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Der schwedische Schauspieler Max von Sydow (1929-2020).

© REUTERS

Nachruf auf Max von Sydow: Der Weltmann, der aus dem Norden kam

Ein Star mit einem immensen Spektrum. Max von Sydow spielte Bösewichter, Künstler, Zauberer und Jesus. Jetzt ist der Schauspieler mit 90 Jahren gestorben.

Man hätte ihn auch für einen Bruder von Ingmar Bergman halten können. Und natürlich ist der große, mit seinen gut 1,90 Metern Länge auch körpergroße Schauspieler Max von Sydow für Cineasten durch seine frühen Rollen in Bergmans oft spukhaft magischen Filmdramen erstmal zu einem der Darsteller des schwedischen Genies geworden.

Im doppelten Sinne. Denn in einigen der anfangs so nordisch schwarz-weißgrau geprägten Bergman-Sagas spielte Max von Sydow Figuren, die als eremitische Künstler, Zauberer, archaische Ritter oder dörfliche Fischer immer auch etwas von den persönlichen Dämonen Bergmans widerspiegelten.

In Lund geboren mit deutsch-pommerschen Wurzeln

Mehr als ein Jahrzehnt lang, zwischen „Das siebente Siegel“ und „Wilde Erdbeeren“ (beide 1957) über „Das Gesicht“, „Die Jungfrauenquelle“ bis zu „Licht im Winter“, „Die Stunde des Wolfs“ und „Schande“ (1968), schien der 1929 im schwedischen Lund als Carl Adolf von Sydow geborene Akteur mit deutsch-pommerschen Wurzeln in dieser tiefsinnigen Bergman-Welt völlig heimisch zu sein.

Nebenher spielte er in Malmö, wo er Bergman kennengelernt hatte, auch Theater. Ganz und gar, so hätte man gedacht, ein etwas kantiger, hagerschmaler Mann des Nordens. Doch bereits 1965 gab es da in Sydows vermeintlich nur skandinavischer Filmkarriere einen Riesenbreak.

Einen weiten Sprung. Denn der Hollywood-Regisseur George Stevens (der fünf Jahre später als Berlinale-Jurypräsident aufgrund seiner patriotischen Empörung gegen den deutschen Anti-Vietnam-Kriegsfilm „o.k.“ mit für den Abbruch des Festivals sorgte), denn Stevens besetzte Sydow in seinem in der Wüste von Arizona gedrehten Bibelspektakel „Die größte Geschichte aller Zeiten“: als Jesus Christus. Nicht nur, weil es während der Dreharbeiten plötzlich Schneestürme in der Wüste gab, wurde der Film ein Monsterdebakel. Aber für Max von Sydow muss es eine Erfahrung und Erleuchtung gewesen sein.

Scorsese, Spielberg, Wenders - er drehte mit großen Regisseuren

Tatsächlich ist er dann noch mehr als ein halbes Jahrhundert lang und bis ins höchste Alter hinein zu einem der weltläufigsten internationalen Stars geworden. Allein schon die Namen seiner Regisseure machten Max von Sydow, der am Sonntag in Paris kurz vor seinem 91. Geburtstag gestorben ist, zur Filmlegende. Neben Bergman sind es unter anderen Martin Scorsese, William Friedkin, Steven Spielberg, Woody Allen, Wim Wenders oder Bille August gewesen.

Max von Sydow 1982 in Los Angeles.
Max von Sydow 1982 in Los Angeles.

© Wally Fong/AP/dpa

Kaum jemand hat dabei in so unaufhörlicher Fülle und Geschwindigkeit und in einem ähnlich breiten Spektrum wie Sydow gespielt. Er war als Bösewicht Ernsto Stavro Blofeld der Gegenspieler von James Bond alias Sean Connery in „Sag niemals nie“; er war der liebesstarke, aber berührend lebensunfähige Maler Frederick in Woody Allens „Hannah und ihre Schwestern“; er hat in Spielbergs „Minority Report“ als obsessiver Überwachungsdirektor Burgess den Chef von Tom Cruise gegeben. William Friedkin dürfte sich von Bergmans und Sydows früher Figurenwelt der Gottsucher, Pietisten oder Gottverlorenen ebenso wie von Sydows charismatischer Jesus- Rolle inspiriert gefühlt haben, als er in seiner Verfilmung des „Exorzist“ auch Sydow als Geistlichen auftreten ließ.

Markante Nebenrollen in "Star Wars" und "Game of Thrones"

Als über Achtzigjähriger noch ist Sydow, in zweiter Ehe mit der französischen Dokumentarfilmerin Catherine Brelet verheiratet, auch ein Blockbusterheld des 21. Jahrhunderts geworden: mit markanten Nebenrollen in „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ 2015 und ein Jahr später in der Fernsehserie „Game of Thrones“.

Auch in „Conan der Barbar“ oder „Pelle, der Eroberer“ hatte er schon in den achtziger Jahren seine Spuren hinterlassen, ebenso als feiner Wikinger in Uli Edels TV-Version der „Nibelungen“ oder als glanzvoll gebrochener Baron von Trotta 1994 in Axel Cortis Fernsehverfilmung von Joseph Roths „Radetzkymarsch“.

Sydow, dem Hochgewachsenen, lagen die teils aristokratischen, teils andeutungsweise auch diabolischen, sarkastischen oder melancholischen Rollen. Die Stimme ein viriler Bariton, dazu sein charakteristisch breiter, etwas schmallippiger Mund. Eine Romanfigur von Charles Dickens lassen solche Gesichtsöffnungen einmal an einen mächtigen „Briefkastenschlitz“ denken. Und ja, als eine Dickens-Figur hätte man sich diesen von der Archaik, Klassik bis ins Bürgerliche oder auch ins Sciencefictionhafte ausschweifenden Spieler gleichfalls gut vorstellen können. Den Oscar hat er trotz wiederholter Nominierung nie bekommen. Aber ein Stern des Weltkinos war Max von Sydow allemal.

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