zum Hauptinhalt
Legende der Traumfabrik: Olivia de Havilland bei der Verleihung der Légion d'Honneur 2010 in Paris.

© Reuters

Nachruf auf Olivia de Havilland: Kämpferisch bis zum Schluss

Olivia de Havilland gehörte zu den Letzten aus der Goldenen Ära Hollywoods. Nun ist sie im Alter von 104 Jahren gestorben.

Zuerst haut Miriam der eingeschüchterten Charlotte sechs schallende Ohrfeigen. Ihr Flüstern klingt danach, als käme es direkt aus der Hölle: „Damn you, now will you shut your mouth!“ Miriam, gespielt von Olivia de Havilland, hat ihrer mental instabilen Cousine Charlotte (Bette Davis) soeben einen Mord angehängt. Und den blutigen Thriller „Wiegenlied für eine Leiche“ aus dem Jahr 1964 damit um eine unvergessliche Giftspritze reicher gemacht.

Die am Sonntag mit 104 Jahren verstorbene De Havilland war 48, als sie den Part übernahm. Gemeinsam mit Kolleginnen wie Bette Davis, Joan Crawford, und Olivias Schwester Joan Fontaine gehörte sie zu der letzten Garde versatiler und komplexer Hollywood-Diven aus dem „Golden Age“ der Traumfabrik.

De Havilland wurde 1916 in Tokio geboren. 1919 wollte die Familie per Schiff nach England zurückkehren. Wegen einer Mandelentzündung Olivias blieb man jedoch in Kalifornien hängen, wo die Schwestern sich früh auf die mütterlich unterstützte Leidenschaft, die Bühne, stürzten.

Mit 17 besetzte der österreichische Theater-Innovator Max Reinhardt Olivia als Hermia für seine Tournee mit dem „Mittsommernachtstraum“. Als Reinhardt den Auftrag bekam, das Stück für Warner Bros. zu verfilmen, überredete er sie, einen Vertrag mit der Produktionsfirma zu unterschreiben.

Kein Oscar für "Vom Winde verweht"

Jahre mit kleineren und größeren Filmrollen folgten, in denen sich die fleißige De Havilland die Karriereleiter hinaufarbeitete. Als love interest Lady Marian spielte sie 1938 in „The Adventures of Robin Hood“ an der Seite Errol Flynns, auch in dem Western „Dodge City“ durfte sie den Frauenschwarm küssen; sie selbst empfand die Rollen der ewigen „Jungfrau in Nöten“ als wenig herausfordernd, und ärgerte sich über die limitierten Darstellungsmöglichkeiten ihrer Charaktere.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

In David O. Selznicks epischer Literaturadaption „Vom Winde verweht“, deren rassistische Darstellungen afroamerikanischer Charaktere verstärkt öffentlich kritisiert wurden, spielte sie 1938 die Rolle der Melanie, die freundliche, geradlinige Schwägerin der narzisstischen Scarlett O’Hara. Ihr subtiles Spiel brachte ihr eine Oscar-Nominierung ein, den Preis als beste Nebendarstellerin bekam dann allerdings (als erste Afroamerikanerin) Hattie McDaniel verliehen.

[Jetzt noch mehr wissen: Mit Tagesspiegel Plus können Sie viele weitere spannende Geschichten, Service- und Hintergrundberichte lesen. 30 Tage kostenlos ausprobieren: Hier erfahren Sie mehr und hier kommen Sie direkt zu allen Artikeln.]

De Havilland, deren Leben von Konkurrenzkämpfen mit ihrer jüngeren Schwester Joan Fontaine geprägt war (die den Namen De Havilland nicht benutzen durfte, weil er schon „besetzt“ war), suchte ihre Rollen zunehmend nach Tiefe aus: Sie spielte erfolgreich Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs – und gern auch darüber hinaus.

1943 verklagte sie ihr Studio Warner

1952 gab sie die Namensgeberin in Henry Kosters atmosphärischer Daphne Du Maurier-Adaption „Meine Cousine Rachel“. Ihr Spiel neben dem wütenden Newcomer Richard Burton, der die Witwe seines Onkels des Mordes verdächtigt, ist in dem mit vielen erotischen Andeutungen gespickten Psychodrama beeindruckend, und macht die Ambivalenz ihrer Figur absolut. Ist Rachel, die so unschuldig wirkt, eine Mörderin – oder eine brave Frau, deren Leben um den Mann kreist, den sie liebt?

Nach ein paar Jahren in Paris, zwei Ehen mit zwei Kindern und zwei Oscars folgte der Rückzug aus Hollywood. 1943 hatte sich de Havilland erfolgreich aus einem Knebelvertrag mit Warner Bros herausgeklagt, nach ihr ist das so genannten „De Havilland-Law“ benannt.

Kurz vor ihrem 101. Geburtstag verklagte sie, diesmal erfolglos, einen Privatsender, der sie in einem Drama falsch dargestellt haben soll. Ein paar Monate später wurde sie zur „Dame Commander of the British Empire“ ernannt – als älteste Frau, der diese Ehre je zuteil wurde. Eine energetische Kämpferin ist Olivia de Havilland sie bis zum Schluss geblieben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false