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Der Bildhauer Waldemar Otto, 1929-2020

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Nachruf auf Waldemar Otto: Nichts geht über das Gegenständliche

Er war einer der großen figurativen Bildhauer des 20. Jahrhunderts: Zum Tod von Waldemar Otto.

Vergangenes Jahr stand Waldemar Otto noch selbst im Berliner Kunsthandel von Wilfried Karger. Das Ende seiner Jubiläumsschau im Mai feierte der angereiste Künstler mit – trotz seiner 90 Jahre. Nun, im Mai darauf, ist Otto nach schwerer Krankheit in Worpswede gestorben. Mit ihm geht einer der großen figurativen Bildhauer des 20. Jahrhunderts, der allen abstrakten Tendenzen nach 1945 zum Trotz dem Gegenständlichen verbunden blieb.

Dass er sich dennoch mit der Abstraktion und anderen Tendenzen der Gegenwartskunst auseinandersetzte, ist vielerorts nachvollziehbar. Otto hat Brunnen und Figurengruppen für den öffentlichen Raum geschaffen, und seine Kleinplastiken waren allein bei Karger in fünf Ausstellungen zu sehen.

Otto spielte auch mit Volumina und Proportionen

Mit Berlin verband ihn einiges. Hier startete der Sohn eines Pastors 1948 an der Hochschule für bildende Künste, studierte Bildhauerei und wurde als gerade 28-Jähriger mit dem Preis der „Großen Berliner Kunstausstellung“ ausgezeichnet. Preise gab es zuvor schon und auch nach seinem Stipendium 1963 in Indiana, dem weitere Studienaufenthalte in Rom folgten. Überall beschäftigte sich Otto mit der Geschichte der Skulptur, seine Gedanken und ästhetischen Ideen dazu scheinen in den eigenen Torsi aus Holz, Granit oder Bronze auf. Der menschliche Körper, der sich den Kräften von außen widersetzt oder in sich ruhend mit seiner Umgebung im Einklang ist: Zwischen diesen Polen spannt Otto ein Lebenswerk, das bei aller Liebe zum Figürlichen ebenso mit Volumina und Proportionen spielt. Manche seiner Skulpturen sind derart eng mit ihrem Sockel verbunden, das Rumpf und Rechteck eine unmittelbare Einheit zu bilden scheinen.

2001 gab es eine große Otto-Ausstellung in Chile

Mitte der sechziger Jahre kehrt Otto nach Berlin zurück. Hier entstehen neue Arbeiten mit Wänden, Kästen oder Gitter, auf die seine Gestalten reagieren. Die Kunst wird erzählerischer, doch da der Bildhauer weiterhin auf jede genauere Ausformung von Gesichtern und Körpern verzichtet, hält er die gegensätzlichen Kräfte von Figuration und Abstraktion gekonnt in der Balance. 1973 folgt Otto einem Ruf als Professor an die Bremer Hochschule für Künste, seinen Wohnort verlagerte er nach Worpswede in jenes Künstlerdorf, das schon um 1900 Maler wie Fritz Mackensen, Heinrich Vogeler oder Paula Modersohn-Becker anzog. Tatsächlich kommt Otto erst in Vogelers einstigem Wohnsitz unter, später baut er sich ein eigenes Atelier mit Wohnhaus.

Ein Rückzug in die Idylle wird es nicht. 1981 ist Otto Ehrenast in der Villa Massimo, 1997eröffnet er eine Retrospektive in Sankt Petersburg, 2001 eine große Schau im Nationalmuseum von Santiago in Chile. Die Sprache seiner Arbeit, die Reduzierung des menschlichen, manchmal tierischen Körpers auf das Elementare, wird überall verstanden. Auch Otto, der 15-jährig von den Nazis zum sogenannten Volkssturm eingezogen wurde, zeigt wie andere Protagonisten der Nachkriegsmoderne die Verletzungen und Verletzlichkeit der Kreatur. Dabei wäre es ihm allerdings – obwohl die Nazis das figürliche Vokabular für ihre Zwecke aufs Übelste missbrauchten – nie eingefallen, die Verbindung zur historischen Plastik zu kappen, die immerhin ein paar Jahrtausende zurückreicht. Christiane Meixner

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