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Der Schlagzeuger Tony Allen beim Red Bull Music Festival.

© Kasia Zacharko

Nach Mateschitz-Äußerungen: Vorwurf Rechtspopulismus: Künstler bleiben Red Bull Music Festival fern

Das Red Bull Music Festival feiert Diversität, während Konzernchef Dietrich Mateschitz rechtspopulistisch tönt. Inzwischen regt sich Kritik.

Kurz vor Schluss kam es dann doch zum Eklat. Am Mittwoch veröffentlichte das Künstlerkollektiv Live from Earth, das die offizielle Abschlussveranstaltung des Red Bull Music Festivals am heutigen Freitag kuratieren sollte, ein Statement. In deutlichen Worten begründete es darin seine kurzfristige Absage gegenüber den Veranstaltern: „So wichtig es uns ist, professionell zu arbeiten und Absprachen einzuhalten, so schwer fällt es uns auch, die politischen Konstellationen bei dem Event zu ignorieren. Denn durch die Teilnahme an einem von Red Bull finanzierten Festival machen wir uns zu Mitwirkenden und Unterstützern eines Konzerns, der den öffentlichen Eindruck seines CEOs als Rechtspopulisten toleriert.“

Seit jeher steht die Marke Red Bull für Superlative. Deutscher Eishockeymeister mit EHC Red Bull München. Österreichischer Fußballmeister mit FC Red Bull Salzburg. RB Leipzig steht in der Bundesliga weit oben. Vier Formel-1-Titel mit dem Red Bull Racing Team. Doch irgendwann reichte der Sport als Marketinginstrument offenbar nicht mehr. 1998 fand in Berlin die erste Red Bull Music Academy statt. Zum zwanzigsten Jubiläum kehrte sie dieses Jahr mit einem pompösen Programm in ihre Geburtsstadt zurück.

Im Kultursektor werden Erfolge zwar nicht in Titeln gemessen, doch was der österreichische Brausekonzern beim diesjährigen Red Bull Music Festival in Berlin aufbot, war zugegebenermaßen Champions League. Techno-Pionier Jeff Mills trat gemeinsam mit Schlagzeugkoryphäe Tony Allen auf, gefragte DJs wie Miss Kittin und DJ Hell teilten sich die Bühne und hochkarätige Prominente wie die R-’n’-B-Sängerin Janelle Monáe und der Rapper Pusha T hielten Vorträge.

Die Akademie genießt exzellenten Ruf

In einer Nachwuchsakademie wurden innovative Künstler und Produzenten aus der ganzen Welt zusammengebracht, jammten und produzierten wochenlang zusammen im alten DDR-Funkhaus an der Nalepastraße. Aus vergangenen Jahrgängen der Akademie gingen unter anderem Größen wie der Soulmusiker Aloe Blacc, der DJ Flying Lotus oder der schottische Produzent Hudson Mohawke hervor, der schon mit Drake und Kanye West arbeitete.

Sponsoring ist in der Musikbranche wahrlich kein außergewöhnliches Phänomen. Unternehmen investieren jedes Jahr Milliarden in Festivals und Konzerte weltweit. Vor allem Getränkehersteller wie Coca-Cola, Beck’s oder Jägermeister sind dabei hierzulande äußerst aktiv. Während sich das traditionelle Sponsoring meist auf erfolgreiche Künstler stützt, verfolgt Red Bull einen andere Strategie. Bei ihrem Konzept des sogenannten Branded Content steht das eigene Produkt nicht plakativ im Vordergrund. Die Künstler, die Red Bull in die Nachwuchsakademie holt, sind noch unbekannt.

Subkultur wird so nicht nur besetzt und kommerzialisiert, vielmehr soll sie aus dem Nährboden der Förderung des Großkonzerns erst erwachsen. Offensichtlich bedingungslos investiert Red Bull dafür riesige Geldbeträge. Daher genießt die Akademie in der Musikszene weltweit einen exzellenten Ruf. Und das Konzept geht auf: Der Energydrink wird mit einer positiven Erzählung verknüpft, Kulturprodukte mit der Marke verwoben.

Red Bull und rechte Propaganda

So gar nicht zur weltoffenen, alternativen Kultur unter dem Emblem der zwei stilisierten Bullen wollen die Nachrichten rund um den Großkonzern der vergangenen Jahre passen: Da ist ein Interview mit Konzernchef Dietrich Mateschitz, in dem er eine liberale Flüchtlingspolitik anprangert, von einem „Meinungsdiktat des politisch Korrekten“ schwadroniert und eine „Politik, die sich in politischer Correctness ergeht“, anprangert.

