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Die Singer-Songwriterin Lùisa nimmt in Berlin ihr neues Album auf.

© Céline Jimenez

Musikerin Lùisa über Corona-Lockdown: „Es ist ein künstlerisches und emotionales Desaster“

Die Wohnung untervermieten - oder gleich ganz aufhören? Der Lockdown trifft Musikschaffende besonders hart. Singer-Songerwriterin Lùisa über eine Szene im Ausnahmezustand. Ein Protokoll.

Lùisa ist eine deutsche Singer-Songwriterin und nimmt gerade in Berlin ihr drittes Album auf. 2012 veröffentlichte sie ihr Debütalbum „One Youth Ago“. In den vergangenen Jahren tourte sie unter anderem mit Bands wie Tindersticks und Television. Ihre Musik lief in Netflix-Produktionen wie „Orange Is The New Black“.

Für Musikschaffende werden die kommenden Monate eine extrem harte Zeit. Wie kaum ein anderes Berufsbild ist unser Einkommen stark von einem funktionierenden, freien und öffentlichen Leben abhängig. Viele meiner Freundinnen und Kollegen sind durch die Coronakrise akut von finanziellen Ausfällen betroffen. Manche haben die letzten Monate Geld in ein Album investiert und müssten jetzt touren, um das mit den Konzerten wieder einzuspielen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 

Der Moment, als ich realisiert habe, dass es richtig ernst wird, war, als große Festivals und wichtige Branchentreffen wie das SXSW im texanischen Austin verworfen wurden. Kurz danach begannen die Absagen kleinerer Clubs. Selbstverständlich ist das gesundheitspolitisch absolut nachvollziehbar, aber für Musikschaffende eine Katastrophe, die sie in die Existenzkrise treibt. Besonders fatal ist, dass derzeit auch die wichtige Festivalsaison gefährdet scheint. Gerade solche Veranstaltungen bieten oft höhere und fixe Gagen und die Möglichkeit ein neues Publikum zu erreichen.

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Dabei ist unser Job ohnehin finanziell sehr instabil. Wir können meist keine Rücklagen aufbauen. Und so werden nun Zweifel laut, ob man sich nicht stärker in Richtung eines Zweitjobs umorientieren muss. Das könnte die breit aufgestellte Musikszene hierzulande erheblich ausdünnen. Auch unser zweites finanzielles Standbein, der Musikunterricht, wird für viele in der kommenden Zeit sehr schwierig zu realisieren sein. Manche in meinem Umfeld vermieten bereits ihre Wohnungen in Berlin unter, um wenigstens ein wenig Geld einzunehmen. Sie fahren für die kommenden Wochen zu den Eltern aufs Land. Die Situation ist nicht nur finanziell ein Desaster, sondern auch künstlerisch und emotional. 

Die Subkultur leidet am meisten

Viele Musiker streamen nun Online-Konzerte und meine Freunde von der Berliner Musiksendung „TV Noir“ haben Wohnzimmerkonzerte mit virtuellem Live-Eintritt eingerichtet. Das ist in der jetzigen Situation toll, aber es ersetzt nicht das Erlebnis eine Livekonzerts. Es ist die Begeisterung vor Publikum zu spielen, die den meisten von uns auf dem oft nicht leichten Berufsweg Sinn und Kraft gibt. Es ist das Herzstück im Leben von Musikerinnen und Musikern.

Momentan bin ich in Berlin und arbeite an meinem dritten Album. Ich hoffe sehr, dass wir trotz der nachvollziehbaren Einschränkungen weiter im Studio aufnehmen können. Wenn das nicht mehr möglich ist und sich die Veröffentlichung weiter verschiebt, wird das Jahr für mich äußerst schwierig. 

Dabei kann ich mich noch glücklich schätzen, weil ich einen Vorschuss meines Verlags bekommen habe. Ich hoffe, dass auch andere Labels so kulant und solidarisch sind. Noch härter wird es wohl Musikerinnen und Musiker aus subkulturellen Kontexten, reine Instrumentalisten und Studiomusiker treffen, die meist keine Urheberrechte an Stücken haben und somit nicht einmal einen GEMA-Vorschuss erhalten können. 

Clubs, Veranstalter und Booker dürfen nicht vergessen werden

Mein Mitbewohner arbeitete in den letzten Wochen am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg an der Theatermusik für ein aktuelles Stück und hat schon viel Zeit in Proben investiert hat. Die Vorführungen fallen nun komplett aus. Ihm wurde das Honorar trotz der Ausfälle ausgezahlt. Gerade die staatlich geförderten Projekte sollten diesem Beispiel folgen und die Beteiligten rückstandslos finanziell entschädigen.

Der Staat könnte zudem gezielt Förderungen höher bezuschussen, wie beispielsweise die „Initiative Musik“. Vielleicht ist es auch möglich, so etwas wie eine Krisenfond einzurichten und Musikerinnen und Musikern bei nachgewiesenem Ausfall eine Erstattung auszuzahlen. Selbstverständlich dürfen dabei Clubs, Veranstalter und Booker nicht vergessen werden. 

Kultur ist kein Luxus

Es kursieren bereits Online-Petitionen mit weitergehenden Vorschlägen: Beispielsweise für Betroffene der Coronakrise ein sechsmonatiges Grundeinkommen einzurichten, was ich ausdrücklich unterstütze.

Kultur ist kein Luxus, der in den kommenden Wochen mal eben etwas hintenüberfällt, es ist ein extrem wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Und eben nicht nur die Hoch-, sondern auch die Subkultur. Die Politik darf in der Krise nicht nur Unternehmen Subventionen und Hilfsprogramme zusichern. Sie muss erkennen, welch immenser Schaden momentan für freiberufliche Kreativschaffende und die Musikbranche entsteht - und diesem entschlossen entgegenwirken. 

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