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Pierre-Laurent Aimard liefert sich beim Musikfest ein Pianoduell.

© Marco Borggreve

Musikfest Berlin: Ein Sirren wie aus fernen Welten

Freude an inneren Zusammenhängen: Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich spielen Stockhausens „Mantra“ beim Musikfest Berlin.

Herrje, schon wieder ein nur mäßig verkaufter Musikfest-Abend. An den Interpreten kann es nicht liegen, Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich spielen sich an den zwei Flügeln im Kammermusiksaal fast die Finger wund. Falsch gesagt natürlich, die beiden zeichnen sich vielmehr aus durch absolute Präsenz über 75 Minuten hinweg, schnittigen Ton, hohe Körperspannung und höchste Lust am Spielen selber.

Das alles steht Karlheinz Stockhausens „Mantra“ von 1970 gut zu Gesicht, einer Komposition, zu der auch Holzblöcke, Zimbelbord und Ringmodulation gehören, letztere nun in der Klangregie durch Marco Stroppa. Die Anordnung, in die „Mantra“ damit gestellt ist, kommentiert Festspielleiter Winrich Hopp vor Beginn dahingehend, dass wirklich alle Handys auszuschalten seien, „sonst haben wir am Ende die Anrufe auf den Lautsprechern vorn“. Wäre eigentlich lustig, denkt man bei sich, doch da beginnt das Treiben schon. Theoretisch handelt es sich um ein Stück, das auf einer 13-tönigen Formel beruht, die in wiederum 13 Zyklen gespreizt und transponiert und durch Ringmodulation klanglich aufgefüttert wird.

Duell der heftigen Gesänge

Wer Freude hat an inneren Zusammenhängen, wird Freude an „Mantra“ haben. „Natürlich“, schreibt Stockhausen selbst, „ist die einheitliche Konstruktion eine musikalische Miniatur der einheitlichen Makro-Struktur des Kosmos, und sie ist ebenso eine Vergrößerung ins akustische Zeitfeld der einheitlichen Mikro-Struktur der harmonischen Schwingungen im Ton selber.“ Praktisch ist das aber nicht zu hören, weswegen sich Freude auch lange nicht einstellen will. Zwischendurch zirpen und klingeln zwar die Zymbeln, zeigen Aimard und Stefanovich, dass ihre eiskalte Anschlagskunst auch für die Holzblöcke gilt. Manchmal melden sich auch die Lautsprecher mit einem Sirren wie aus fernen Welten. Oder mit Zwitschern und Tosen um Minute 50 und einem leisen Jaulen etwas später.

Doch bleiben die einzigen Passagen, die die Versammelten aus Ehrfurcht und Blödigkeit reißen (immerhin handelt es sich um ein „Schlüsselstück“ für Wolfgang Rihm, wie das Programmheft nobilitierend mitteilt) diejenigen, bei denen die feine Struktur hörbar wird – die kräftigen, durch harte Bässe grundierten Akkordrepetitionen kurz vor Ende; das schnurgerade Pingpong einzelner Phrasen davor; vor allem aber die heftigen Gesänge, mit denen Aimard und Stefanovich sich duellieren. In diesen Momenten steht auf einmal die gute alte Tante Performativität im Saal, dann wird „Mantra“ gemocht, erkannt und behaglich geschmunzelt im Rund.

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