Da sind die rechtspopulistischen Statements der Red-Bull-Gallionsfigur Felix Baumgartner, der medienwirksam aus dem Weltall sprang und sich am Boden für eine „gemäßigte Diktatur“ aussprach, in der ein „paar Leute aus der Privatwirtschaft“ die Geschicke eines Landes führen. Und da ist der von Red Bull Media House betriebene heimatduselige TV-Sender Servus TV, der dem Identitären Martin Sellner und Martin Lichtmesz, Schlüsselfigur der Neuen Rechten, Sendezeit bietet, um ihr Gedankengut zu verbreiten.

Im Heimatland von Mateschitz regte sich darum in diesem Jahr erstmals Widerstand aus Musikerkreisen: Im Mai kritisierte die DJ Sonja Resista in einem viel beachteten Beitrag auf Facebook die Verflechtung von Red Bull und der alternativen Musikszene. Beim diesjährigen Popfest in Wien trat die Punkband Schapka zwar auf der „Red Bull Music Stage“ auf, kritisierte die namensgebende Firma und Gründer Mateschitz aber auf einem Transparent mit den Worten „Wir sind Propaganda, aber nicht für Rechtspopulisten“ deutlich. Und auch Franz Wenzl, Sänger der Band Kreisky, die auf dem gleichen Festival auftraten, äußerte gegenüber dem Bayrischen Rundfunk, dass man sich mit „Red Bull einfach nicht mehr ins Bett legen darf“.

Alternative Künstler für Red Bull

In Berlin verlief das Red Bull Music Festival bis zu diesem Mittwoch weitestgehend ohne kritische Zwischenrufe. Dabei ist die Liste derjenigen Kulturschaffenden, die auf dem Festival aktiv sind, nicht nur lang, sondern erstaunlich alternativ: DJ Tanith, Urgestein der Berliner Clubkultur. Die Österreicherin Electric Indigo, Produzentin und Gründerin des feministischen Musiknetzwerks female:pressure. Der ehemalige Chefredakteur des Zentralorgans der Poplinken, der „Spex“, Arno Raffeiner, ist ebenso dabei wie Marcus Staiger, Wegbereiter des Berliner Raps und bekennender Antifaschist. Selbst das Berliner CTM-Festival, das explizit auf Diversität und politische Inhalte setzt, kooperiert mit dem Großkonzern.

Auch der Name von Gudrun Gut, seit Jahrzehnten Aushängeschild der Berliner Musikszene und Gründungsmitglied der Einstürzenden Neubauten und von Malaria!, prangte in den vergangenen Wochen auf Plakaten. Gegenüber dem Tagesspiegel bekräftigt sie, dass die Aussagen von Mateschitz ihr und auch anderen Künstlern nicht bekannt gewesen seien und sie dessen Ansichten keineswegs teile. Gleichzeitig stehe der Konzernchef aber auch nicht für die Red Bull Academy: „Mir wurde vonseiten der RBMA versichert, dass sie unabhängig vom Konzern arbeiten können“, sagt Gut. Die Arbeit in der Akademie biete traumhafte Arbeitsbedingungen. Vor allem in Zeiten, in denen das Musikmachen zunehmend zu einem Draufzahlgeschäft werde.

Zuletzt hätten sich auch bei ihr direkte Anfrage von größeren Musiksponsoren gehäuft. Eine Tendenz, die Gudrun Gut zufolge nicht leicht umzukehren sein wird: „Die meisten Musiker jubeln darüber selbstverständlich nicht, aber von irgendetwas muss man leben.“

Prekäre Künstlerexistenzen als Marketingchance

Der Mitbegründer der Red Bull Music Academy Many Ameri antwortete auf Anfrage des Tagesspiegels lediglich mit einem standardisierten schriftlichen Statement, das auch andere Medienvertreter erhielten: „Red Bull unterstützt mit seinem Musikprogramm seit 20 Jahren weltweit KünstlerInnen jeglicher Herkunft, Identität, Religion und Kultur. Ich kann nicht für den Gründer sprechen, aber das, was Red Bull im Bereich Musik macht, und die Werte, die seit 20 Jahren vertreten werden, sprechen für sich.“

In einer Generation, die Popkultur nicht mehr als Gegenkultur kennenlernt, in der das Umsonstkonzert zwischen Werbebannern längst Standard ist, werden Konzertgänger tendenziell zu Kunden degradiert und prekäre Künstlerexistenzen als Marketinginstrumente ausgenutzt. So sehr die Festivalmacher ihre gute Arbeit und hohen Ansprüche herausstellen: Nachdem der letzte Akkord verklungen ist, geht es doch nur um das Image, die Marke. Dass ausgerechnet ein Konzern, dessen Chef ein rechtspopulistisches Weltbild unterstützt, einer diversen, alternativen Popszene Flügel verleihen will, sollte zu denken geben.

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