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Der Liedermacher Hans Söllner.

© Manfred Siebinger/imago

Musiker Hans Söllner verbreitet gefährliche Theorien: Warum ein Linker von Rechten gefeiert wird

Aufbegehren allein ist nicht progressiv: Der Liedermacher Hans Söllner galt als "bayrischer Rebell" - bis er in der Coronakrise die NS-Zeit verharmloste.

Die klassische Einteilung in politische Spektren verschwimmt in diesen Tagen mancherorts bis zur Unkenntlichkeit. Staats- und Systemkritik ist dabei spätestens seit dem Beginn der Coronakrise keine Ägide der politischen Linken mehr. Die Querfront der Hygienedemos vereint deutschlandweit Querulanten aller Couleur. Daran zerbrechen politische Bündnisse, Freundschaften – und auch Musikfans müssen ihre Sympathien überdenken. Nicht nur die Anhänger von Xavier Naidoo, Sido oder Fler, sondern nun auch jene von Liedermacher Hans Söllner.

Lange Zeit bestand an der politischen Integrität Söllners kein Zweifel: Er genießt den Ruf eines unbequemen Querkopfs, der Kifferlieder im bayerischen Dialekt singt, Geflüchtete bei sich Zuhause aufnahm und CSU-Politiker mit Schimpftiraden eindeckte. Ein aufrechter Antifaschist, Anarchist und Rastafari. Doch nun verstieg sich Söllner in sozialen Netzwerken in Verschwörungstheorien, die bis zur Verharmlosung des Nationalsozialismus reichten: „Denunzianten, SA, Stasi und Gleichschritt und das passiert gerade. Man darf keine Vergleiche ziehen zum Dritten Reich. Aber das passiert gerade. Schaut euch um“, schreibt er da.

Label distanziert sich von Söllner

Solche Äußerungen waren auch seinem Plattenlabel Trikont zu viel. Den Musikverlag, auf dem auch Künstler wie Funny van Dannen und Bernadette La Hengst veröffentlichen, erreichten gar Interview-Anfragen von rechten Publikationsorganen. Labelchefin Eva Mair-Holmes prangerte Söllners Ausführungen daraufhin öffentlich an: „Wenn es (...) um seine Äußerungen zur momentanen Situation gehört, distanzieren wir uns ausdrücklich. Diese spiegeln in keinster Weise unsere Meinung zur aktuellen Lage wieder. Seine Vergleiche mit dem Dritten Reich entbehren jeder Grundlage und verharmlosen den Terror des Nazi-Regimes in einer unerträglichen Weise.“

Dass auch ein kritischer Zeitgenosse, der sich gegen jede Form des Machtmissbrauchs wehrt, nicht vor Fehltritten gefeit ist, bewies Söllner allerdings schon öfter. So textete er in einem bekannten Song: „A Drecksau bleibt a Drecksau, egal wohers kimmt, ob Staatsanwalt oder Präsident, Namen san egal, Hitler, Bush, Blair – International“. 2017 outete sich der „bayrische Rebell“ als Impfgegner. Im April dieses Jahres erhielt er einen Bußgeldbescheid über 50 Euro, weil er dazu aufgerufen hatte, alte und kranke Angehörige, in Krankenhäusern zu besuchen, obwohl dies in Bayern verboten war. Das Aufbegehren gegen „die da oben“ ist eben noch lange kein Ausweis für Progressivität.

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