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Music was my first love. Der schwedische Lyriker Tomas Tranströmer.

© Imago Kamerapress

Nachgelassenes von Tomas Tranströmer: Schärentaucher im Wachtraum

Blick in die Werkstatt: ein Prachtband mit nachgelassenen Texten von Tomas Tranströmer.

Von Gregor Dotzauer

Zeilen voller Klarheit und Geheimnis. Etwa in dem Gedicht über „Zwei Städte“: „die eine verdunkelt, besetzt vom Feinde. / In der anderen brennen die Lampen. / Der leuchtende Strand hypnotisiert den dunklen. // Ich schwimme in Trance hinaus / auf die glitzernden dunklen Wasser. / Ein dumpfer Tubastoß dringt herein. / Es ist die Stimme eines Freundes, nimm dein Grab und geh.“ Oder das unvergessliche Bild aus „April und Schweigen“: „In meinem Schatten werde ich getragen / wie eine Geige / in ihrem schwarzen Kasten.“

Der schwedische Lyriker Tomas Tranströmer (1931–2015) bündelte sie zu einem schmalen Werk von seltener Intensität. Der noch von ihm selbst zusammengestellte Nachlassband „Randgebiete der Arbeit“ zitiert sie und viele andere. Vor allem aber ergänzt er sie um unbekannte Herrlichkeiten, oft nicht weniger prägnante Entwürfe und Notizen. Zum Beispiel dieses Fundstück aus den späten siebziger Jahren: „Etwas Großes an diesem Menschen, etwas, das nicht zu seinem Recht kommt – wie ein Opernsänger im Inneren eines Taucheranzugs.“

Isoliert klingt das wie ein Aphorismus, der nichts will als die Pointe. Im Verbund der grafisch großzügig aufbereiteten Manuskripte, Briefe, Postkarten, Reden, Gespräche und privaten Fotos fügt es sich in eine Vision, die sich im Dienst einer anderen und größeren Sache sah. In dem Gedicht „Der Posten“, das er hier im Gespräch mit Gunnar Harding zugleich erklärt und nicht erklärt, fasste er sie in die Worte: „Ich bin genau die Stelle, wo die Schöpfung an sich selbst arbeitet.“

Dies ist nicht nur ein Buch für alle, die sich nicht damit abfinden wollen, dass Tranströmers Werk abgeschlossen sein soll. Es bietet auch das ideale Entree für alle, die zum ersten Mal diese Welt der Dämmerung, des Wassers und des Wachtraums als die ihre erkennen wollen – so sehr ihre Ursprünge in den Schären vor Stockholm liegen.

Tomas Tranströmer: Randgebiete der Arbeit. Hrsg. von Magnus Halldin und Wolfgang Butt. Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Hanser, München 2018. 264 S., 28 €.

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