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Abschied vom Gestern. Die Mittelamerika-Abteilung bildete 45 Jahre das Entree des Völkerkundemuseums. Die Präsentation der Objekte, frei stehend und effektvoll ausgeleuchtet, war 1970 bahnbrechend. Veraltet ist sie bis heute nicht – nur der Standort Dahlem ist überholt. Kaum ein Besucher ist an einem gewöhnlichen Vormittag zu sehen.

© Bernhard Schulz

Museumslandschaft in in Berlin: Staatliche Museen verlassen Dahlem

Anfang 2017 schließen das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst ihren bisherigen Standort. Auch sonst ist Berlins Museumsszene in Bewegung.

Hausgroß prangt ein Banner an der Fassade des Ethnologischen Museums in Dahlem. Es schaut hinab auf die schmale Lansstraße und hinüber zum John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität. Aber wen soll das Banner noch hierherlocken? Dahlem ist längst zu Erinnerung geronnen. Ein Land, das lange zögert, eh es untergeht.

Nun aber geht es endgültig unter, das Museumsland von Dahlem. Am Sonntag, den 8. Januar, ist Kehraus im Ethnologischen Museum beziehungsweise denjenigen Teilen, die überhaupt noch geöffnet sind, sowie im Museum für Asiatische Kunst. „Einzelne herausragende Dahlemer Exponate“, so beschwichtigten die Staatlichen Museen gestern, werden „bereits 2017 auf der Museumsinsel zu sehen sein.“

„Gastspiel“ klingt nach „nicht verpassen“. Was man seit jeher sehen konnte und doch nicht besucht hat, soll im zeitlich begrenzten Event zur Geltung kommen. Als das Ethnologische Museum noch Museum für Völkerkunde hieß und das Asien-Museum in zwei einander misstrauisch beäugende Museen für Ostasiatische und für Indische Kunst geteilt war, stand Dahlem für ein bürgerliches Sonntagsprogramm, für Ausflug gepaart mit Bildungsanspruch.

Berlins Museumslandschaft ist in unablässigem Wandel begriffen

Bis fast ins Jahr 2000 war auch die Gemäldegalerie noch Teil des Dahlemer Komplexes; im Altbau von 1915, der künftig allein das Museum Europäischer Kulturen beherbergen wird. Es wurde beim großzügigen Räume-Verteilen des Humboldt-Forums, das doch ein Weltmuseum sein soll, schlicht übersehen. Der Aufwand, mit dem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die ihnen zugehörigen Staatlichen  Museen das Weiterleben des Europa-Museums neuerdings beschwören, lässt das schlechte Gewissen erkennen. Während neugestaltete Ethnologische Museen in aller Welt die fünf bewohnten Kontinente gleichberechtigt in den Blick nehmen, bleibt Europa beim Humboldt-Forum am Katzentisch. Dort werde das Museum Europäischer Kulturen zwar „Auftritte“ haben, jedoch „keine zusammenhängende Ausstellungsfläche, sondern dialogisch“ zugegen sein.

112000 Jahresbesucher hatten die Dahlemer Museen zuletzt, als noch alle Abteilungen geöffnet waren. Einen kurzen, traumhaften Andrang erlebte der Komplex am zweiten Wochenende im Januar dieses Jahres – zum Kehraus der Mittelamerika- und Ostasienabteilungen drängten die Schaulustigen bis weit auf die stille Straße. Man schätzt nur, was man verliert. Die Hochkulturen Asiens, die in einer Art aufwallendem Widerstand gegen das Unvermeidliche noch ganz zum Schluss wunderschön herausgestellt wurden, stellen sich auf vergleichbaren Andrang in der ersten Woche des Jahres 2017 ein. Diese Abteilungen drei Jahre lang nicht mehr sehen zu können, und das angesichts des allerhöchsten Niveaus der Präsentation, das dort erreicht wurde, ist ein Jammer.

Die nächste Baustelle ist schon aufgetan: das Museum des 20. Jahrhunderts

Berlins Museumslandschaft ist in unablässigem Wandel begriffen. Was eben noch heiß diskutiert wurde, kann morgen bereits kalter Kaffee sein. Die Verdoppelung der Gemäldegalerie durch einen Neubau gegenüber der Museumsinsel in Verbindung mit dem Bode-Museum, Hauptbestandteil eines bereits abgehefteten Masterplans Nummer Soundso, das wirkt so gestrig wie nun auch der „vierte Flügel“ des Pergamonmuseums, den das heillose Missgeschick der bundesamtlichen Sanierung des Riesenbaus zunichte macht. Ihn hat zudem ein Architekt entworfen, der längst in den Pantheon vergangener Baumeister entrückt ist.

Immerhin das Humboldt-Forum im Schloss ist auf der Zielgeraden, mögen auch nicht ganz unbedeutende Änderungen wie die Hinauskomplementierung der zuvor eisern verteidigten Landesbibliothekszweigstelle noch für lokale Quadratmeterverteilungskämpfe sorgen – und für einen Etatzuschlag in Höhe von 26 Millionen Euro, der für dies und das, aber eben auch für Neukonzipierung und Ausstattung von zuvor anderweitig verplanten Raumfluchten benötigt wird.

Späte Einladung. Das Eingangsgebäude an der Lansstraße, neuerdings mit Banner.
Späte Einladung. Das Eingangsgebäude an der Lansstraße, neuerdings mit Banner.

