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Im Hinterhof von Mies van der Rohe. Hier an die Sigismundstraße soll der Neubau hin, schräg gegenüber der St. Matthäuskirche. So empfiehlt es die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Kulturstaatsministerin Grütters bevorzugt einen Neubau an der Potsdamer Straße.

© Kai-Uwe Heinrich

Museum der Moderne für Berlin: Die Alten Meister bleiben in der Gemäldegalerie

Berlin bekommt ein Museum der Moderne, versteckt hinter der Neuen Nationalgalerie. Die Alten Meister bleiben am Kulturforum, nachdem sich 2012 ein Proteststurm gegen Umzugspläne zur Museumsinsel erhoben hatte. Nun schwenkt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz um und wirbt für eine billigere Lösung.

Büsche wachsen wild, Autos parken am Rand, Baracken säumen die Straßenseite. Nichts deutet darauf hin, dass hinter der Neuen Nationalgalerie an der Sigismundstraße in acht bis zehn Jahren ein Museum der Moderne stehen könnte – mit einer Ausstellungsfläche von fast 10000 Quadratmetern. Gemeinsam mit den Räumlichkeiten der Nationalgalerie gibt es für die Moderne dann so viel Platz, wie ihn jetzt der Hamburger Bahnhof bietet. Mit der gestrigen Präsentation der Machbarkeitsstudie in der Villa von der Heydt und der neuesten Positionierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Zukunft der Berliner Museumslandschaft rückt das 6500 Quadratmeter große Gelände im Schatten von eher unbedeutenden IBA-Wohnbauten von 1987 jetzt jedenfalls unversehens ins Rampenlicht.

Was seit dem vergangenen Sommer die Kunstwelt in Atem hielt, weil Kulturstaatsminister Bernd Neumann dem Haushaltsausschuss des Bundes überraschend 10 Millionen Euro für die Umrüstung der Gemäldegalerie zu eben jenem Museum der Moderne entlockte, soll hier nun zu einem guten Ende finden. Die Gemäldegalerie bleibt, wo sie ist – eher kränkelnd am hinteren Ende des Kulturforums. Der vor einem Jahr zukunftsorientiert ins Auge gefasste Umzug der Alten Meister zur Museumsinsel, um dem 20. Jahrhundert im Hilmer & Sattler-Bau Platz zu schaffen, ist also vom Tisch. Das Bode-Museum erhält damit auch kein Pendant jenseits des Kupfergrabens, einen Neubau, mit dem die lang diskutierte Zusammenführung von Malerei und Skulptur hätte realisiert werden können.

Für die Alten Meister ist die nun getroffene Entscheidung, die im Dezember dem Stiftungsrat vorgestellt wird und dann die parlamentarischen Gremien passieren muss, keine befriedigende Lösung. Das gesteht Stiftungspräsident Hermann Parzinger unumwunden ein. Er hatte mit Generaldirektor Michael Eissenhauer stets für die große Vision votiert und damit im vergangenen Sommer viel Schelte einstecken müssen, da es zeitweilig so aussah, als ob er Rembrandt, Tizian & Co. leichtfertig ins Depot wandern ließe, bis der Neubau am Kupfergraben fertiggestellt wäre. Die Alten Meister bleiben von der Kursänderung für die Staatlichen Museen unberührt. Bei der neuen Planung zählt am Ende nur das Geld, auch wenn Parzinger diese Tatsache nicht als „zu trivial“ bezeichnet sehen möchte. Die billigere Variante setzte sich durch. 270 Millionen Euro hätte ein Neubau auf dem Kasernengelände gegenüber dem Bode-Museum gekostet, ein Haus hinter dem Mies-van-der-Rohe-Bau ist nur mit 130 Millionen veranschlagt. Mit dem Umzug der Alten Meister sowie der Herrichtung der Gemäldegalerie für die Moderne hätten sich die reinen Bau- und Umbaukosten bei Variante 1 auf 400 Millionen Euro summiert. Unbezahlbar, nicht zu verantworten, heißt es nun. Das favorisierte Museum der Moderne wird insgesamt auf 179 Millionen Euro kalkuliert, einschließlich der Einrichtungskosten , des Ein- und Umzugs der Sammlung Pietzsch und von Teilen der im Hamburger Bahnhof untergebrachten Kunst des 20. Jahrhunderts.

