmt von einem Oscar-Preisträger. Eine Rezension

Hermann Hesse war nicht erpicht darauf, dass seine Romane verfilmt werden. Doch auf das Misstrauen von Erzählern haben Filmleute ja noch nie Rücksicht genommen, wenn es darum geht, populäre literarische Stoffe im Kino noch populärer zu machen.

Dem „Steppenwolf“ und „Siddharta“ ist das bereits in den siebziger Jahren geschehen, als der 1962 verstorbene Literaturnobelpreisträger absoluten Kultstatus genoss.

Die Verfilmung des Bildungsromans „Narziss und Goldmund“ musste 90 Jahre auf Regisseur Stefan Ruzowitzky warten, der die erbauliche Parabel über einen Geist- und einen Sinnesmenschen seit Teenagertagen als Lieblingsbuch bezeichnet.

Dabei fällt beim erstaunten Wiederlesen vor allem die heillose Verzopftheit der Erzählung auf: ihr aus sprachlicher Poesie immer wieder in den Kitsch kippender hoher Ton. Und das schwülstige, von Homoerotik und Mutterkult durchdrungene Weltbild, das sich bei Nietzsche und C. G. Jung bedient.

Prunkende Kostüme, schwärende Pestbeulen

Allerdings hält sich Oscar-Preisträger Ruzowitzky in seinem Drehbuch nicht groß an Tonfällen auf. Seine kinogerecht angespitzte Adaption kommt als saftiges Mittelalter-Spectaculum daher. Mit romantischen Burgen und Landschaften, malerischen Marktplätzen, prunkenden Kostümen, schwärenden Pestbeulen und schwellenden Muskeln.

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Die gehören Jannis Niewöhner, den man den wolllüstigen Adonis Goldmund mehr abnimmt, als den von Selbstzweifeln gepeinigten Bildhauer, zu dem er sich in seinen Lehr- und Wanderjahren entwickelt.

[Wird in 19 Berliner Kinos gezeigt.]

Narziss, den Lebensfreund und Antipoden, spielt Sabin Tambrea, dessen sehnige Statur ihn als asketischen Gottesmann und Gelehrten empfiehlt. Eros versus Logos, Aktivität gegen Kontemplation, Künstler– gegen Intellektuellentum: Goldmund und Narziss könnten unterschiedlicher nicht sein und doch bedingen ihre Lebensentwürfe einander.

Als Goldmunds grober Vater den Knaben, als Strafe für die angebliche Untreue der Mutter, im tiefsten Winter in der Benediktiner-Abtei Mariabronn abliefert, wird dessen später in ewige Muttersuche umgemünztes Trauma sofort offenbar.

Pittoreskes Mönchs-Typecasting

Kida Khodr Ramadan und André Hennicke stehen für pittoreskes Mönchs-Typecasting wie aus dem „Name der Rose“-Bilderbuch. Umwabert von Weihrauch und gregorianischen Gesängen lernen sich Narziss und Goldmund kennen. „Wir drei können ja zusammen Freunde sein“, überredet der Mini-Charmeur den skeptischen Denker, „du und ich und Gott“.

Doch bald ist die unbeschwerte Jugend dahin, und Narziss macht Goldmund klar, dass die Klostermauern zu eng für dessen Lebenslust sind. Goldmund zieht hinaus in die Welt, er lebt in Überfluss und Not, liebt, tötet, lernt bei Meister Niklaus (Uwe Ochsenknecht) die Kunst des Holzschnitzens, verliert Lene (Henriette Confurius) an die Pest und landet schließlich wieder bei Narziss. Der hat es inzwischen zum Abt gebracht und lauscht – anders als im Roman – den in Rückblenden erzählten Abenteuern des vom Vagabundenleben zerschlagenen Künstlers.

Zeitlos sind die spirituellen und philosophischen Fragen, die Hesse reflektiert – gerade wenn Hedonismus unter dem Eindruck von Klimakatastrophe, Flüchtlingselend und Pandemien am Pranger steht. Doch Philosophie ist Ruzowitzkys Sache nicht. Sein „Narziss und Goldmund“ ist fröhlich verkitschtes Ausstattungskino. Allerdings: So tief gründelt Hesses verschwurbeltes Bild des Künstlertums auch nicht. Dass filmische Mittel gröber als literarische wirken, hat der Mann jedenfalls nur zu gut gewusst.

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