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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und Architekt Jacques Herzog, der den Siegerentwurf gestaltet hat.

© dpa

Museumsneubau in Berlin: Eine gute Lösung für das Kulturforum

Am Kulturforum soll bis 2021 das "Museum des 20. Jahrhunderts" entstehen. Der Entwurf der Basler Weltstars Herzog & de Meuron bringt endlich eine gute Lösung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Die Erleichterung war allen Beteiligten anzumerken, als sie die Entscheidung im Wettbewerb zum geplanten „Museum des 20. Jahrhunderts“ am Kulturforum verkünden konnten. Ein großer Name war gefunden worden, der des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron. Als Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die am Zustandekommen des Neubau-Projekts entscheidenden Anteil hat, ihre Freude bekundete, „dass nun auch Berlin einen Gebäudeentwurf von Herzog & de Meuron bekommt“, konnte man ahnen, wie sehr das Preisgericht oder mindestens die Politiker darin die Sorge um einen vorzeigbaren Namen als Sieger des Wettbewerbs bedrückt hatte.

Vielleicht braucht es einen großen Namen, um ein großes, noch dazu umstrittenes Projekt zu verwirklichen. Und das Kulturforum, an dem oder besser in dessen Mitte das neue Museum entstehen soll, ist nach drei, vier, fünf Jahrzehnten immer wieder aufwallender und ergebnislos versandender Debatten ein strittiger Ort. Soll man ihn bebauen, soll man nicht? Muss man nicht erst eine umfassende städtebauliche Lösung für das ganze Areal, wenn nicht für die ganze Mitte Berlins finden, um die Bauten und ihre Funktionen richtig verorten zu können?

Immer wieder war gemahnt worden, die Stadt müsse zunächst einen solchen städtebaulichen Wettbewerb ausloben und dessen Ergebnisse sorgsam bedenken. Dass es dazu nicht gekommen ist, wohl auch aus Ermüdung nach mannigfachen gescheiterten Anläufen zu einer Gesamtplanung, erweist sich als Segen. Nie hätte es den aus ziemlich heiterem Himmel gefassten Beschluss der Bundespolitiker gegeben, 200 Millionen Euro für einen Neubau auf genau dem jetzt ausgewiesenen Grundstück auszugeben, wäre da die Hürde einer städtebaulichen Gesamtordnung zu überwinden gewesen.

Die Bürger wollen mitsprechen - aber auch eine Lösung sehen

Allein ein konkreter Entwurf zum Anschauen, zum Imaginieren einer künftigen Realität konnte die Lösung sein. Das haben die siegreichen Architekten vor Augen gestellt. Und dann scheint auf einmal alles ganz einfach und folgerichtig. Die bislang durch die Brachfläche in der Mitte voneinander getrennten Solitäre von Neuer Nationalgalerie, Philharmonie und Kunstmuseen werden durch den Neubau aufeinander bezogen, sogar die Staatsbibliothek jenseits der Verkehrsschneise der Potsdamer Straße wird angebunden. Und alles durch den einfachen Gedanken, den Museumsneubau als doppelte Passage aufzufassen, als „Durchhaus“, wie man es anders, aber doch ähnlich in Wien kennt.

Die Bürger können den Neubau durchqueren, auf dem Weg von und zu den anderen Bauten, zum Lesen in die Bibliothek, zum Hören in die Philharmonie. Beinahe wichtiger jedoch ist das Flanieren selbst, das Innehalten und Schauen; das, was Goethe 1786 an der römischen Arena von Verona erkannte: sie sei „gemacht, das Volk mit sich selbst zum Besten zu haben“.

Womit der Blick wieder auf das „Forum“ gelenkt sei, welches das Kulturforum doch sein soll, ein Forum für Bürger und für ihr zwangloses Miteinander. Genau das fehlt dem Kulturforum, und dieses Fehlen reicht tiefer als die bloß ungemütliche Leere der Platzfläche, der auch zwischenzeitliche Bepflanzungsversuche nicht geholfen haben. Wir können vielleicht keine italienischen Plätze schaffen, schon das nördliche Klima spielt nicht mit; aber wenn Herzog & de Meuron an den Rändern ihres Bauwerks mehrere kleine Plätze schaffen, besonders hübsch rings um das Naturdenkmal der mächtigen Platane, die dort bislang verloren standhält, so greifen sie zumindest den Typus des öffentlichen Platzes auf.

Ein allumfassender Wurf ist in einer pluralistischen Gesellschaft kaum möglich

Der siegreiche Architekturentwurf wird nicht unverändert bleiben. Tausenderlei Notwendigkeiten sind zu berücksichtigen, zumal bei einem Museum mit seinen Anforderungen an Sicherheit und Klimatisierung. Das mag so sein. Für Berlin und die Entwicklung der Stadt aber bleibt festzuhalten, dass der auf ein einzelnes Gebäude gerichtete Wettbewerb den Durchbruch gebracht hat. Den wahrlich verschiedenartigen Bauten am Kulturforum wird ein weiteres, singuläres Gebäude hinzugefügt, man wird sich ans Miteinander gewöhnen müssen, und künftige Jahre werden Veränderungen sehen und betreiben. Die Stadt ist ein Organismus, sie muss sich anpassen, wie sie sich überall anpasst. Es ist bei Weitem nicht alles schlecht, jedenfalls nicht so schlecht, wie es einem im Einzelfall aufstoßen mag.

Was lässt sich lernen aus der unendlichen Geschichte des Kulturforums? Zum einen, dass der allumfassende Wurf in einer pluralistischen Gesellschaft kaum möglich ist. Die Geschichte des Städtebaus seit dem Beginn der Moderne ist voll von gescheiterten und zerredeten Planungen. Zum Zweiten, dass erst eine konkrete Bauaufgabe die Gedanken beflügelt, weil vorstellbar wird, was am Ende gelingen könnte. Und zum Dritten, dass die Gesellschaft Mitsprache beansprucht, aber ebenso, dass sie irgendwann Entscheidungen verlangt. Dafür den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist hohe Kunst. Am Kulturforum wurde er regelmäßig verpasst – und jetzt vielleicht doch gefunden.

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