Fast ein Jahr hat sich das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Zeit genommen, um das 800 Seiten starke Zahlenwerk auf den Tisch zu legen, alle Varianten zu prüfen. Präsidentin Rita Ruoff-Breuer betont immer wieder, dass ihr Haus nur die Grundlagen liefert und keine Empfehlung ausspricht. Wer jedoch die Unterlagen genauer studiert, wird dort durchaus kritische Untertöne auch zum jetzt favorisierten Standort finden. Das Grundstück befindet sich teils im Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, teils im Eigentum des Landes Berlin und ist seit dem Wettbewerb zur Erweiterung der Neuen Nationalgalerie 1981 längst für einen solchen Bau vorgesehen. Komplizierte Grundstückserwerbungen sind also nicht mehr zu tätigen, aber die Adresse wird immer „Hinterausgang Mies-van-der-Rohe-Bau“ lauten – eingezwängt zwischen der sakrosankten Gartenmauer dieser Ikone der Moderne und den IBA-Bauten. Einen großen architektonischen Wurf wird man an diesem versteckten Standort kaum erwarten dürfen, zumal die avisierte Höhe von 20,5 Metern den Dächern der Wohnbebauung entspricht und die Denkmalpflege sicher noch ein Wörtchen mitzureden hat. Lust auf ein neues Museum machen diese Bedingungen nicht.

Das Kulturforum mit dem geplanten Neubau.
Das Kulturforum mit dem geplanten Neubau.

© Fabian Bartel

Die Chefs von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung sind enttäuscht

Im Hinterhof von Mies van der Rohe. Hier an die Sigismundstraße soll der Neubau hin, schräg gegenüber der St. Matthäuskirche. So empfiehlt es die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Kulturstaatsministerin Grütters bevorzugt einen Neubau an der Potsdamer Straße.
Im Hinterhof von Mies van der Rohe. Hier an die Sigismundstraße soll der Neubau hin, schräg gegenüber der St. Matthäuskirche. So empfiehlt es die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Kulturstaatsministerin Grütters bevorzugt einen Neubau an der Potsdamer Straße.

© Kai-Uwe Heinrich

Und wer hofft, auf diese Weise dem unseligen Kulturforum städtebaulich neue Perspektiven eröffnen zu können, der redet sich die Planung schön. Das neue Museum befindet sich nicht nur auf der Rückseite der Neuen Nationalgalerie, sondern auch des Kulturforums selbst, das sich zur Piazetta an der Potsdamer Straße hin orientiert. Eine gewisse Perspektive bietet die große Treppe an der Sigismundstraße zur Gemäldegalerie, die bisher nur als Nebeneingang genutzt wurde, künftig aber direkt auf das neue Museum zuläuft. Über sie ließe sich eine Verbindung zum Kulturforum herstellen. Spätestens mit dem Museum der Moderne müssen hier endlich grundlegend städtebauliche Ideen entwickelt werden für das urbane Desaster, sonst schafft man nach der Gemäldegalerie nur ein weiteres Mauerblümchen: famose Kunst in funktioneller Hülle, in die zweite Reihe gestellt.

Wie viel reizvoller hätte sich dagegen die Variante eines Neubaus direkt am Kulturforum ausgenommen, die bis zuletzt diskutiert worden war und dann doch verworfen wurde: das 10 000 Quadratmeter große Areal an der Potsdamer Straße zwischen Neuer Nationalgalerie und Kammermusiksaal, das sich allerdings nur zu 80 Prozent im Eigentum des Landes Berlin befindet. Hier hätte das Schmuddelgrundstück am Kulturforum, das auch keine über den Platz verteilten Skulpturen retten können, endlich seinen Schlussstein finden können. Das Museum der Moderne hätte eine markante Adresse, die Architekten wären zu ambitionierten Wettbewerbsentwürfen animiert, da sie sich hier dem unmittelbaren Vergleich mit Mies van der Rohe und Hans Scharoun stellen müssen.

Generaldirektor Eissenhauer spricht stets in hohem Ton von der Moderne, die von Berlin aus für Deutschland ihren Ausgang nahm und unter den Nationalsozialisten besonders litt. Diesem Pathos wäre ein Standort vis-à-vis der Staatsbibliothek weit angemessener als die jetzige Lösung. Mit ähnlichem Tremolo erinnert auch Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann an das Kronprinzenpalais und die von Ludwig Justi einst formulierte Idee, Unter den Linden eine Galerie des 20. Jahrhunderts zu gründen. Sie würde nun nach fast 100 Jahren endlich in die Tat umgesetzt. Die Potsdamer Straße hätte der adäquate Ort sein können, auf gleicher Höhe mit der Neuen Nationalgalerie. Die Chance ist nun vertan.