© Bernhard Schulz

Über die Sinnhaftigkeit der mit dem magischen Namen Humboldt verbrämten Ethnologie-Schauen jedenfalls kann nicht mehr verhandelt werden, auch wenn manchem Beteiligten dämmert, dass die Alles-ist-Weltkultur-Euphorie mittlerweile etwas abgegriffen sein könnte. Nur Gründungsintendant Neil MacGregor plaudert unentwegt so frisch von Alexander von Humboldt, als habe der ihm gestern erst von seiner Amerika-Expedition erzählt. Man darf gespannt sein, wie lange MacGregor seinen freundlichen BBC-Erzählton beibehält.

Die nächste Baustelle ist schon aufgetan. Das 200-Millionen- Euro-Geschenk der Bundestagshaushälter vor zwei Jahren hat tatsächlich zu einem groß dimensionierten Architekturwettbewerb geführt, und nun erregt das Museum des 20. Jahrhunderts in Gestalt des zum Sieger erkorenen Entwurfs der Basler Universalkönner Herzog & de Meuron die Gemüter. Die Hoffnung, mit dem weltweit gefeierten Duo jede Kritik von vorneherein als kleinmütiges Geplärre abtun zu können, hat indes bereits getrogen.

Die clevere Rhetorik, das Schweizer Modell des Discounter-Schuppens als baulichen „Archetyp“ gegen jeden Einwand zu immunisieren, verfängt nicht. Mancher, der sich – wie der Rezensent – beim ersten Augenschein hat begeistern lassen, sieht nun mit etwas geschärfterem Blick hin. Wenngleich die übrigen Entwürfe des Wettbewerbs auch keinen übersehenen Rohdiamanten offenbaren.

In Dahlem hält allein das Museum Europäischer Kulturen unverdrossen die Stellung

Einmütigkeit hingegen kann das Bauhaus-Archiv für seinen gleichfalls per Wettbewerb gekürten Neubau am Landwehrkanal verbuchen. Volker Staabs museumspraktische Trennung von tageslichtlosen Ausstellungsflächen und einem dem Wohlgefallen gewidmeten Turm vereint die Bedürfnisse von Museum und Besuchern in feiner Balance.

Ähnliches Glück könnte dem neuesten Weihnachtsgeschenk der Bundes-Haushälter beschieden sein, der Millionengabe für den Wiederaufbau der Bauakademie. Einerlei, was genau da hineinkommt – die diversen Verbandsinteressen sind bereits in Stellung gebracht –, bietet das Gebäude eine Gelegenheit zur Selbstinszenierung ebenso wie die Aura historisch beglaubigter Fortschrittlichkeit, für die Schinkels Name steht.

Von hier ging eine neue Epoche der Welt(-bau-)geschichte aus, und wir können sagen, wir seien dabei gewesen – wenigstens nachträglich. Komme bloß keiner, wie beim Schloss, mit einem Betonbau mit vorgeblendetem Ziegelmauerwerk! Solch’ barocke Kulissenhaftigkeit ist Schinkels Sache nicht. Seine Ziegel meinten die Ehrlichkeit des Bauens an sich. Dieser protestantischen Auffassung verdankte Preußen-Deutschland Jahrzehnte an ehrlicher Fabrikarchitektur, die dem Zeitalter von Industrie und Kapital jedenfalls keine Verstellung gestattete.

Nun gehen in Dahlem die Lichter aus. Wirklich abgelegen ist die Örtlichkeit nicht, nur auf dem mentalen Stadtplan hat Dahlem als Synonym für Behäbigkeit jede Anziehungskraft verloren. Während andere Metropolen den Reiz des Peripheren entdecken, übt Berlin einen ungebrochenen Sog in seine Mitte aus. Jetzt erst kommt das eigentliche Interim, die Zeit ohne außereuropäische Sammlungen. Immerhin drei Jahre wird sie andauern, gemildert allein durch Ausstellungen anderenorts, wie der für Herbst 2017 angekündigten „Chinesischen Portraitmalerei 1368–1912“ am Kulturforum.

Unter den Ideen, die schneller alterten, als sie zu Ende gedacht werden konnten, zählt auch die von der Nachnutzung des Dahlemer Museumsgeländes. Des Geländes, nicht der Bauten: Denn die wurden vor Jahren für so marode erklärt, dass sie gewissermaßen von selbst zusammenfallen sollten, sobald ihr Inneres geborgen sei. Gedacht war einmal an eine Übernahme durch die Freie Universität. Davon ist nun nicht mehr die Rede. Die Museen, so wurde am Freitag auf einer Pressekonferenz der Staatliche Museen verkündet, benötigen die Bauten als Depots, nachdem die ursprünglichen Pläne für ein Zentraldepot weit draußen in Friedrichshagen allmählich versanden.

In Dahlem hält allein das Museum Europäischer Kulturen unverdrossen die Stellung. An diesem Wochenende ist Weihnachtsmarkt. Direktorin Elisabeth Tietmeyer beschwört einen Dreiklang aus „Freizeitgestaltung, Erholung, kreativer Inspiration“. Wer weiß, vielleicht wandelt sich das Dahlemer Haus zur heimlichen Wunderkammer am verwunschenen Rande des neuen Berlin.

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