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Die Sängerinnen Susanna Andersson (l.) und Krisztina Szabó mit George Benjamin am Pult und dem Mahler Chamber Orchestra.

© Adam Janisch/Berliner Festspiele

Musikfest Berlin: Entführung ins Licht

Das Mahler Chamber Orchestra spielt im Kammermusiksaal George Benjamins Oper "Into The Little Hill" - nach einer betörenden "Verklärten Nacht".

Sir George Benjamin ist in der Stadt. Besser spät als nie! Weil die Berliner Philharmoniker den smarten, britischen Klangfarbenzauberer zum Composer in Residence berufen haben, setzt auch das Musikfest Berlin einen Benjamin-Schwerpunkt und lud, unter anderem, das Mahler Chamber Orchestra ein, dessen Erstlingsoper aufzuführen, konzertant im Kammermusiksaal, dirigiert von Benjamin selbst.

Der Saal ist weit mehr als halb voll, also voller als üblich. Auch hat sich ein ungewöhnlich jung durchmischtes Publikum eingefunden, was für einen gewissen Event-Charakter spricht. „Into the Little Hill“, uraufgeführt 2006 beim Festival von Aix-en-Provence, ist ein malerisch-magischer Thriller frei nach der Sage vom Rattenfänger von Hameln; ein Stück, so effektvoll linear komponiert, so leicht verständlich, beliebt und vielgespielt, dass bereits zwei CD-Einspielungen vorliegen. Es geht, zeitlos aktuell, um eine zynisch-korrupte Regierung und einen entfesselten Mob, aber nebenbei auch um die Macht der Musik, was Benjamin mit einer sehr speziellen Besetzung quittiert, die den Sieg des Bösen (denn darauf läuft es hinaus) quasi in Zuckerwatte packt. Oder ist es, als die Kinder am Ende verschwinden – in Klage und Licht, verführt vom irisierenden Gemurmel der Instrumente –, doch eher ein Sieg der neuen Musik?

Den Mittelpunkt des solistisch geführten Orchesters bildet ein Streichsextett, wie es auch Arnold Schönberg in der „Verklärten Nacht“ verwendet hatte, nur dass zwei der Streicher zwischendurch, als ums liebe Geld gefeilscht wird zwischen dem Minister und dem fremden Musiker, noch ein paar verräterische Banjo- und Mandolinenklänge zuliefern. Dazu kommen etwas Blech (Posaune und Kornett, gestopft) sowie Kontrabassklarinette und Zymbal, und ganz vorn an der Hör-Rampe prangen zwei sanftschmelzende Bassetthörner, Mozarts mild und dunkel timbrierte Lieblingsinstrumente, nebst einer außerordentlich hohl und hoch spielenden Bassflöte, der die Rolle zufällt, die Stadtpfeifertöne des Rattenfängers zu paraphrasieren.

Schönbergs "Verklärte Nacht", eine Hymne an die Zärtlichkeit

Zwei Frauenstimmen teilen sich in die Chronik der Ereignisse und in die Rollen: Susanna Andersson mit gleißend hellem Sopran, Krisztina Szabó mit ausdrucksstarkem Alt. Sie vertreten sowohl den Volks-Chor, der hysterisch „Töte! Töte!“ fordert, wie auch die Stimmen im Kopf des Ministers, die der Kinder, der Frau, so fesselnd und gestenstark, dass man Requisiten und Kostüme in keinem Augenblick vermisst. Eleganz und Raffinesse der fünfzehn Musiker des Mahler Chamber Orchestra sind ohnehin kaum zu überbieten.

Konkurrenz machte ihnen allenfalls die große Hymne an die Zärtlichkeit, die vor der Pause zelebriert worden war. Zur Einstimmung auf die Oper hatten Isabelle Faust (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und Jean-Guihen Queyras (Violoncello) sich drei ebenbürtige Mitstreiter gesucht (Anna Katharina Schreiber, Danusha Waskiewicz und Christian Poltéra) für eine unerhört fein durchgestaltete, gleichwohl betörend romantische Interpretation der „Verklärten Nacht“. Die tristanesken Züge und enharmonischen Verschiebungen traten, wie seltene Delikatessen, schön hervor. Es ist eben doch viel Wagner in Schönberg.

Eleonore Büning

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