Eine dritte Möglichkeit für einen Neubau am Kulturforum Ecke Tiergarten-/ Stauffenbergstraße schied von vorneherein aus. Dort wäre die Moderne in die hinterste Ecke abgeschoben worden, nicht einmal mehr in Blicknähe der Neuen Nationalgalerie. Auch die Unterbringung der Sammlungen in bestehenden Liegenschaften der Stiftung Preußischer Kulturbesitz kam nicht in Frage. So wurden der östliche wie westliche Stülerbau als Standort für die Sammlung Pietzsch geprüft, zusammen mit der Sammlung Scharf-Gerstenberg, die ebenfalls den Surrealisten gewidmet ist, oder mit der Sammlung Berggruen und ihren Klassikern der Moderne. Beides schied aus: Während bei Scharf-Gerstenberg der intime Charakter der Sammlung zerstört wäre, verbietet sich bei Berggruen eine Fusion aufgrund vertraglicher Verpflichtungen gegenüber der Familie. Auch wenn die Vorschläge nicht ernsthaft erwogen wurden, so erstaunt es doch, dass über den Umzug der Alten Meister diskutiert wird, die Gemäldegalerie für das 20. Jahrhundert zeitweilig zur Disposition stand, die Situation in Charlottenburg aber nie ernsthaft hinterfragt wird.

Mit der Machbarkeitsstudie will sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Zukunft absichern. Deshalb wurde auch die Unterbringung der Alten Meister an anderen Standorten außerhalb der Museumsinsel durchgespielt. Das künftige Schloss kommt nicht in Frage, da die außereuropäischen Sammlungen im Humboldtforum Platz finden sollen. Die Gemäldegalerie wäre da ein Fremdkörper – so der Kommentar der Stiftungschefs. Zumal die Gemäldegalerie mindestens 6725 Quadratmeter Platz bräuchte, der dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst dann fehlt. Sogar Dahlem wurde wieder ins Spiel gebracht und sogleich verworfen – denn das wäre ein Rückschritt, nachdem die Sammlung vor 15 Jahren aus dem Südwesten ins Zentrum der Stadt geholt worden war, wenn auch nicht an ihren ursprünglichen Standort in Mitte.

Arme Alte Meister. So weit war es fast schon, dass sie zumindest im Geiste wieder nach Dahlem verladen wurden. Für Bernd Lindemann, den Direktor der Gemäldegalerie, ist das Datum der Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie und der Neudisponierung der Berliner Museumslandschaft ein schwarzer Tag, daraus macht er keinen Hehl. In den neunziger Jahren hatte er als Kurator für den großen Wurf, den Umzug zur Museumsinsel gekämpft, bis ihm ein Maulkorb verordnet wurde. 20 Jahre später muss er auch als Direktor klein beigeben.

Julien Chapuis, der Leiter der Skulpturensammlung, hatte ähnlich vehement für eine Fusion der beiden Abteilungen auf der Museumsinsel plädiert. Auch er kann seine Enttäuschung über die für ihn deprimierenden Ergebnisse nicht verbergen. Zumal die neuen Zahlen auf ungleicher Grundlage zustande kamen. Für einen Neubau nahe der Museumsinsel auf dem kostbaren und kostspieligen Mitte-Grundstück wurden zwei Untergeschosse dazugerechnet, mit weiteren Räumen für Depots, Büros und Forschung. Damit schossen die Kosten in die Höhe und ließen das Projekt horrend erscheinen. Irgendwann wird dann doch auf dem Kasernengelände gebaut, verspricht Präsident Parzinger. Das Grundstück sei das natürliche Erweiterungsterrain der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Doch das wohl nach seiner Zeit. Ganz offensichtlich möchten er und seine Kollegen zumindest einen Teilerfolg landen, ein Museum für die Moderne. In Berlin fehlt ein solches Haus schon viel zu lange. Ab 2015 schließt die Nationalgalerie sanierungsbedingt, auf Jahre. Danach wird der Bedarf umso größer sein.

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