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Spielfreudig. Das Ensemble der "Kleinbürgerhochzeit" am Steglitzer Schlosspark Theater.

© Derdehmel/Urbschat

Nach 17 Jahren am BE: Brechts „Kleinbürgerhochzeit“ jetzt in Steglitz

Vom Berliner Ensemble ins Steglitzer Schlosspark Theater: Nach 17 Jahren auf dem Spielplan zieht Brechts Einakter „Die Kleinbürgerhochzeit“ um.

Man vergisst ja manchmal, dass nicht nur die Volksbühnen-Familie um Frank Castorf ihre langjährige Heimat verloren hat, sondern auch am Berliner Ensemble eine Ära zu Ende gegangen ist. Was hüben wie drüben zum Verschwinden recht vieler Inszenierungen in der Versenkung führte. Ein paar von Claus Peymanns Greatest Hits hat der neue BE-Intendant Oliver Reese freundlicherweise im Programm behalten, nicht allerdings Philip Tiedemanns Version von Brechts Einakter „Die Kleinbürgerhochzeit“. Warum auch, könnte man fragen. Bloß weil die Farce um eine gründlich aus dem Ruder laufende Vermählungsfeier 17 Jahre lang auf dem Spielplan stand? War diese Attacke auf spießige Doppelmoral und verklemmte Geilheit, geschrieben 1919 und uraufgeführt 1926, nicht schon zur Premiere anno 2000 gründlich überkommen? Braucht es heute noch den Zerrspiegel fürs Bürgertum?

In Steglitz schon, findet Dieter Hallervorden. Weswegen er Tiedemanns Inszenierung nun an sein Schlosspark Theater geholt hat. Ob es sich dabei um eine heroische Aktion zur Rettung bedrohter Kulturgüter handelt oder schlicht um einen Freundschaftsdienst für den Hausregisseur, der bei Hallervorden unter anderem schon „Besuch bei Mr. Green“, „Geliebter Lügner“ und „Die Kameliendame“ auf die Bühne gebracht hat, sei mal dahingestellt.

Jedenfalls bekommt der Luftwechsel dem bunten Treiben gar nicht mal schlecht. Unbeschwert von den historisch geladenen Bedeutungs-Imperativen des Brecht-Hauses am Schiffbauerdamm, darf die Tiedemann’sche „Kleinbürgerhochzeit“ ihren mehr oder minder sinnfreien Slapstick-Charme entfalten. Das Bühnenbild ist das gleiche geblieben. Etienne Plus hat eine erhöhte, wackelige, hölzerne Bruchbude gebaut, in der sich die Festgesellschaft an der engen Tafel zusammenzwängt. Auf Stühlen, die der Bräutigam selbst gezimmert hat. Zum baldigen Leidwesen aller.

Heute eine durchschnittliche Hochzeit

Es ist auch die Besetzung versammelt, die das Stück zuletzt am BE gespielt hat. Carmen-Maja Antoni, Martin Seifert, Anke Engelsmann, Boris Jacoby und Kollegen finden sich nun also als Exil-Ensemble in Steglitz wieder. Wo sie durchweg sehr spielfreudig auftreten. Antoni, die es theaterberuflich erstmals so tief in den Berliner Westen verschlägt, ist herrlich als grell geschminkte Mutter des Bräutigams, die ihre wenigen Sätze zackig herausschnarrt: „Nimm das Schwanzstück, Jakob!“, befiehlt sie dem Filius, als der Kabeljau aufgetischt wird. Auch Martin Seifert, Vater der Braut, ist sehr komisch als faselseliger Alter, der mit Endlos-Anekdoten über den wassersüchtigen Onkel die letzte Stimmung killt.

Ein Freund des frischgebackenen Gatten singt ein zotiges Lied, andere Gäste gehen vögeln, die Braut ist heimlich schwanger, die Animositäten schießen über, das Mobiliar geht vor die Hunde, und am Ende sitzt das holde Paar mit ramponiertem Ruf in den Trümmern der gerade geschlossenen Ehe. Zu Brechts Zeiten ein echter Aufreger, heute eine durchschnittliche Hochzeit. Aber in Steglitz tatsächlich noch erheiternd.

Wieder am 22./23.2., 20 Uhr, weitere Termine im April

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