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In der alten Bundesrepublik galt Karel Gott auch als der "Sinatra des Ostens".

© Jens Kalaene/dpa/AFP

Nachruf auf Karel Gott: Tief in den Herzen der Deutschen verankert

Von „Biene Maja“ bis Bushido: Karel Gotts samtige Stimme war über Jahrzehnte hierzulande präsent. Kurz nach seinem 80. Geburtstag starb er an Leukämie.

Vielleicht war er der letzte Schlagerstar. Zumindest einer der letzten der Schlagertradition verbundenen Sänger. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist Karel Gott, wenige Monate nach seinem 80. Geburtstag, an Leukämie gestorben. Sein Kampf gegen die Krankheit zog sich über Jahre hin, erst im September hatte er sich über Facebook gemeldet, um seine Fans über eine erneute Krebs-Diagnose zu informieren.

Seinen letzten großen Hit hatte Karel Gott erst im Mai, ein Duett mit seiner 13-jährigen Tochter Charlotte Ella. Das Video von "Herzen erlöschen nicht" wurde auf Youtube bis heute 14 Millionen Mal geklickt. In seiner gesamten Karriere hat er nach Schätzungen seit 1965 annähernd 50 Millionen Tonträger verkauft. Die „Goldene Stimme aus Prag“, sein warmes, durch den unverkennbaren tschechischen Akzent geprägtes Organ, war tief im Herz der alten Bundesrepublik verankert.

Alben wie „Die Goldene Stimme aus Prag“ (1968), „Von Böhmen in die Welt“ (1971) oder „Guten Abend, Gute Laune“ (1981) feierten vor allem im schlageraffinen Deutschland der 60er und 70er die größten Erfolge. In einer Gesellschaft, für die die eskapistische Schlagerwelt Ablenkung von den politischen Entwicklungen zwischen Prager Frühling und Deutscher Herbst versprach.

Politisch war der 1939 im tschechischen Pilsen geborene Gott, dessen Karriere etwas holprig als Elektriker und Hobbysänger in den 50er-Jahren begann, dementsprechend eingestellt. 1977 gehörte er zu den 2000 Künstlern, die im Namen der Kommunistischen Partei eine „Anticharta“ gegen die unter anderem von Václav Havel initiierte „Charta 77“ der künstlerischen Opposition unterzeichnete: ein Protest gegen Menschenrechtsverletzungen in der damaligen CSSR. Die Situation war verfahren, viele Künstler sahen sich gezwungen, ihre Loyalität gegenüber der Regierung auszudrücken, weil sie berufliche Konsequenzen fürchteten.

Gott, der in den 70ern selbst kurz an Emigration gedacht hatte, blieb seiner Heimat jedoch verbunden. Und profitierte dennoch von seinen Fans im Westen: Der erste deutsche Karel-Gott-Fanclub gründete sich 1975 in Wuppertal.

Kurz darauf wurde Gott auf ewig in das kollektive Gedächtnis Nachkriegsdeutschlands indoktriniert, ob Schlager-Fans oder nicht. Der von ihm gesungene Titelsong der japanischen Zeichentrickserie „Die Biene Maja“, komponiert von Tausendsassa Karel Svoboda, ist bis heute ein Evergreen. Die Explosion seiner lebendigen Stimme, mit der Gott im Refrain „Maaaaja, alle lieben Maaaaja“ schmettert, ist unübertroffen - und wurde 2013 im 3D-Kinofilm von Helene Fischer nur notdürftig nachgeträllert.

Mit Frank Sinatra in Las Vegas

Eine samtige Stimme wie die von Karel Gott gibt es eben nur selten. Bei einem Besuch 1967 in Las Vegas, wo er auch Frank Sinatra traf, hatte Gott nach eigenem Bekunden gelernt, wie man „die Bühne nimmt“, und für eine Performance sein Charisma einsetzt. Es kam ihm zugute. Auszeichnungen - darunter Diamant-, Platin-, Goldene und Silberne Schallplatten sowie diverse Publikumspreise - füllten die Vitrinen seiner Villa bei Prag, in welcher der Sänger bis 2005 lebte.

Im folgenden Jahr eröffnete in dem sandfarbenen Haus ein Museum mit dem bizarren Namen „Gottland“: Ein tschechischer Unternehmer hatte das Gebäude gekauft, um ein Mini-Graceland für den größten nationalen Star zu errichten. Neben Bildern des passionierten Malers, Antiquitäten- und Art Déco-Sammlers, dessen erster Traum die Kunstakademie gewesen war, konnte man dort sein Mahagoni-Esszimmer, den Holzschreibtisch samt Bücherregal, den Weinkeller und ein Schlafzimmer besichtigen. Drei Jahre später schloss das Museum wieder. Die kleinbürgerlichen Schlager-Schrankwände hatten nicht genügend Anziehungskraft entwickelt.

„Je älter man wird, desto mehr will man sich mit jüngerer Kunst umgeben“, hatte Gott 2002 in einer „Zimmer frei“-Sendung Götz Alsmann erklärt. „Tja, das ist ja nicht nur mit Kunst so“, war dessen Replik, als ob der Moderator damals schon ahnte, dass Gott 2008 die 37 Jahre jüngere Ivana Machácková heiraten würde.

Mit der Moderatorin, die seit 2016 auch die Geschäfte ihres Mannes mitführt, bekam er zwei weitere Töchter, zwei bereits erwachsene hat er aus früheren Partnerschaften. Dass sein Verhältnis zur Religion  - trotz des Namens - ein eher wackeliges war, wurde in der Fernsehsendung ebenfalls deutlich: Gott erzählte einen herrlichen, leider nur gestisch erklärbaren Papstwitz, dessen Pointe mit einem Stinkefinger zu tun hat.

Mit Bushido in die Charts

Karel Gott blieb nach einigen eher unauffälligen Ausreißern, unter anderem mit einem pittoresk-pathetischen, nicht besonders countryhaften „Country Album“ (1981), sowie mit Ausflügen in die Gospelmusik und den Jazz, der deutschsprachigen Musik verhaftet.

„Für immer jung“, Gotts deutsche Alphaville-Coverversion, die er als Duett mit dem Rapper Bushido intonierte, wurde im Jahr 2008 der letzte große Erfolg des Sängers. Der Song, den Gott bereits acht Jahre vorher auf seinem 27. Studioalbum veröffentlicht hatte, sprang in Deutschland auf Platz 3 der Singlecharts. Und brachte die selbstverständliche, erhabene Prägnanz des Stars aus einer anderen Zeit nochmal einer neuen Generation nah. Die legendäre Goldene Stimme war bis zum Schluss nicht gealtert.

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