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Obsessiver Wollmützenträger aus Manchester: Damon Gough alias Badly Drawn Boy.

© David Oldham

Nach acht Jahren Pause: Badly Drawn Boys Album „Banana Skin Shoes“

Er hat einen Entzug gemacht, hat eine neue Frau und ein weiteres Kind: Auf dem neuen Album des Briten ist keine Spur mehr von Melancholie.

Wer verstehen möchte, warum acht Jahre seit der bislang letzten Platte von Badly Drawn Boy vergehen mussten, sollte sich zwei Handyvideos im Internet ansehen. Eins von 2010, in dem sich der Musiker in einem Club in Los Angeles tierisch über Leute im Publikum aufregt. Dabei gelingt es ihm, halb L.A. als „twats“ und eine Frau, die ihr Geld zurückfordert, als „cunt“ zu beleidigen.

Das zweite Video stammt von 2012 und zeigt Damon Gough, wie er bürgerlich heißt, bei einem Auftritt in Northampton, wo er mit einer Zuschauerin aneinandergerät, nachdem er ihre Stadt gerade als „shithole“ bezeichnet hat. 

Der Streit geht so weit, dass er seinen Mundharmonika-Halter nach ihr wirft, den Mikrofonständer umtritt und seinen Drink auf die Bühne feuert. Kurz danach stand auf seiner Facebook-Seite, er habe seine nächsten Konzerte abgesagt.

Benannt nach einer chronisch verärgerten Comicfigur

Aus den angekündigten drei Monaten Auszeit sind acht Jahre geworden. Badly Drawn Boy sagt heute, dass er mit Alkoholproblemen, Depressionen und der Trennung von seiner damaligen Frau zu kämpfen hatte, der Mutter seiner zwei älteren Kinder. 

Mittlerweile hat der 50-Jährige einen Entzug hinter sich. Er geht zum Psychiater, ist wieder verheiratet und hat mit seiner neuen Frau ein weiteres Kind. Es läuft also für den „schlecht gezeichneten Jungen“, der sich nach einer chronisch verärgerten Comicfigur benannt hat.

Wenn dieser Badly Drawn Boy nun ein Album aufnimmt, wie könnte das klingen? Die Antwort: trubelig, upbeat und vor allem fröhlich. Wie ein Ausrufezeichen hinter dem Satz: „Mir geht’s richtig gut.“ Wer „Banana Skin Shoes“ (One Last Fruit/AWAL/Rough Trade) erstmals hört, traut seinen Ohren nicht. 

Das ist der Slacker und obsessive Wollmützenträger aus Manchester, der mit zurückhaltender, warm schnurrender Stimme von den Dingen seines Lebens singt? Die Melancholie ist wie weggewischt und an ihre Stelle ein manisches Gewusel getreten, ganz so, als würde einer mit Anlauf seinem früheren, problembeladenen Leben davonsprinten.

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Dabei schien Damon Gough lange schon auf der Suche nach seinem musikalischen Weg zu sein. Seit dem Debüt „The Hour Of Bewilderbeast“ von 2000, das ihm den Mercury Prize für das beste britische Album des Jahres einbrachte, und dem Soundtrack zur Hugh-Grant-Komödie „About A Boy“ konnte keine seiner Platten mehr überzeugen. 

Auf ihnen fanden sich stets diese einfachen Melodien, die einem das Gefühl geben, sie schon ewig zu kennen. Drum herum trug der Multiinstrumentalist gern dick auf. Er legte nicht nur seine insgesamt drei Filmmusiken, sondern auch die fünf bisherigen regulären Platten als Konzeptalben an, versehen mit Instrumentals, Streichern, Bläsern – alles einfallsreich, aber auch ziemlich bemüht.

Mit „Banana Skin Shoes“ legt er nun in neue musikalische Richtungen ab, mit ungleich sonnigerem Teint. Schon auf dem gleichnamigen Opener singt er: „It’s time to break free, from this plaster cast, and leave your past behind.“ 

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Dazu orgelt alles durcheinander: ein gut gelauntes Chaos aus Pop, Hip-Hop und Funk, durch das ein vogelwildes Saxofon trötet. Man könnte sagen, ganz schön banane und irgendwie passend für einen Song, in dem Gough sich ermahnt, endlich nicht mehr auf Bananenschalen-Schuhen durchs Leben zu schlittern.

Nun regiert geballte Fröhlichkeit, die in ihrer Lust am Stilmix an zwei andere, nahezu gleichaltrige Klangkombinierer erinnert: an Beck und an James Mercer von den Shins. In Sachen Verspieltheit bleibt der Bananen-Opener kein, nun ja, Ausrutscher. 

Auch das anschließende „Is This A Dream?“ wuselt ungestüm voran wie eine Band von Ameisen auf ihrem Weg Richtung Bühne. Dabei wird Gough sogar sanft politisch. Es geht um Populisten, Verschwörungstheorien, Fake News.

Entwaffnend lebensbejahende Songsammlung

Walzer, Rumba, Motown-Soul – „Banana Skin Shoes“ fegt durch alle Stile. Mittendrin versteckt der Musiker Perlen wie „Never Change“, ein Beatles-geschultes Stück Pop, und „I Just Wanna Wish You Happiness“, Goughs wohlgesonnener Abschied von seiner ersten Frau.

Wer sich das Video zu „I Just Wanna Wish You Happiness“ anschaut, in dem der Musiker allein am Stagepiano vorm Glitzervorhang spielt, der Bart und die schulterlangen Haare inzwischen angegraut unter der obligatorischen Wollmütze, bekommt eine Ahnung, welche Kraft die Songs in sich tragen.

Die Melodien, die Gough für „Banana Skin Shoes“ geschrieben hat, sind stark genug, um sich gegen all den Überschwang zu behaupten. Zumindest, wenn man der entwaffnend lebensbejahenden Songsammlung die Chance gibt, ihren Zauber zu entfalten. Wenn nicht, könnte der Mann mit der Mütze schnell wieder ganz schön sauer werden. 

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