Museumsschädlinge und der Lockdown: Tanz der Papierfischchen
Der National Trust schlägt in England Alarm: Die Museumsruhe steigert den Insektenbefall. Berlin winkt ab, doch irgendwann kommt alles über den Kanal.
Kaum macht sich der Mensch dünne, machen sich andere Spezies breit. Dieses unerbittliche Gesetz der Natur wirkt nun auch in den Heiligen Hallen der Museen, wo sich im gemütlichen Halbdunkel der Depots schon immer Bücherskorpione, Holzböcke, Motten und Papierfischchen daranmachten, das Kulturerbe der Menschheit kurz und klein zu beißen.
Die Zahl der Museumsschädlinge habe in Großbritannien im Lockdown-Jahr 2020 um elf Prozent zugenommen, meldet alarmiert der National Trust. „Es besteht kein Zweifel, dass der Lockdown den Insekten gutgetan hat“, sagt Konservatorin Hilary Jarvis.
Die Ruhe in den geschlossenen Häusern trügt
Die relative Ruhe, Dunkelheit und fehlende Störungen durch Besucher und Mitarbeiter böten perfekte Bedingungen für Larven und und erwachsene Tiere.
Im ostenglischen Herrenhaus Blickling Hall, wo ein Heer von Kleidermotten eine Tapisserie verschlingt, die einst Zarin Katharina die Große herschenkte, versprüht der National Trust nun Pheromone, um die männlichen Motten bei der Paarung zu verwirren.
Und wirft außerdem winzige Wespen, die Erzfeinde der Motten, in die Schlacht.
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Eingedenk der Tatsache, dass alles, was sich in England durchsetzt (Beatles, Stones, Fish & Chips, Earl Grey, B.1.1.7) früher oder später über den Ärmelkanal gelangt, hat die Deutsche Presseagentur flugs bei den Berliner Museen Erkundigungen zum hiesigen Ungeziefer-Status eingeholt.
Die Staatlichen Museen Berlin verzeichnen keine Plage
Der Befund ist – noch – beruhigend. In den seit Monaten geschlossenen Staatlichen Museen sei derzeit keine „Coronazeit-bedingte Veränderungen im Vorkommen von Schadinsekten zu verzeichnen“, lautet die schneidige Antwort.
Es gebe weniger Ein- und Ausgänge im Leihverkehr, mit dem die findigen Kulturfolger sich stets über internationale Museen verbreiten. Außerdem weniger Besucher und Türen, die geöffnet würden.
Trotzdem liefe der Depotbetrieb weiter und damit die Maßnahmen des „Integrated Pest Management“ wie die Tierchenkontrolle bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz uncharmant heißt.
Dieses Konzept zum Schutz von Kulturgütern wird übrigens auch in den USA und Großbritannien angewendet. Insekten, Nager und Schimmelpilze wissen: mit wechselndem Erfolg.
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